Landkreis Osterholz. Partei und Fraktion der Osterholzer Kreis-CDU haben einen offenen Brief an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen sowie an Bundeskanzler Olaf Scholz und Ministerpräsident Stephan Weil geschrieben. Darin fordern sie eine Entlastung der Kreise und Kommunen bei der Unterbringung und Integration von Flüchtlingen und Asylbewerbern. Der Brief sei ein Hilferuf, erklären Parteichef Fabian Albrecht und der Fraktionsvorsitzende Rainer Sekunde im Gespräch mit der Redaktion.

Fabian Albrecht, Vorsitzender des CDU-Kreisverbands Osterholz.
Die Christdemokraten sagen, sie sorgen sich um die Leistungsfähigkeit des Landkreises und seiner Mitgliedsgemeinden sowie um die Aufnahmebereitschaft der Bevölkerung. Sie bitten neben Landrat Bernd Lütjen auch ihre Parteifreunde im Landtag (Sebastian Lechner, Axel Miesner), Bundestag (Friedrich Merz, Andreas Mattfeldt) und im Europaparlament (David McAllister) um Unterstützung.

Rainer Sekunde, Vorsitzender der CDU-Kreistagsfraktion.
Die aktuelle Politik in Brüssel, Berlin und Hannover finde in der Öffentlichkeit des Landkreises nämlich "überwiegend keine Akzeptanz mehr" und es gebe "verstärkt Unmutsäußerungen", behaupten die Briefschreiber. Sie sehen die Grenzen bei der haupt- und ehrenamtlichen Integrationsarbeit längst erreicht. "Bei fortgesetzter unbegrenzter Zuwanderung", so die Sorge vieler Bürger, könnten die erreichten sozialen Standards der Bundesrepublik nicht dauerhaft gewährleistet werden.
Konsequent und menschlich
Die Folgerung von Kreistagsfraktion und Kreisverband: Deutschland brauche eine "sofortige migrationspolitische Neuausrichtung", die "den aktuellen Bedürfnissen folgt" und "deutlich konsequenter" sei, dabei aber "trotzdem ihre Menschlichkeit bewahrt". Dazu müsse die deutsche Gesellschaft nicht nur ihre demokratischen Fundamente wie die Freiheitsrechte klarer als bisher formulieren, sondern auch die Erwartung, dass sich Zuwanderer dem Wertesystem der Demokratie anzupassen haben. Die Verfasser des offenen Briefs nennen konkret "die Fähigkeit, sich selbst zu versorgen, am deutschen Alltag teilzuhaben und natürlich auch die deutsche Sprache zu beherrschen".
Für eine dauerhafte Steuerung und Ordnung von Migration sei zugleich aber auch eine gemeinsame europäische Lösung notwendig. Vorbilder gebe es in Dänemark, Schweden und Österreich. Die Osterholzer Kreis-CDU richtet sieben Kernforderungen an Weil, Scholz und von der Leyen. Die europäischen Außengrenzen und die deutsche Staatsgrenze müssen demnach erstens vor Schleusungskriminalität und unkontrollierter Migration geschützt werden, ohne dass es zu Abstrichen bei der europäischen Freizügigkeit im Schengen-Raum komme.
Mit und ohne Perspektive
Schon in den Herkunftsländern sei zweitens zu klären, ob ein Asylantrag Aussicht auf Erfolg habe oder ein Schutzgrund nach der Genfer Flüchtlingskonvention vorliege. Abgelehnte Asylbewerber müssten sich grundsätzlich in sogenannten Rückkehrzentren aufhalten, so die dritte Forderung der Union. Viertens drängt sie darauf, Flüchtlinge aus sicheren Herkunftsländern auszuweisen; Geflüchtete ohne Bleibeperspektive dürften nicht weiter auf niedersächsische Kommunen verteilt werden, sagen Albrecht und Sekunde. Das beeinträchtige sonst auch die Qualität der Aufnahme von denjenigen, denen wirklich geholfen werden müsse.
Bei der fünften Forderung hat die CDU unter anderem den sogenannten Chancenaufenthalt und Spurwechsel im Blick: Wer schon einer sozialversicherungspflichtigen Arbeit nachgehe, solle nicht aus seinem Umfeld gerissen werden, denn auch das schade der allgemeinen Integrationsbereitschaft. Generell werde Zuwanderung weiter nötig sein, jedoch "nicht ungeregelt und automatisch in die Sozialsysteme". Geldleistungen seien sechstens auf das Notwendigste zu reduzieren.
Mehr Integration
Bleibt siebtens die Verstärkung nötiger Integrationsmaßnahmen, deren Finanzierung Bund und Land sichern müssten. Das bedeute: "für die Erwachsenen eine Arbeitsmarktteilnahme und für die Kinder eine Kindergartenpflicht mit Deutschunterricht". Alle in Deutschland ansässigen Migranten sollten an einem Werte-und-Normen-Kursus teilnehmen müssen, der ihnen das deutsche und europäische Demokratie- und Freiheitsverständnis näherbringe.
"Unsere Vorschläge sind kein Allheilmittel", sagt Rainer Sekunde im Redaktionsgespräch. "Aber unsere Repräsentanten müssen wissen, was in der Bevölkerung gesagt wird, weil sonst die Hilfsbereitschaft leidet." Das habe mit Populismus nichts zu tun, setzt Parteichef Albrecht hinzu und bekräftigt: "Wir sind eine christliche Partei mit christlichen Werten." Wer verfolgt und bedroht sei, solle natürlich Hilfe bekommen – und auch leichteren Zugang zum Arbeitsmarkt erhalten als bisher, wie der CDU-Kreisvorsitzende auf Nachfrage hinzufügt.
Der Brief rede auch nicht einer Abschottung das Wort oder nähere sich – Stichwort Brandmauer – rechtsnationalen Positionen an: "Wir sind für Völkerverständigung und komplett anders als die AfD", versichern beide Kommunalpolitiker und sehen das auch durch die eigene Biografie beglaubigt: Der Ritterhuder Albrecht berichtet, er sei mit einer Polin verheiratet, während der Lilienthaler Sekunde ergänzt, er sei als Kind unmittelbar an der deutsch-französischen Grenze aufgewachsen.