Bremen Stadtteile Osterholz Verden Diepholz Delmenhorst Wesermarsch Oldenburg Rotenburg Cuxhaven Bremerhaven Niedersachsen

Großes Geklapper Ein Storchen-Jahr der Extreme

Jedes Jahr geht es für den Storchenbeauftragten um die Fragen, wie viele Störche kommen, wie viele brüten und wie viele Jungstörche brechen gen Süden auf? Nun hat Ortwin Vogel Bilanz gezogen.
24.08.2018, 18:54 Uhr
Jetzt kommentieren!
Zur Merkliste
Ein Storchen-Jahr der Extreme
Von Brigitte Lange

Landkreis Osterholz. Mit ein wenig Glück ist der eine oder andere Storch in diesen Tagen noch im Landkreis Osterholz dabei zu beobachten, wie er auf der Suche nach Mäusen, Fröschen und anderem Getier die Wiesen abschreitet. Doch die Tage der majestätischen Vögel in diesen Breitengraden sind für dieses Jahr gezählt. "Um den 25. August herum machen sich die letzten Alt-Vögel auf den Weg nach Süden; die Jungvögel sind bereits Anfang August fort", berichtet der Nabu-Storchenbeauftragte Ortwin Vogel.

Seine Bilanz für das Storchen-Jahr 2018 fällt extrem aus: Was die Zahl der Jungstörche betrifft, so sei es das bisher beste Jahr in fünf Jahrzehnten gewesen. Gleichzeitig war es aber auch das düsterste Jahr für den Storchenbeauftragten. Drei Tiere fanden zusammen mit zwei Möwen auf einer Wiese den Tod (wir berichteten). Ob sie erschossen wurden, wie Ortwin Vogel nach seinem Fund Ende Juli vermutet hatte, konnten die Veterinäre vom Niedersächsischen Landesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (Laves) in Hannover nicht mehr feststellen.

Bereits im Februar hatte das Storchen-Jahr im Kreisgebiet begonnen. Noch vor dem Kälteeinbruch Ende Februar waren die ersten westziehenden Vögel aus Spanien zurückgekehrt. "Als der Frost kam, verließen sie ihre Nester." Trotzdem waren diese Frühstarter die Gewinner des Jahres. "Anfang März fingen diese Paare mit der Brut an." Als die Jungen schlüpften, war es Ende März / Anfang April und die Eltern-Tiere fanden bei feuchtem Wetter reichlich Regenwürmer für ihren Nachwuchs. Die ersten sechs Wochen werde dieser nur damit ernährt.

Genau das sollte für die Storchenpaare, die später mit Brut und Aufzucht begannen, zum Problem werden. Denn ab Ende April, mit Beginn der Dürre, zogen sich die Regenwürmer immer tiefer in den Boden zurück. Kaum erreichbar für die Störche der zweiten Welle, die Ende März und April eintrudelten, und noch schwieriger zu erreichen für die Störche der dritten Welle: die Ostzieher, die erst im Mai ihre Nester besetzten. "Die, die später kamen, haben deshalb nur ein oder zwei Junge groß bekommen", erklärt Ortwin Vogel. "Die Frühstarter haben alle drei oder vier Junge."

Insgesamt, so erzählt er, habe er dieses Jahr 28 Paare im Kreisgebiet gezählt. "Genau so viele wie im Vorjahr." 24 von ihnen brüteten erfolgreich. Ergebnis: "53 Jungstörche haben wir diesmal." Acht mehr als im Erfolgsjahr 2015 und 13 mehr als 2017.

Gleichzeitig kamen aber auch zwei Alt-Tiere ums Leben: Sowohl am Fuß des Kolke-Wiesen-Nestes in Osterholz-Scharmbeck als auch unter dem Nest bei Hänichen in Löhnhorst lag ein totes Elterntier. Woran sie gestorben sind, kann Vogel nicht sagen. Wahrscheinlich hätten sie sich bei der Nahrungssuche verletzt und hätten noch versucht, ihren Horst zu erreichen.

Die beiden Nester hielten Ortwin Vogel noch aus einem weiteren Grund auf Trab: Sowohl auf der Kolke-Wiese als auch in Löhnhorst sprang ein Jungvogel – wahrscheinlich wegen Futtermangels und Hungers – zu früh aus dem Horst – oder wurde von den Geschwistern rausgeworfen. Das Jungtier am Ortsrand der Kreisstadt wurde von Ortwin Vogel eingefangen. Er brachte es zur Storchenstation nach Berne (wir berichteten). "Der Jungvogel erfreut sich bester Gesundheit und ist auf dem Weg nach Spanien."

Das Löhnhorster Tier war dagegen mobiler, konnte sich allein aufs Dach retten, und war dadurch nicht in Gefahr, von Füchsen getötet zu werden. Es sei zum Liebling der Familie Hänichen geworden, berichtet Vogel. Sie hätten den Jungstorch aufgepäppelt. Allerdings sei der Schreitvogel nun nicht mit den Artgenossen gen Süden aufgebrochen. "Sollte er sich dem Zug noch anschließen, hat er wahrscheinlich schlechte Karten", sorgt sich Vogel um die Konstitution des Tieres. Er hofft, dass der junge Storch den Weg zur Storchenstation findet und dort überwintert. Einfangen könne er ihn nicht, erklärt er auf Nachfrage.

Ein dritter Jungstorch, der auf Harriersand zu früh das Nest verließ, hatte weniger Glück. Er brach sich das Bein. Ein offener Bruch, der bereits von Maden befallen war, als Ortwin Vogel das Tier fand. "Es konnte in der Station in Berne nur noch eingeschläfert werden."

In der zweiten Juli-Hälfte wiederum zog es Vogel täglich zu einer Wiese an der K 8 in Niederende. Nach der Mahd waren dort die Gräben aufgestaut und die Fläche geflutet worden. Störche, Stare, Möwen, Enten und Gänse, Uferschnepfen, Bekasinen und viele Vögel mehr zog dieser Ort magisch an. Grund: Mit dem Wasser kamen die Regenwürmer an die Oberfläche. "Am Ende habe ich 103 Störche gezählt", berichtet Vogel. Anhand der per Fernglas abgelesenen Ringnummern konnte der Ornithologe Ekkehard Jähme Vögel zwischen einem und zwölf Jahren ausmachen. Die Tiere stammten aus Brake, Verden, Rotenburg, Schleswig-Holstein und Frankreich oder Schweden.

Ende Juli, als Ortwin Vogel das Fleet erstmals von einer anderen Seite aus anfuhr, entdeckte er die schon erwähnten toten Störche und Möwen. "Sie lagen in einem Radius von 50 Metern auf der Wiese." Die Art des Fundes und die Wunden ließen ihn an Schusswunden denken. Diese Vermutung konnten die hinzugezogenen Mitarbeiter des Laves nicht bestätigen. Selbst eine Röntgen-Untersuchung von zweien der dreu Störche ergab keine Todesursache, teilt das Laves mit.

"Die Verwesung der Kadaver war zu weit fortgeschritten", teilt der Landkreis Osterholz dazu mit. "Der fade Beigeschmack bleibt natürlich. Daher wäre es wünschenswert gewesen, die Todesursache der Vögel zu erfahren. Da dies unmöglich ist, wären alle Aussagen dazu reine Spekulation, an denen sich die Kreisverwaltung nicht beteiligt", erklärt Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann. Das Rätsel dieser toten Störche bleibt ungelöst.

Zur Startseite
Mehr zum Thema

Einwilligung und Werberichtlinie

Das kompakte Nachrichten-Update für den Landkreis Osterholz und umzu. Lesen Sie Montag bis Freitag jeden Abend die wichtigsten Nachrichten aus Ihrer Region.

Schließen

Das könnte Sie auch interessieren

Rätsel

Jetzt kostenlos spielen!
Lesermeinungen (bitte beachten Sie unsere Community-Regeln)