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Straßenbahnverlängerung Zehn Jahre Linie 4 bis Lilienthal – eine Bilanz mit Beulen

Die Bahn kommt, hieß es 2014 in Lilienthal. Mit der Verlängerung der Linie 4 über Borgfeld hinaus hat sich die Mobilität im Bremer Vorort verändert. Die Bilanz aber fällt gemischt aus, meint André Fesser.
01.08.2024, 05:00 Uhr
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Zehn Jahre Linie 4 bis Lilienthal – eine Bilanz mit Beulen
Von André Fesser

Das muss man sich mal vorstellen: Man geht ins Restaurant und gönnt sich was. Dann will man zahlen und erfährt, dass die Rechnung später kommt. Gut, denkt man, warten wir noch, es wird sich schon jemand melden. Doch es kommt niemand, der kassieren möchte. Klingt ausgedacht? Ist es – aber nicht komplett. Denn auch in Lilienthal wartet man schon sehr lange auf eine Rechnung.

Zwar war Lilienthal nicht im Restaurant, die Wümme-Gemeinde hat sich aber eine Straßenbahn gegönnt. Seit zehn Jahren fährt die Linie 4 über Borgfeld hinaus in den Ortsteil Falkenberg. Zehn Haltestellen sind hinzugekommen, es hat mehrere Jahre gebraucht, die gut fünf Kilometer lange Verlängerung fertigzustellen. Inzwischen zählt die 4 in Lilienthal zum Inventar. Einige jüngere Fahrgäste, die jetzt ins Teenageralter kommen, können sich an den Ort ohne Straßenbahn gar nicht mehr erinnern.

Fahrgastprognosen haben sich nicht erfüllt

Vielen Älteren geht das anders. Schon vor 20 Jahren standen sich im Ort Befürworter und Gegner des Straßenbahnausbaus unversöhnlich gegenüber. Und jene, die damals mahnten, der Ausbau würde teuer werden und die "4" als zusätzliches Mobilitätsangebot gar nicht gebraucht, fühlen sich in ihrer Kritik bestätigt. Denn die Fahrgastprognosen, die man ihnen damals präsentiert hatte, haben sich nicht erfüllt. Das ist nicht einmal der Pandemie geschuldet, die das Maß der Nahverkehrsnutzung Anfang dieses Jahrzehnts gehörig gedrückt hat. Auch vor und nach Corona sind in die Linie 4 in Lilienthal nicht so viele Menschen ein- und ausgestiegen, wie die Vordenker des Ausbaus mal behauptet haben.

Für manch einen ist das das Geschwätz von gestern. Und natürlich haben sich seit der Eröffnung der Verlängerung im August 2014 viele gute Gründe ergeben, die für die Straßenbahn sprechen. Das Mobilitätsangebot ist breiter geworden, die Anbindung an Bremen hat sich verbessert. Allein der Umstand, dass man im Berufsverkehr den Autofahrern im Stau auf dem Langen Jammer zuwinken kann, während man mit der "4" an ihnen vorbeisurrt, ist einen Einstieg wert. Allerdings ist man als Straßenbahnnutzer ehrlicherweise nicht immer auf der Überholspur. Mal kommt die Bahn zu spät, mal gar nicht. Und selbst wenn man drinsitzt und von Bremen aus gen Lilienthal reist, kann es passieren, dass man in Borgfeld vor die Tür gesetzt wird, weil die Bahn wieder umdrehen und einen Engpass im Stadtgebiet überbrücken muss.

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Das Vertrauen in die Linie nähren derartige Episoden sicher nicht. Und auch sonst haben es die zuständigen Institutionen versäumt, das Angebot so zu verbessern, dass es einer noch größeren Gruppe leichtfiele, darauf einzugehen. Der Pendlerparkplatz am Falkenberger Kreisel zum Beispiel ist im Normalfall groß genug, aber nicht so bemessen, dass Linie-4-Wankelmütige ihn mit der Gewissheit anfahren können, dort im Alltag auch garantiert einen Stellplatz zu finden. Auch der Takt ist einigen mit drei Fahrten pro Stunde – im Berufsverkehr vier – zu gering. Der Preis für die Fahrt nach Bremen ist höher als die reine Stadtfahrt. Und obendrein fahren entgegen dem ursprünglichen Plan noch immer die Regionalbusse aus Zeven oder Worpswede über Lilienthal bis Bremen. Sie sind eine Konkurrenz.

Wer muss bezahlen?

Wer es schlecht meint, mit der Straßenbahn im Ort, der lacht sich jetzt ins Fäustchen. Oder ballt es in der Tasche – angesichts der Sache mit der Rechnung. Auch zehn Jahre nach der Fertigstellung der Verlängerung liegt noch immer keine Schlussrechnung vor. Wer beim Land Niedersachsen, in der zuständigen Behörde in Bremen oder im Lilienthaler Rathaus danach fragt, wird vertröstet mit Hinweisen auf komplizierte Fördermechanismen und den Umstand, dass die den Bau ausführende Firma zwischenzeitlich insolvent ging, was zu Mehrkosten in zweistelliger Millionenhöhe geführt haben soll. Irgendjemand muss das bezahlen. Aber wer?

Keine Frage, wenn es kompliziert wird, muss besonders genau gerechnet werden. Dass es aber zehn Jahre dauert, ist peinlich. Und geradezu ärgerlich wird es, wenn bei Bürgerin und Bürger der Eindruck entsteht, hier würden Vorgänge verschleppt. Denn am Ende hantieren die Verantwortlichen mit dem Geld der Leute. Und sie setzen dabei deren Vertrauen aufs Spiel.

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