Auf seiner Info-Tour zur Windenergieplanung hat der Landkreis Osterholz am Montag in Ritterhude Station gemacht. Rund 70 Bürgerinnen und Bürger nutzten die Gelegenheit, sich von den Fachleuten der Behörde die Grundzüge der Planung und die Herangehensweise erläutern zu lassen. Vor allem blieb auch Zeit, sich im direkten Gespräch über den Teil des angedachten Regionalen Raumordnungsprogramms (RROP) auszutauschen, der sich auf die Standorte für neue Windparks bezieht. Der Landkreis will demnächst auf seiner Homepage eine Übersicht mit den Antworten auf die am häufigsten gestellten Fragen veröffentlichen. Hilfreich könnte der mit vielen Informationen gespickte Abend auch mit Blick darauf gewesen sein, dass noch bis zum 29. November Stellungnahmen zu den Planungen eingereicht werden können.
Der Landkreis hat im Kreisgebiet, wie berichtet, nach dem Ausschlussverfahren insgesamt elf Standorte ermittelt, auf denen aus seiner Sicht der Ausbau der Windenergie stattfinden soll. Erklärtes Ziel ist es, mit der Planung eine "Verspargelung" der Landschaft zu verhindern. Schafft es der Landkreis nicht, bis Ende 2027 ein regionales Konzept vorzulegen, könnten Windräder ungesteuert im Kreisgebiet errichtet werden. "Würden wir nicht tätig werden, könnten überall außerhalb geschlossener Ortschaften Windräder entstehen, sofern die Abstände eingehalten werden", sagte Landkreis-Baudezernent Dominik Vinbruck.

An den vorbereiteten Tafeln mit den Landkarten wurde rege über die Windkraft im Kreis Osterholz diskutiert.
Mit dem Entwurf erfüllt der Landkreis nicht nur die Vorgabe des Landes, bis spätestens Ende 2032 1,18 Prozent seiner Fläche für die Windenergienutzung zur Verfügung zu stellen, er übertrifft das Ziel und kommt unterm Strich auf einen Anteil von 1,93 Prozent. Nicht dabei ist das St. Jürgensland mit zwei größeren Flächen auf Ritterhuder und auf Lilienthaler Gebiet. Zudem ist auch das zu Worpswede gehörende Heudorf außen vor geblieben. In allen drei Fällen hat dies mit der besonderen Bedeutung der Gebiete für die Vogelwelt zu tun. Den Schwerpunkt der Windenergienutzung sieht der Landkreis im Bereich der Gemeinde Schwanewede, wo sich fünf Vorranggebiete befinden.
Wertvolle freie Fläche
Friederike Piechotta, Leiterin des Planungs- und Naturschutzamtes, machte deutlich, wie wertvoll das St. Jürgensland als Lebensraum für viele Vogelarten ist und wie wichtig der Erhalt der unverbauten Landschaft sei, nicht nur aus Gründen des Vogelschutzes. "Wir brauchen solche freien Flächen nicht nur für den Naturschutz, sondern auch für den vorsorgenden Hochwasserschutz und mit Blick auf den fortschreitenden Klimawandel auch für die Grundwasserspeicherung", sagte die Amtsleiterin. Sie betonte, dass es nicht nur um das Vorkommen einer einzelnen Vogelart wie die Blässgans gehe, sondern die Flächen zu einem ganzen Biotop-Verbund gehören und ein wichtiger Korridor sei für die Verknüpfung der Lebensräume zwischen dem Blockland bis hinauf zum Huvenhoopsmoor. "Das lässt sich nicht woanders im Landkreis hinschieben", sagte die Amtsleiterin. Ihr Appell: Bei der Frage, wie es weitergeht, sei von den Bürgern und der Politik eine sehr vorausschauende und nachhaltige Entscheidung erforderlich. Auch ohne das St. Jürgensland, so der Hinweis, habe man für den Ausbau der regenerativen Energie ausreichende Flächen gefunden.
Ob das St. Jürgensland unangetastet bleibt, bleibt vorerst abzuwarten. Dezernent Dominik Vinbruck erläuterte, dass die Haltung der Gemeinden zu den Windkraftplänen bei der Abwägung ein besonderes Gewicht habe. Bekanntlich setzen sich die Ritterhuder vehement dafür ein, dass das St. Jürgensland sehr wohl für die Winderenergienutzung frei gegeben wird, auch in Lilienthal wird diese Diskussion geführt. Bürgermeister Kim Fürwentsches hat bereits klar gemacht, dass er einen pauschalen Ausschluss der Flächen nicht akzeptiert. Gespannt sein darf man daher auf die an diesem Mittwoch anstehende Sondersitzung des Gemeinderates, in der abschließend die Frage beantwortet werden soll, welche offizielle Position Lilienthal beim Landkreis geltend machen will.
Ausgleich zwischen den Gemeinden?
Wie kontrovers über das St. Jürgensland diskutiert wird, zeigte sich auch im Verlauf des Info-Abends: "Warum keine Windenergie im St. Jürgensland?", fragen sich manche. Andere halten es für genau richtig, dass der Landkreis-Entwurf keine Standorte vorsieht. Wer wollte, konnte auf kleinen Notizzetteln seine Anmerkungen loswerden. Eine Frage befasste sich auch mit den finanziellen Auswirkungen: Gemeinden wie Schwanewede würden durch Abgaben vom Betrieb der Windräder profitieren, andere Gemeinden gingen dagegen wegen fehlender Standorte eher leer aus.
Die Idee eines Besuchers: Kommunen mit vielen Windrädern könnten einen monetären Ausgleich an die Gemeinden mit weniger Anlagen zahlen. In Schwanewede, so die erste Einschätzung, könnte man das wiederum genau andersherum betrachten und eine Art "Ausgleich" dafür einfordern, dass die Gemeinde einen Großteil des Windenergieausbaus und den damit einhergehenden Beeinträchtigungen schultere.