Grasberg. Ein Erntefest, das selbst unter Corona-Bedingungen rund 2000 Menschen in zwei Tagen anlockt. Eine Scheune, die zum Zentrum des Miteinanders werden soll. Ein Heimatverein, eine Dorfgemeinschaft, eine Kinderfeuerwehr und die Dorfjugend - all das und noch mehr ist in Rautendorf vorhanden. In der alten Findorff-Moorsiedlung tut sich seit Jahren etwas. Sie ist kein Schlafdorf und auch kein einsamer Ort in verlassener Gegend, finden die Rautendorfer, die sich in dem Wettbewerb "Unser Dorf hat Zukunft" einbringen. Er birgt in ihren Augen die Chance, die ausgeprägte Bereitschaft zum Mithelfen und das Engagement publik zu machen und das südlichste Dorf des Landkreises Osterholz trotz schwieriger Randlage und Strukturwandel voranzubringen.
Vor ein paar Tagen hat eine Delegation die Bewerbungsunterlagen im Rathaus Grasberg abgegeben. Eingereicht haben die Rautendorfer auch einen siebenminütigen Imagefilm über ihren Ort und ihre Bewohner, die in Statements zu Wort kommen. Von dem Video wird es nach Einschätzung von Sprecher Fabian Warnken vermutlich noch eine zweite, deutlich längere Version geben, die später im Dorf gezeigt werden soll. Ende November wird dann klar sein, welche Dörfer eine Runde weiterkommen und am Landeswettbewerb teilnehmen. Der Landeswettbewerb findet im kommenden Jahr statt.
Meilenstein statt Ziel
Die Rautendorfer verstehen ihre Teilnahme als Meilenstein und nicht als das Ziel. "Der Wettbewerb ist für uns ein Teilprojekt", berichtet Warnken. Unabhängig vom Ausgang wollen die Einwohner mit ihren Aktivitäten weitermachen.
Bekanntlich arbeiten die Grasberger gerade daran, die Dorfscheune zu modernisieren, um daraus einen Begegnungsort zu machen. Die findorffsche Siedlungsstruktur ohne natürlichen Dorfmittelpunkt erschwerte bislang die direkte Begegnung aller Menschen im Ortsteil. Der Bauantrag für die anstehende energetische Sanierung und Erweiterung des Gebäudes ist fast durch. Ein Leuchtturmprojekt, bei dem von Anfang an laut Warnken an alle Planungsschritte aus der Mitte des Dorflebens unternommen worden seien.
Infrastruktur fehlt
Die Rautendorfer verhehlen in ihrer Bewerbung nicht, dass es im Ort kaum noch eine Infrastruktur der Grundbedürfnisse gibt. Bis in die 90er-Jahre des letzten Jahrhunderts gab es Bankfilialen, eine Poststelle, einen Raiffeisen-Markt und weitere kleine Geschäfte, die es den Menschen ermöglichten, viele ihrer täglichen Anliegen vor Ort zu erledigen. Gleichzeitig trugen diese Einrichtungen dazu bei, einander zu begegnen und im Gespräch zu bleiben.
Warnken ist sich sicher, dass die Vorbereitungen für den Dorfwettbewerb die Rautendorfer zu großem Engagement in ihrem Dorf bewogen und wesentliche Impulse zur Verbesserung der Lebensqualität im Ort gaben. Die Bürger seien motiviert worden, Hand anzulegen und verstärkt Verantwortung für ihr Dorf zu übernehmen. Bereits bei der Auftaktveranstaltung sind nach Warnkens Angaben viele Ideen ausgetauscht und fünf Arbeitsgruppen mit verschiedenen Themenschwerpunkten gebildet worden.
Vereinte Vereine
In ihrer Bewerbung stellen die Rautendorfer besonders die verbesserte Zusammenarbeit zwischen den Vereinen, der örtlichen Kindertagesstätte oder der Feuerwehr heraus und betonen die gemeinsamen Aktivitäten. So werde das mehrtägige Erntefest vom Aufbau der Zelte bis zum Ausschank und Entertainment von allen Vereinen gemeinsam gestemmt.
Punkten möchten die Rautendorfer außerdem mit ihrem Markttag, der inzwischen auch überregional bekannt sei. Die Bürger tauschten und verkauften ihre eigenen Produkte wie Marmeladen, Gemüse oder selbstgemachte Kunstgegenstände untereinander und an Besucher von außerhalb. "Wir alle hoffen, dass im kommenden Jahr wieder Markttage stattfinden, damit sie sich etablieren können", sagt Fabian Warnken. "Sie fördern nicht nur das Miteinander, sondern leisten auch einen wichtigen Beitrag zur Nachhaltigkeit", heißt es in der Bewerbung.
Demografischer Wandel
Nachhaltigkeit sei ein wichtiger Aspekt auch für die großen Landwirte des Dorfes, von denen viele Betriebe Photovoltaikanlagen auf den Dächern ihrer neuen und tierfreundlichen Ställe installiert hätten, betonen die Rautendorfer. Ein Hof betreibe eine Biogasanlage, die ausschließlich mit der anfallenden Gülle gespeist wird. Die bei der Stromerzeugung anfallende Wärme werde zum Heizen des Wohnhauses genutzt.
In früheren Wettbewerben überzeugten Dorfgemeinschaften, die sich der Veränderung durch den demografischen Wandel stellen und Bleibeperspektiven für ihre Bewohner schaffen. Dass Rautendorf eine Zukunft hat, davon sind die Bürger überzeugt. In ihrer Bewerbung betonen sie, dass für die jüngere Generation durch Außenbereichssatzungen zusätzliche Bau- und Wohnmöglichkeiten geschaffen worden seien, neben den klassischen Neubauten lohne es sich somit auch, eine ehemalige landwirtschaftliche Hofstelle zu erwerben und in modernen Wohnraum umzunutzen.
App für die Nachbarschaftshilfe
Als Dorf in Bremens Speckgürtel haben die Rautendorfer die Neubürger im Blick. Die Grasberger arbeiten gerade an der Idee, sogenannte Quartiersmanager einzuführen. Diese sollen unter anderem Zugezogene besuchen, im Dorf willkommen heißen und mit wichtigen Informationen versorgen. Eine „Dorf-App“ könnte darüber hinaus in der gesamten Gemeinde Grasberg Nachbarschaftshilfe organisieren.
Viel Potenzial steckt in Rautendorf, meinen die am Wettbewerb beteiligten Vereine und Institutionen. Sie wollen es herausarbeiten und fördern, sagen sie in ihrer Bewerbung. "Es werden weitere und viele Anstrengungen dazu nötig sein, aber der eingeschlagene Weg, der uns durch die Teilnahme am Wettbewerb geebnet wurde, wird uns dabei weiterhelfen."