Wer häufig am Waldrand oder in Wiesen spazieren geht, hat sie vielleicht schon mal gesehen: Wäschekörbe, unter denen Rehkitze liegen. Ein Dummejungenstreich oder Tierquälerei? Mitnichten, betonen Daniel Würdemann und Lars Kosten vom Hegering Wildeshausen und schlagen Alarm: Wer die Körbe anhebt, bringt die Rehe in Gefahr. Denn hinter den Körben steckt eine Maßnahme des Hegerings, um Rehe vor Mähern zu schützen.
Aufspüren durch Drohne
Bevor Landwirte auf ihrem Land Ackergras oder Heu mähen, haben sie sicherzustellen, dass sich dort keine Tiere befinden. Hier kommt der Hegering ins Spiel. „Bei bis zu 80 Zentimeter hohem Gras ist das Aufspüren schwierig“, sagt Würdemann. Die Überprüfung des Geländes mit Hunden sei nicht ergiebig, da junge Rehkitze noch keine Witterung abgeben. Um Gebiete von bis zu 20 Hektar sorgfältig abzusuchen, bedarf es technischer Unterstützung in Form von Drohnen. Seit Februar verfügt auch der Hegering Wildeshausen über eine eigene Drohne mit Wärmebild- und Sichtbildkamera. Sowohl für Landwirte als auch für Lohnunternehmen fliegt die Drohne Gelände ab, um Rehkitze und andere Tiere aufzuspüren. Das Steuergerät verfügt über einen kleinen Bildschirm, auf welchem die Aufzeichnungen der Drohne wiedergegeben werden. Auf einem weiteren Monitor können Kosten und Würdemann die Aufnahmen im Großformat sichten.
Wird ein Kitz aufgespürt, kommen die Wäschekörbe zum Einsatz. Das Kitz wird in einen Korb gesetzt, an einen Platz am Rande der Mähfläche gebracht, der Korb umgedreht, damit die Kitze nicht fliehen können. „Es besteht sonst die Gefahr, dass die Rehmutter ihr Kitz abholt und zurück in das zu mähende Gelände bringt“, sagt Würdemann. Unmittelbar nach der Mahd werden die Kitze wieder in die Freiheit entlassen. Je nach Größe der Mähfläche und Schnittbreite der Mähmaschine kann dies bis zu fünf Stunden dauern. Für die Kitze sei es kein Problem, vorübergehend eingesperrt zu sein.
Ein „Todesurteil“
„Rettungsversuche“ von übereifrigen Tierfreunden hätten dagegen fatale Folgen. „Sobald dem Kitz der Geruch von Menschen oder Hunden anhaftet, erkennt die Mutter es nicht mehr als ihr Kind an“, erklärt Kosten. Sie würden den Geruch als Gefahr wahrnehmen und sich fernhalten. „Für das Kitz ist das ein Todesurteil.“ Schon jetzt würden, so Würdemann, immer mehr verwaiste Kitze der Polizei gemeldet. Um keine Gerüche zu hinterlassen, ergreifen die Jäger das Tier ausschließlich mit Einmalhandschuhen und betten es in Grasbüschel ein. Um neugierige Spaziergänger zu warnen, möchten die Mitarbeiter vom Hegering künftig Erklärungen an die Körbe anbringen. Ohnehin beabsichtige man, die Tiere an schattenspendenden Orten abzulegen, an denen kein Spaziergänger unterwegs ist.
Landwirten droht Strafe
Hundertprozentige Sicherheit für die Tiere könne auch die Drohne nicht leisten. „Manchmal entwischen uns Kitze, bevor wir sie ergreifen können“, sagt Würdemann. Wie viele Kitze den Mähtod erleiden, darüber habe man keine Zahlen. „Aber man hört immer wieder davon“, sagt Kosten. Das fahrlässige Töten von Tieren beim Mähen ist indes kein Kavaliersdelikt. Gemäß Paragraph 17 des Tierschutzgesetzes droht jenen, die ein Wirbeltier ohne vernünftigen Grund töten, eine Freiheitsstrafe von bis zu drei Jahren. In den vergangenen Jahren kamen Täter jedoch meist mit einer Geldstrafe im niedrigen oder mittleren vierstelligen Bereich davon.