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Filtertechnik beschäftigt Landkreis Eltern bestehen auf Luftfiltern

Seit Monaten wird über den Nutzen von mobilen Luftfiltern diskutiert. Nun scheint an einigen Stellen ein Umdenken stattgefunden zu haben, sodass der Landkreis das Thema erneut behandelt.
19.07.2021, 05:00 Uhr
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Von tel Brigitte Lange

Landkreis Osterholz. Noch vor den Sommerferien, also diese Woche, will sich der Landkreis Osterholz mit einem Thema beschäftigen, das bundes- und landesweit gerade neue Fahrt aufnimmt: mobile Luftfilter. Allerdings nicht nur dort. So erreichte vor wenigen Tagen ein offener Brief des Kreiselternrates die Kreisverwaltung. Darin machen sich die Eltern dafür stark, dass die Schutzmaßnahmen an den hiesigen Schulen um mobile Luftfilter ergänzt werden: „Raumluftfilter - auch mobile - sind in der Lage, zu einem wirksamen Gesundheits- und Infektionsschutz in unseren Schulen beizutragen. (...) Die körperliche und seelische Gesundheit unserer Kinder sollte uns das Wert sein“, erklären sie.

Es waren die Eltern des Ritterhuder Gymnasiums, die mit diesem Anliegen an den Kreiselternrat herangetreten sind. Der sei umgehend aktiv geworden, berichtet Ilka von der Heide, Vorsitzende des Schulelternrates am Ritterhuder Gymnasium. Denn:  „Wir gucken alle mit Sorge auf den Herbst.“ Zwar erkläre die Schule, dass das Homeschooling gut laufe. „Aber eine Umfrage unter den Schülern zeigt, dass sie nicht zufrieden sind“, berichtet von der Heide. Schüler wie Eltern hätten sich in dieser schwierigen Zeit allein gelassen gefühlt. Den Lehrern macht sie keinen Vorwurf. Die seien in diese Situation auch nur hineingeworfen worden. Auf das kommende Schuljahr sollten die Schulen aber besser vorbereitet sein, damit es zu keinen Schließungen komme. Und dafür benötigten sie mobile Luftfilter in allen Klassenräumen.

Filter nur als Ergänzung

„Die Geräte sind kein Allheilmittel“, räumt von der Heide ein. Nach Meinung der Eltern – auch der des niedersächsischen Landeselternrates, der einen 76-seitigen offenen Brief dazu geschrieben hat – sind sie aber eine notwendige Ergänzung zum bisherigen Hygienekonzept der Schulen. Das gültige inzidenzbasierte Stufenplan-Konzept habe Schulschließungen nicht verhindern können. Es wie bisher fortzuführen, ohne Verbesserungen, laufe „unweigerlich auf  Schulschließungen mit Distanzunterricht hinaus; (...) dies kann nach mehr als 15 Monaten Pandemie von uns Eltern nicht akzeptiert werden“, erklärt auch Rikus Winsenborg, Vorsitzender des Osterholzer Kreiselternrates.

Der Landkreis Osterholz hat es bislang stets abgelehnt, mobile Luftfilter für die Schulen in seiner Trägerschaft anzuschaffen. Fünf Minuten langes Stoßlüften alle 20 Minuten sei ebenso effektiv und preiswerter als die mobilen Luftfiltergeräte. Zudem lag dem Kreis bis dato keine dahin gehende Empfehlung aus Hannover vor, ebensowenig wie ein Erlass oder eine Förderrichtlinie. Im Gegenteil: „Es ist richtig, dass der Landkreis im vergangenen Jahr auf Grundlage einer Empfehlung des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes und des Landes Niedersachsen die Anschaffung von mobilen Luftfilteranlagen nicht in Betracht gezogen hat“, so Landkreissprecherin Jana Lindemann. Auch weiterhin gelte für den Kreis: „Die in Innenräumen übliche Anreicherung von Kohlendioxid (CO2), Luftfeuchte und diversen chemischen, teils geruchsaktiven Substanzen, kann durch partikelfilternde Geräte nicht beseitigt werden, sodass weiterhin eine ausreichende Lüftung erforderlich ist.“ 

Dass er sich nun dem Thema erneut widmet, begründet der Kreis mit der jüngsten Entwicklung: „Offenbar gibt es neuere wissenschaftliche Erkenntnisse, die eine veränderte Haltung des Landes erwarten lassen (...); neben einer eigenen Meinungsfindung bleibt daher aktuell abzuwarten, wie sich das Land zu dieser Thematik erklären wird“, so Lindemann.

Förderung auch für mobile Anlagen

Und tatsächlich gibt es Neuigkeiten aus Berlin und Hannover. Sowohl in der Bundes- als auch in der Landeshauptstadt hat man sich entschieden, ab sofort nicht nur fest installierte, sondern auch mobile Luftfilter für Kitas und Grundschulen finanziell zu fördern. Das bedeutet nicht, dass der Landkreis nun diese Geräte bestellt. Lindemann: „Die Erfüllung eines Fördertatbestands ist nicht die Voraussetzung für ein Handeln des Landkreises. Auch ohne eine solche Fördermöglichkeit würde der Landkreis handeln, wenn die wissenschaftlichen Empfehlungen des Niedersächsischen Landesgesundheitsamtes (NLGA) entsprechende Maßnahmen nahelegen.“

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Die Haltung dieses Amtes ist indes nicht eindeutig. Gegenüber der Redaktion erklärte der Pressesprecher des NLGA, dass Stoßlüften den mobilen Filtern weiterhin vorzuziehen sei. Zugleich räumt er ein, dass für eingeschränkt zu belüftende Unterrichtsräume mobile Filteranlagen geeignet seien – sofern sie von Fachfirmen aufgestellt würden. Kurz: Das NLGA übernimmt die aktuelle Haltung des Bundesumweltministeriums.

Ein Wissenschaftler, auf dessen aktuelle Forschung in Sachen mobile Luftfilter sich die Eltern im Land und im Kreis berufen, stellt die Zuständigkeit dieses Bundesamtes allerdings infrage. „Es ist überhaupt nicht die Aufgabe des Umweltbundesamtes“, so Professor Christian Kähler, „hier irgendwelche Empfehlungen abzugeben, denn zu den Aufgaben des Umweltbundesamtes gehört eigentlich nur die Überwachung der Luftgüte im öffentlichen Raum und die Wasserqualität.“

Andere Erkenntnisse als das Amt

Untersuchungen seines Institutes für Strömungsmechanik und Aerodynamik der Universität der Bundeswehr und auch eine in der Praxis durchgeführte Studie der Uni Frankfurt kommen zu anderen Erkenntnissen als das Umweltbundesamt. Demnach werde die Wirkung des Stoßlüftens auf die Belastung der Raumluft durch Viren deutlich überschätzt. Zudem gelinge es (den in der Studie eingesetzten) mobilen Luftfiltern, bis zu 90 Prozent der Aerosole aus der Luft zu filtern. Weiter soll es, laut Bundeswehr-Uni, mobile Luftfilter geben, die das CO2-Problem effektiv lösen. Und noch etwas schreiben die Eltern: „Diese Technik ist nicht neu! Sie ist eine bereits jahrzehntelang angewandte Standardtechnik in Kliniken! Neu ist nur, dass sie nunmehr in Schulen aufgestellt werden sollte.“

Wessen Urteil sich der Landkreis anschließt, bleibt abzuwarten. „Hierzu steht eine Entscheidung noch aus“, heißt es dazu aus dem Kreishaus.

Zur Sache

200 Millionen Euro Fördermittel

Die Bundesregierung hat jetzt entschieden, dass sie nicht nur fest installierte Lüftungsanlagen fördern wird. Denn sie hat erkannt, dass die Umsetzung dieser Maßnahme kurzfristig nicht flächendeckend zu realisieren ist. Nun gibt sie 200 Millionen Euro Fördermittel für mobile Geräte. Allerdings sind diese Gelder an bestimmte Vorgaben geknüpft: So wird die Anschaffung von mobilen Filtern nur "für Räume mit eingeschränkter Lüftungsmöglichkeit in Einrichtungen für Kinder unter zwölf Jahren" gefördert. Heißt: Vor allem für Kindergärten und Grundschulen sind diese Mittel gedacht. Die 20 Millionen Euro, die das Land Niedersachsen zu diesem Zweck zusätzlich bereitstellt, sind an die selben Bedingungen geknüpft.

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