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Fabrik-Explosion in Ritterhude Chef beschenkte Kontrolleure

Hat der Besitzer des explodierten Chemiewerks in Ritterhude in der Vergangenheit Kontrolleure beschenkt? Das legen Recherchen von WESER-KURIER und NDR nahe.
19.09.2014, 16:38 Uhr
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Chef beschenkte Kontrolleure
Von Jürgen Hinrichs

Nach der Explosion eines Chemiewerks in Ritterhude, deren Ursache weiter ungeklärt ist, geraten der Betreiber und die Behörden in den Blickpunkt. Offenbar sind zumindest bis 2005 Beamte, die für Genehmigung und Überprüfung der Produktionsanlagen zuständig waren, regelmäßig mit Geschenken bedacht worden. Das geht aus Unterlagen der Kriminalpolizei hervor, die dem WESER-KURIER und dem NDR vorliegen. Gegen den Unternehmer wurde unter anderem wegen Korruption ermittelt.

Was die Ursache für das Explosionsunglück in Ritterhude vor knapp zwei Wochen war, bei dem ein Mitarbeiter des zerstörten Chemiewerks um Leben gekommen ist, wird nach Einschätzung der Brandermittler erst in einigen Monaten feststehen. Stattdessen rückt jetzt eine andere Frage in den Vordergrund: Haben die Behörden seinerzeit bei Bau und Betrieb der Anlage, in der giftige und hochbrennbare Stoffe verarbeitet wurden, genau genug hingeschaut? Oder gab es ein stilles Einvernehmen, befördert durch Geschenke des Betreibers an die Beamten? Fest steht, dass der seinerzeitige Unternehmer solche Präsente verteilt hat – ausdrücklich mit dem Ziel, bei den Empfängern Wohlwollen zu erreichen.

Champagner, Whiskey und alter Cognac für Beamte

Betreiber des Werks ist die Firma Organo-Fluid mit ihrem Geschäftsführer und Inhaber Wolfgang Koczott. Als gegen Koczott wegen Betrugs, Untreue und Korruption ermittelt wurde, hieß seine Firma noch „Dr. Wolfgang Koczott Chem. techn. Betriebs-GmbH“. Unter diesem Namen ging sie vor sechs Jahren in die Insolvenz und bekam mit Organo-Fluid einen Nachfolger. Die Vorwürfe gegen Koczott beziehen sich auf die Jahre von 2002 bis 2005 und werden in den Unterlagen exemplarisch für das Jahr 2005 belegt. In den Folgejahren gab es nach einem Wechsel in der Geschäftsführung keine Zuwendungen mehr.

„Entschädigungs- und Beruhigungsgelder“ als Betriebsausgaben

In einem firmeninternen Schreiben, das in der Ermittlungsakte zitiert wird, erwähnt Koczott die Zahlung von „Entschädigungs-und Beruhigungsgeldern“. Der Unternehmer schreibt, dass er jemanden bedienen müsse, „um auf dem Weg einen zweiten Zugang zu bekommen, die Verstimmung ist riesig!!!“ Ferner heißt es in dem Schreiben, dass er in anderer Angelegenheit zurzeit eine „Pflege“ mache, die zu seinen persönlichen Lasten gehe. Koczott hat nach einer Aufstellung der Kriminalpolizei im Jahr 2005 allein für die Weihnachtspräsente rund 20 000 Euro ausgegeben. Der Löwenanteil ging an Mitarbeiter privater Firmen, den Rest verteilte er an die Behörden. Dass er damit gegen geltendes Recht verstößt, war Koczott offenbar nicht bewusst. Die Zuwendungen an Amtsträger hat er nach Erkenntnissen der Polizei als Betriebsausgaben geltend gemacht. In einer Vernehmung gab er an, dass er nicht beabsichtigt habe, die Entscheidungen der Behörden zu beeinflussen.

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Unternehmer schweigt

Gegen Koczott, der seit dem Explosionsunglück trotz mehrmaliger telefonischer und schriftlicher Anfragen zu keiner Stellungnahme bereit war, wurde das Ermittlungsverfahren wegen Korruption gegen Zahlung einer Geldauflage eingestellt. Das hat die zuständige Staatsanwaltschaft in Verden auf Anfrage unserer Zeitung mitgeteilt. Weitere Auskünfte, zum Beispiel zu den Vorwürfen wegen Untreue und Betrugs, konnte die Behörde nicht geben. Die Akten seien bereits vernichtet, hieß es.

Unklar deshalb, ob je gegen Behördenmitarbeiter vorgegangen wurde, die auf den Listen stehen. Beim Landkreis Osterholz waren es ausweislich der Unterlagen in der Ermittlungsakte acht Personen, die von Koczott im Jahr 2005 zu Weihnachten Geschenke bekommen haben. „Wir haben davon nichts gewusst“, sagte Landrat Bernd Lütjen dem WESER-KURIER.

Lütjen war vom NDR mit dem Vorgang konfrontiert worden. Die Kreisverwaltung habe daraufhin umgehend mit der Staatsanwaltschaft Verden Kontakt aufgenommen, um Näheres über das Verfahren zu erfahren, erklärte der Landrat. Die betroffenen Mitarbeiter würden nun im Rahmen einer internen schriftlichen Anhörung zu den Vorwürfen befragt.

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