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Zehn Jahre Linie 4 Straßenbahn in Lilienthal: Wie viele fahren mit, was hat sie gekostet?

Seit zehn Jahren fährt die Straßenbahn durch Lilienthal. Viele fahren mit, aber nicht so viele, wie einst prognostiziert. Bei der BSAG ist man zufrieden, doch es bleiben einige Fragen offen.
01.08.2024, 09:00 Uhr
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Straßenbahn in Lilienthal: Wie viele fahren mit, was hat sie gekostet?
Von André Fesser

An das große Fest erinnern sich viele Lilienthalerinnen und Lilienthaler noch heute. Hunderte Menschen waren auf den Beinen, als am 1. August 2014 die Straßenbahnlinie 4 nach einigen Jahren Bauzeit und noch mehr Jahren der Diskussionen eröffnet wurde. Ein Jahrzehnt später ist die "4" längst Normalität. Während sie für viele Menschen aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken ist, sind einige alte Konflikte aber noch längst nicht beigelegt.

Wie viele Menschen nutzen die Linie 4 in Lilienthal?

Das lässt sich schwer sagen. Die Bremer Straßenbahn AG zählt nicht etwa die Fahrgäste, sondern sie misst die Zahl der Ein- und Ausstiege. Diese Werte hätten sich nach Angaben von BSAG-Sprecher Andreas Holling positiv entwickelt. Demnach lag die durchschnittliche Zahl der werktäglichen Ein- und Aussteiger innerhalb Lilienthals im Jahr 2015 bei rund 4000 und habe sich bis 2019 auf werktäglich gut 4600 erhöht. Holling zufolge habe diese Steigerung von 15 Prozent innerhalb von vier Jahren deutlich über der Gesamtentwicklung des bremischen ÖPNV gelegen. In den von Corona geprägten Jahren sei die Zahl dann um ein Drittel gesunken. Erst 2023 hätten die Nutzungszahlen das vorpandemische Niveau wieder erreicht. Holling zufolge handelt es sich um Durchschnittswerte. Im Juli oder August, je nach Lage der Sommerferien, fielen die Zahlen in aller Regel niedriger aus als im März oder November. So habe die Spannweite im Jahr 2019 von 3200 Ein- und Ausstiegen im Juli und 5400 im November gereicht. Laut BSAG seien auch die Werte des laufenden Jahres vielversprechend: So habe man von Januar bis Mai 2024 im Durchschnitt 5200 Ein- und Ausstiegsvorgänge verzeichnet, im selben Zeitraum des Vorjahres waren es 4300. Diese Entwicklung sei aber keine Lilienthaler Besonderheit, sondern ein genereller Trend, den die BSAG beobachte.

Wie viele Menschen überqueren mit der Linie 4 die Landesgrenze?

Die mit Abstand meisten (72 Prozent) der in Lilienthal begonnenen Fahrten führen über die Landesgrenze. Während 2015 noch etwa 19 Prozent aller Fahrten innerhalb der Gemeinde Lilienthal durchgeführt wurden, lag dieser Wert 2023 somit bei 28 Prozent. Laut BSAG habe man im Jahr 2015 durchschnittlich 2800 Fahrgäste gezählt, die werktäglich die Landesgrenze überquerten, 2019 waren es demnach etwas über 3000. Im Jahr 2023 sei das Vor-Corona-Niveau mit etwa 2500 Fahrten noch nicht wieder erreicht worden.

Wie erklärt die BSAG diese Entwicklung?

Über Gründe könne man nur spekulieren, so BSAG-Sprecher Holling. Beispielsweise könnten im Zuge der Pandemie etablierte Heimarbeitsmodelle eine Rolle spielen, die dazu führten, dass die Menschen auf einige Arbeitswege verzichten können. Auch der E-Bike-Trend könne sich auswirken. Oder aber der Umstand, dass weniger Verkehr auf den Straßen auch zu weniger Staus führe. Gerade dies könnte einige Pendlerinnen und Pendler aus dem ländlichen Raum dazu bewegen, eher ins Auto zu steigen.

Hat die Linie 4 die Erwartungen erfüllt?

Das kommt auf den Standpunkt an. Die Zahl der Fahrgäste, die zwischen Lilienthal und Borgfeld die Landesgrenze überschreitet, ist für viele Beobachter seit Langem das entscheidende Erfolgskriterium für die Linie 4. Die Marke von täglich 4800 Fahrgästen galt als eine Voraussetzung, um öffentliche Fördermittel zur Verlängerung der Linie 4 zu erhalten. Dieser Wert wurde in den vergangenen zehn Jahren offensichtlich nicht erreicht. Insofern dürften sich die Kritiker bestätigt fühlen, die über Jahre moniert hatten, dass der Straßenbahnausbau "schöngerechnet" wurde. Moderate Stimmen haben aber auch vor Jahren schon angemerkt, dass die ursprünglichen Berechnungen vorsahen, dass die Regionalbusse 630 und 670 aus der Region am Falkenberger Kreisel enden und die Fahrgäste in Richtung Hauptbahnhof in die Linie 4 umsteigen müssen. Die Buslinien nach Bremen wurden aber erhalten.

Auch alteingesessene Lilienthaler, die eine Veränderung des Ortsbildes infolge von Baumfällungen und Versiegelung, aber auch eine Urbanisierung befürchtet hatten, sind in den vergangenen Jahren kaum zu Straßenbahnbefürwortern geworden. Unternehmenslenker und Immobilienverkäufer wiederum melden wiederholt, dass das Mobilitätsangebot Straßenbahn dem Arbeits- und Wohnort Lilienthal einen Attraktivitätsschub beschert hat.

Was hat der Straßenbahnausbau eigentlich gekostet?

Das ist die große Frage. Auch zehn Jahre nach Fertigstellung der Verlängerung liegt die Schlussrechnung noch nicht vor. Die Straßenbahnkritiker aus dem Kreis der früheren Initiative Pro Lilienthal werden aber nicht müde, die entsprechenden Zahlen einzufordern. An der Abstimmung der Schlussrechnung sind neben den gemeindeeigenen Wirtschaftsbetrieben Lilienthal auch die zuständigen Landesbehörden in Bremen und Niedersachsen beteiligt. Wie es aussieht, ist der Umgang mit einem komplizierten Fördergeflecht und den Folgen der Insolvenz der Firma Walthelm, damals der Hauptauftragnehmer, auch für Verwaltungsprofis kompliziert. Im Herbst vergangenen Jahres hatte das Lilienthaler Rathaus die Schlussrechnung für das Frühjahr in Aussicht gestellt. Dieser Zeitraum ist lange verstrichen. Die Straßenbahnkritiker interessieren sich vor allem für die Frage, wie hoch etwaige Mehrkosten ausfallen werden, die durch die Insolvenz und den daraus resultierenden Baufirmenwechsel entstanden sind. Zugleich müssen sich die damals in Politik und Verwaltung Verantwortlichen die Frage gefallen lassen, ob bei der Auftragsvergabe tatsächlich das wirtschaftlichste oder einfach nur das billigste Angebot angenommen wurde.

Was kostet die Bahn die Gemeinde Lilienthal pro Jahr?

Dazu wollte Lilienthals Bürgermeister Kim Fürwentsches Ende Juli gegenüber unserer Zeitung keine Angaben machen und verwies auf einen gemeinsamen offiziellen Pressetermin mit der BSAG am 14. August. "Da werden Zahlen präsentiert", so der Verwaltungschef. Dem wolle man nicht vorgreifen, erklärte Fürwentsches seine Zurückhaltung.

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