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Flüchtlingsunterbringung Landkreis Osterholz gibt neue Quote bekannt

Warum die Zahl der aufzunehmenden Flüchtlinge wenig über die Belastung der Mitgliedskommunen aussagt und warum es in Osterholz-Scharmbeck eng werden könnte.
11.10.2023, 05:00 Uhr
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Von Peter von Döllen Brigitte Lange

Landkreis Osterholz. Das Thema Flüchtlinge polarisiert die Gesellschaft in Deutschland. Gleichzeitig stöhnen viele Kommunen und warnen: Sie können die zugewiesenen Flüchtlinge nicht mehr unterbringen. Dabei kommen fiele Städte und Gemeinden auch finanziell an ihre Grenzen oder haben diese bereits überschritten. Im Landkreis Osterholz sieht es besser aus. Das bestätigt auch Torsten Haß. Der neue Erste Stadtrat von Osterholz-Scharmbeck kommt aus Erfurt und war dort unter anderem kommissarischer Leiter des Sozialamtes. Er hat dort eine andere Situation erlebt, berichtet von Unterkünften in Hallen und Containeranlagen. 

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In der Kreisstadt, so sagt Haß, der seinen Job vor etwa zwei Wochen antrat, habe er eine entspanntere Situation vorgefunden.

Wie es um die Finanzierung steht

Torsten Haß lobt den Landkreis. "Mit den Finanzen klappt es gut", sagt er und bezieht sich dabei auf dessen Zusage, die Kosten für die Unterbringung der Flüchtlinge zu erstatten. Landkreissprecher Sven Sonström bestätigt: "Der Landkreis trägt zunächst die Kosten der Unterkünfte." Selbst wenn die notwendige Erstattung durch Bund oder Land aktuell mehr als ungewiss sei. Diese Sorge sind die Kreiskommunen somit zunächst los. Sollte der Kreis die benötigten Gelder am Ende aber nicht von Bund und Land zurückbekommen, fürchtet Torsten Haß, würden die Kommunen das doch noch zu spüren bekommen.

Neue Quote steht fest

Nun steht auch fest, wie viele Flüchtlinge der Landkreis Osterholz bis Ende März 2024 aufnehmen muss. "Das Niedersächsische Ministerium für Inneres und Sport hat mit Erlass vom 4. Oktober für den Landkreis Osterholz eine Verteilquote in Höhe von 532 Personen festgesetzt", informiert Sonström, um gleich zu relativieren: Wie viele Menschen tatsächlich in den Landkreis Osterholz kämen, sei aber unklar. Das hänge letztlich davon ab, wie viele die Bundesrepublik Deutschland beziehungsweise das Land Niedersachsen erreichten. Genia Flock, die Leiterin des Sachgebietes Sicherheit und Ordnung der Gemeinde Ritterhude, nennt weitere Gründe, warum die Zahlen schwanken. Es stünden immer wieder Personen vor den Türen der Rathäuser, die von sich aus anreisen und somit nicht von der Landesaufnahmebehörde Niedersachsen erfasst würden.

Wie viele Personen müssen Stadt, Ritterhude und Hambergen aufnehmen?

Die Stadt müsste laut Torsten Haß ein Drittel davon übernehmen, also rund 140 Personen. Zum Vergleich: Auf Ritterhude entfallen 12,9 Prozent. Der Anteil der Samtgemeinde Hambergen beträgt laut Erstem Samtgemeinderat Marco Ehrichs etwa zehn Prozent.

Wie sieht es in Osterholz-Scharmbeck aus?

Haß ist optimistisch, die Zugewiesenen auch unterbringen zu können, ganz sicher sei das aber nicht. Die Stadt versucht, alle Flüchtlinge dezentral in kleineren Einheiten unterzubringen. Größere Gebäude, Hallen oder Containeranlagen gibt es derzeit nicht. "Wir versuchen, Platz zu schaffen", versichert er.  Das sei bei dem angespannten Wohnungsmarkt aber nicht einfach. "Es wird eng", fürchtet er. Zufällig habe Osterholz-Scharmbeck das derzeitige Soll exakt erfüllt – damit leben laut Haß 495 Flüchtlinge in der Stadt. 

Der Erste Stadtrat wünscht sich eine Notlösung, auf die ad hoc zugegriffen werden könnte. Er hätte gern etwas in der Hinterhand und sieht dies als eine seiner künftigen Aufgabe. Wegen der Formalien, etwa einer Baugenehmigung, und der Suche nach einem passenden Platz sei das aber eher eine mittel- bis langfristige Sache. Die aktuelle Quote müsse ohne gestemmt werden.

Die Situation in Ritterhude

Die Gemeinde Ritterhude setzt bei der Unterbringung nicht nur auf vorhandene Wohnmöglichkeiten. Mitte Juli war das erste von sechs Container-Häusern für Flüchtlinge am Heidkamp in Ritterhude fertig. "Zum 12. Oktober wird es nun voll belegt sein", teilt Genia Flock auf Nachfrage mit. Eine Familie würde bereits im Haus leben, eine Weitere käme hinzu. Gleichzeitig seien die nächsten zwei Container-Häuser kurz vor der Fertigstellung, berichtet sie. "Wir hoffen, sie ab der 43. Kalenderwoche belegen zu können."

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Ob und wann die dann noch verbliebenen Container-Häuser (vier bis sechs) errichtet werden, stehe derzeit nicht fest. Den Mietvertrag, für die von Flüchtlingen bewohnten Räume an der Dammstraße/Fergersbergstraße, werde die Gemeinde Ritterhude jedoch nicht verlängern. "Der Vertrag läuft zum 31. März 2024 aus", so Flock. Sie müssten sich also Gedanken über eine Folgelösung machen. Denn in jener Unterkunft würden derzeit 50 Personen leben. Siedelten sie geschlossen an den Heidkamp um, wären alle drei Container-Häuser auf einen Schlag belegt.

Durch die Unterkunft und dem im Aufbau befindlichen Dorf am Heidkamp hätten sie bisher alle Flüchtlinge, die ihnen zugewiesen wurden, unterbringen können, berichtet die Sachgebietsleiterin: "Wir haben außerdem auch immer mal eine Wohnung frei; aber im Bestand. Wir mieten keine weiteren Wohnungen mehr an."

Bis Ende März 2024 müsste Ritterhude laut Quote noch 69 Personen aufnehmen, sagt Genia Flock und versichert: "Ritterhude ist so stark aufgestellt, dass die Aufnahme und Integration weiterer Flüchtlinge machbar ist." Voraussetzung sei aber die finanzielle Ausstattung. Gleichzeitig räumt sie ein, dass über die Monate die Akzeptanz und das Verständnis für die Flüchtlinge in der Bevölkerung merklich geringer geworden sei.

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Wie Hambergen zurechtkommt

Die Samtgemeinde Hambergen verzichtet derzeit auf bereits geplante weitere Containerlösungen. Entsprechende Pläne wurden auf Eis gelegt. Lediglich eine kleinere Anlage wurde realisiert, wie Marco Ehrichs berichtet. Eine Baugenehmigung und eine Vereinbarung mit einem Unternehmen ermögliche eine relativ schnelle Umsetzung. Die Lieferzeit soll sechs Wochen betragen.

Hambergen strebt nach wie vor eine dezentrale Unterbringung der Aufzunehmenden an. Die Samtgemeinde habe seit  dem 1. Januar 2022 insgesamt etwa 310 Personen aufgenommen. Dabei handelt es sich sowohl um Geflüchtete aus der Ukraine als auch um zugewiesene Asylbewerber. Das gilt auch für die übrigen Kommunen – die Informationen beziehen sich auf Ukrainer und Asylbewerber aus anderen Ländern.

Einige Personen haben die Samtgemeinde in der Zwischenzeit wieder verlassen. "Etwa 200 Personen stehen aktuell im Leistungsbezug", erklärt Ehrichs. Eine genaue Zahl der Untergebrachten hat er wegen der unübersichtlichen Bewegungen nicht parat. Die Samtgemeinde habe die geltende Aufnahmequote erfüllt. Mit Blick auf das kommende Jahr ist Ehrichs optimistisch: "Die Erfüllung der neuerlich festgesetzten Quote hängt maßgeblich von den tatsächlich aufzunehmenden Personen ab. Nach den heute vorliegenden Erkenntnissen wird die Samtgemeinde auch die neue Quote erfüllen können." Dafür stehe im angemessenen Umfang noch Wohnraum zur Verfügung.

Zur Sache

Wie läuft es mit der Betreuung?

Die Unterbringung der Flüchtlinge und Asylbewerber ist die eine Seite, die Betreuung eine andere. Alle drei Kommunen können sich in dieser Hinsicht auf die Hilfe aus der Bevölkerung verlassen. Auf die Integrationsarbeit angesprochen, erklärt Genia Flock: "Unsere Stärke sind die vielen ehrenamtlichen Helfer. Es ist unfassbar, wie groß deren Hilfsbereitschaft ist." Die Gemeinde sei absolut auf sie angewiesen: "Eine offizielle Integrationsbeauftragte haben wir nicht."

Im Hamberger Rathaus kümmert sich Petra Pfitzner um die Betreuung. "Sie macht eine gute Arbeit", findet Marco Ehrichs. Aber ohne Ehrenamtliche läuft auch dort nichts. Ein Knotenpunkt bildet das Café International, das unter der Flagge der Kirchengemeinde läuft. Dort können sich nicht nur Helfer austauschen. Auch viele Flüchtlinge besuchen die Treffen.

Für Torsten Haß ist die Hilfsbereitschaft beispielhaft. Ganz viel laufe über das Haus der Kulturen. Es gebe aber viele weitere Angebote.

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