Holger Brinkmann kann sich noch gut erinnern an die mit Bargeld vollgestopfte Aldi-Tüte, die ihm ein Apotheker in die Hand drückte. Eine Menge kleiner Scheine und Münzen, insgesamt exakt 20.000 Mark, mit denen der Kunde aus Bremen seinen Großauftrag bei dem Lilienthaler Druckspezialisten bezahlte: 250.000 runde Aufkleber „Atomkraft? Nein Danke“ mit lachender Sonne. Die Ware ging in den 70er-Jahren an die Bremer Anti-Atomkraft-Bewegung, für die sich der Pharmazeut nach Brinkmanns Angaben privat engagierte. Die Hanseaten wiederum versorgten mit den vielen Aufklebern gleichgesinnte Gruppen in ganz Deutschland.
Der 75-Jährige, Eigner der Lilienthaler Firma Wilbri und dort Geschäftsführer in beratender Funktion, schließt nicht aus, dass sein Betrieb der erste war, der das markante Logo mit dem sonnigen Smiley auf Klebefolie druckte. Womit er durchaus recht haben könnte. Denn die Bremer Bewegung gegen Atomkraft war in den 70er-Jahren nicht zuletzt dank der frisch gegründeten Universität, die zahlreiche atomkritische Personen anzog, gut aufgestellt. In jedem Stadtteil fanden sich die Menschen, die sich gegen Kernenergie organisierten, zu Gruppen zusammen. Die hohen Summen für die Bestellungen stammten wohl von vielen kleinen Spendern aus der Anti-AKW-Szene, mutmaßt der Unternehmer.
Für Holger Brinkmann war es damals – nach Stückzahl bemessen – sein größter Auftrag. Denn dank der großen Nachfrage nach dem markanten Aufkleber orderte der Apotheker mehrfach Nachschub. Der Kunde nahm der Druckmanufaktur vor den Toren Bremens insgesamt 750.000 Exemplare der kleinen Aufkleber ab – „für diese Zeit war das spektakulär“, so Brinkmann. Hinzu kamen weitere 250.000 Anti-Atomkraft-Aufkleber in größeren Formaten und teils mit einem anderen Spruch, die allesamt in den Produktionshallen per Siebdruck produziert wurden. Die kleinen Aufkleber, zehn Pfennig das Stück und mit einem Durchmesser von zehn Zentimetern, waren wetterfest und damit ideal für den Wagen, sagt Brinkmann. „Damals klebten ja alle Leute ihre Gesinnung aufs Auto."
Firmenchef: Große Angst vor Sicherheitsrisiken
Bei dem lukrativen Werbedruck-Auftrag ging es ihm nicht allein ums Geschäft. Der Alt-68er hegte große Sympathien für die Gegner der schnellen Brüter, das Logo entsprach seiner damaligen Überzeugung. „Es hieß, dass der Atommüll über Jahrtausende weiter strahlt. Wir fragten uns, was ist mit unseren Kindern und Enkeln.“ Die Angst vor den Meilern und den Sicherheitsrisiken war groß. Auch aus dem Grund habe man dem Apotheker damals einen großzügigen Rabatt eingeräumt. „So konnten wir die Idee sponsern.“
Das Erkennungszeichen der Atomkraft-Gegner auf den eigenen Wagen kleben oder aktiv verteilen, das wollte Holger Brinkmann jedoch nicht. Als Unternehmer, der auch von CDU und SPD Druckaufträge für Aufkleber annahm, musste er sich da zurückhalten. Restbestände seien jedoch anderen Kunden kostenlos mitgegeben oder in einem Besprechungszimmer sichtbar ausgelegt worden. „Kinder haben sie wegen der Sonne gerne mitgenommen“, erinnert sich Brinkmann, der inzwischen Atomkraft als Energiequelle befürwortet – „aber nur, wenn die Endlagerung der radioaktiven Abfälle geklärt ist.“
In den 70er-Jahren ein „Riesen-Hype“, bekomme seine Firma schon seit 30 Jahren keine Bestellungen mehr für die Anti-Atomkraft-Aufkleber. Heutzutage könne das Logo wegen der technischen Möglichkeiten einfach nachgedruckt werden, sagt Brinkmann.

Der Lilienthaler Unternehmer Holger Brinkmann hat in den 70er-Jahren neben Aufklebern für Lilienthal auch massenweise Aufkleber mit dem Logo ”Atomkraft? Nein Danke” produziert.

Der Lilienthaler Unternehmer Holger Brinkmann hat in den 70er-Jahren neben Aufkleber für Lilienthal auch massenweise Aufkleber mit dem Logo ”Atomkraft? Nein Danke” produziert.