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Pilzexkursion über den Weyerberg Die Krause Glucke darf in den Topf

Die Welt der Pilze - sie kann auch auf dem Weyerberg in Worpswede erkundet werden. Bis zu 3000 Pilzarten soll es dort geben, erfuhren die Teilnehmer einer Exkursion.
13.10.2015, 00:00 Uhr
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Von Ulrike Schumacher

Weit kommen sie erst einmal nicht an diesem kühlen und sonnigen Herbstvormittag. Die Gruppe, die sich vor der Worpsweder Gästeinformation versammelt hat, wird in den folgenden drei Stunden tief eintauchen in die Welt der Pilze. Die Biologische Station Osterholz hat zu einer Exkursion über den Weyerberg eingeladen. Mit Augenmerk auf die aus dem Boden schießende Vielfalt. Bis zu 3000 verschiedene Pilzarten soll es hier geben, verrät Rainer Geschke, der sich seit seiner Kindheit mit Pilzen beschäftigt. Aber wenn es in diesem Tempo weitergeht, dann werden die meisten unentdeckt bleiben.

Schon einen Steinwurf vom Treffpunkt entfernt kommt die Gruppe zum Stehen. Es reicht ein flüchtiger Blick zum Boden, und das Interesse ist geweckt. Dort, wo das Gelände hinter dem Worpsweder Wochenmarkt sachte ansteigt, stehen auf nur einem Quadratmeter Fläche Pilz an Pilz. Ein paar Männer und Frauen tragen Körbe und Eimer bei sich. Könnte ja sein, dass bei der pilzkundlichen Exkursion das eine oder andere schmackhafte Exemplar abfällt.

Der erste Kandidat, den Rainer Geschke vom Boden pflückt, sieht eigentlich zum Anbeißen aus. Groß und fleischig glänzt der Pilz in der Morgensonne. Eine zarte Bräune überzieht seinen Kopf, darauf kleine weiße Pünktchen. „Den sollte man nicht essen. Der ist ziemlich giftig“, erklärt der Fachmann in ruhigem Ton.

Giftig und essbar direkt nebeneinander

Was er in seinen Händen hält, ist ein Pantherpilz. Wer den auf dem Teller hatte, wird ziemlich bald dessen toxische Wirkung zu spüren bekommen. Das Internetportal natur-lexikon.com weiß, dass die drogenartige Wirkung des Pantherpilzes die eines Fliegenpilzes weit übersteigen kann. Die Symptome reichen über Erbrechen und Durchfall bis hin zu Halluzinationen, Tobsuchtsanfällen und Koma. In ein bis zwei Prozent der Fälle sterbe der Vergiftete an Atemlähmung.

„Der Pantherpilz“, fügt Rainer Geschke hinzu, „ist sehr leicht zu verwechseln mit dem Perlpilz, der essbar ist.“ Und der gedeiht gemeinerweise in direkter Nachbarschaft zum giftigen Doppelgänger. „Auf dem Gelände des Heimatmuseums in Osterholz wachsen sie kreuz und quer durcheinander.“ Manche müssen vielleicht jetzt schon schlucken. Andere möchten sich vom Pilzexperten aber gern die Unterschiede erklären lassen. „Die sind so leicht nicht zu bestimmen“, sagt Rainer Geschke. Der Perlpilz bekomme mit der Zeit oder auch, wenn man ihn drückt, eine leichte rosa Färbung. Seine Manschette sei deutlich gerieft wie ein Plisseerock, der Hutrand aber wenig oder gar nicht gerieft. Beim Pantherpilz hingegen sei der Hutrand deutlich gerieft. Unterschiede gebe es auch beim Stiel. Der Pantherpilz wachse aus einer Knolle mit wulstigem Rand, die Perlpilz-Knolle sei nicht wulstig.

„Schon ein Löffel kann reichen“

Schon auf den ersten zehn Metern sammeln die Teilnehmer dieser Pilzexkursion jede Menge Informationen. Ob sie am Ende auch Sammelgut in ihren Körben und Eimern haben werden? Die ersten Fundstücke, die Rainer Geschke in die Hand gelegt werden, lassen zaghafte Pilzsammler innerlich zusammenzucken. „Nicht essbar“, sind zwei häufig fallende Worte. Zum Beispiel der grünblättrige Schwefelkopf oder der Egerlingsschirmling – verwandt mit den Knollenblätterpilzen und auch zu verwechseln. Mit Champignons. Wie viele Esslöffel eines Giftpilzes tödlich sein können, möchte jemand wissen. „Da kann schon ein Löffel reichen“, antwortet Geschke.

Ein anderer Teilnehmer fragt nach Pilzen, die man rauchen kann. Ohne Antwort. „Wenn überhaupt, sollte man nur mit einem Pilzbestimmungsbuch sammeln gehen“, rät eine Frau aus der Gruppe. Immerhin fällt nun – die Teilnehmer sind schon ein Stück weiter gekommen und haben in der Marcusheide hinter der großen Kunstschau ebenfalls ein Pilzdorado entdeckt – auch ein essbares Exemplar in eines der Körbe. Es sieht aus wie ein Blumenkohl und könne auch dessen Größe erreichen, weiß Rainer Geschke. Der Name ist Krause Glucke. Sie darf in den Kochtopf, verlangt aber vorher viel Aufmerksamkeit. „Dieser Pilz ist schwer zu reinigen.“ Das macht doch nichts, mag der Sammler denken, glücklich über den essbaren Fang.

Die anderen Männer, Frauen und Kinder streifen jetzt in gebückter Haltung durch das hohe Gras der Marcusheide und scannen mit ihren Blicken den Boden. Ein Fliegenpilz – seine Kappe so groß wie ein Teller – lugt aus dem Grasgewirr hervor. Den lassen sie stehen. Rainer Geschke bekommt nur all die Pilze in die Hand gelegt, die schwer zu bestimmen sind. Einen Milchling oder einen Tintling, der sich an seinem langen, zarten und weißen Stiel nur kurz halten kann, bevor er umknickt. Auch einen gelben Knollenblätterpilz, der nur „ein bisschen giftig“ ist und nach Kartoffelkeimen riecht, was alle bestätigen, die diesen Kandidaten unter ihre Nasenlöcher gehalten haben. Schnuppern gehört an diesem Vormittag immer mal wieder dazu. Ein Fälbling macht die Runde. „Riecht nach Meerettich“, finden alle. Andere Fälblinge duften nach Marzipan, erzählt der Fachmann. Manche beißen von ihrem – zuvor für unbedenklich erklärten – Fund auch ab, um dem Aroma noch direkter auf die Spur zu kommen. Dann müssen sie aber weiter.

Die Tour hält für die Pilzinteressierten noch jede Menge Schätze bereit. „Auf dem Weyerberg gibt es eine besonders große Standortvielfalt von trocken-warmen Kiefern- und Eichenwäldern über Buchenwälder bis zu feucht-kühlen Erlen-Waldbeständen und Birken-Moorwald“, sagt Hans-Gerhard Kulp von der Biologischen Station. „Entsprechend unterschiedlich ist die Pilzflora, die von der Holzzersetzung lebt.“ Im Boden sind die Pilze sowieso, aber der feuchte und warme Spätsommer hat sie zuhauf an die Oberfläche gelockt. Wie den Kragen-Erdstern, dessen äußere Hülle aufreißt und umklappt. Rainer Geschke ritzt den Pilz mit dem Messer an, und schon schwebt eine kleine dunkle Sporen-Wolke durch die Luft. Die Gruppe müsste nun mal die Marcusheide hinter sich lassen und weitergucken. Doch da trägt jemand ein wunderschönes zartes Fundstück herbei, das selbst den Fachmann frohlocken lässt. „Der ist sehr selten“, freut sich Rainer Geschke und lässt den karottenfarbenen Winzling in der Sonne leuchten. Selten, aber – wir ahnen es schon – „nicht essbar“.

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