Lilienthal. Nach dem Rückzug aus der Bundesliga steht vor der Floorball-Sparte des TV Lilienthal ein nahezu kompletter Neuanfang. Gerne hätten die „Wölfe“ dabei Jesse Backman als Baumeister gesehen und mit dem finnischen Headcoach weitergemacht. Diese Hoffnung hat sich nun allerdings zerschlagen, der ambitionierte Trainer wird den TVL nach nur einer – ausgesprochen erfolgreichen – Spielzeit wieder verlassen.
Zwar bedauert auch Abteilungsleiter Harm Otten den Verlust, wirklich überrascht ist er davon allerdings nicht. „Wir wussten, dass Jesse nach dieser tollen Saison von vielen Vereinen gejagt wird und die dritte Liga nicht sein Anspruch ist“, erklärt Otten auf Nachfrage. Überzeugen wollten die Verantwortlichen den ausgewiesenen Floorball-Fachmann dabei mit ihrem Konzept und neuen Ideen. Gerade diese Perspektive fehlte dem scheidenden Übungsleiter aber. „Ich vermisse einen langfristigen Plan für die Zukunft. Während der Saison habe ich darüber hinaus keine Entwicklung innerhalb des Vereins wahrgenommen. Der Klub geht nicht in die erhoffte Richtung“, moniert Backman.
Dabei habe er stets versucht, den Verein durch konstruktive Kritik auf gewisse Missstände hinzuweisen. „Ich habe Lösungen gesucht, aber kaum positives Feedback erhalten. Das war auf Dauer schon frustrierend“, so Backman. Insbesondere mit Blick auf die eigene Jugendarbeit hätten die Lilienthaler jede Menge Arbeit vor sich. „Es fehlen starke Nachwuchsteams, die Jugendsparte ist nicht wettbewerbsfähig“, zeigt sich Backman kritisch. Immerhin haben auch die TVL-Offiziellen die Zeichen der Zeit mittlerweile erkannt. „In der Vergangenheit wurden sicher einige Fehler gemacht, die so nicht hätten passieren dürfen. Aber genau deshalb fangen wir ja jetzt von vorne an und sind optimistisch, den Verein für die Zukunft wieder gut aufstellen zu können“, zeigt sich Harm Otten zuversichtlich. Einige dieser Patzer sind zwar vor seiner Zeit als Abteilungsleiter geschehen, dennoch will er federführend dabei mithelfen, diese zu korrigieren. „Wir haben aus der Vergangenheit gelernt und werden das jetzt gemeinsam korrigieren“, verspricht Otten.
„Ein gutes Jahr für mich“
Und das würde auch Jesse Backman freuen. Denn auch wenn er das „Wolfsrudel“ nach nur knapp acht Monaten wieder verlässt und nicht alles nach Plan lief, hat er den Verein und die Menschen in Lilienthal in sein Herz geschlossen. „Es war hier eine Herausforderung, aber vor allem ein gutes Jahr für mich als Trainer und Mensch. Ich habe hier viele tolle Leute kennengelernt und konnte von ihnen lernen. Über den Sport, aber auch über die deutsche Kultur und darüber hinaus“, strahlt Backman. Gerade die Schwierigkeiten waren bei diesem Lernprozess sogar ein wichtiger Faktor. „Auch die Probleme, denen ich hier begegnet bin, haben mich als Persönlichkeit gestärkt. Von daher respektiere ich den Klub und alle Beteiligten“, bilanziert der Erfolgstrainer, der gegen seinen zukünftigen Ex-Verein nicht nachtreten will. Vielmehr möchte er nach seinem gleichermaßen kurzen wie intensiven Intermezzo, welches mit Vizemeisterschaft und Pokalsieg als durchaus historisch bezeichnet werden darf, einigen Wegbegleitern danken. „Ich muss mich vor allem bei den Familien bedanken, die mir das ganze Jahr so unglaublich geholfen haben. Auch Michael Volling, der mir beim Training geholfen hat und den engagierten Spielern, die im Training alles gegeben und mich unterstützt haben, gilt mein Dank“, erklärt Backman.
Wohin es „Jay“, wie der Finne im Schoofmoor stets gerufen wurde, zur neuen Spielzeit zieht, ist noch nicht ganz klar. Allerdings wird er definitiv in Deutschland bleiben. Vielleicht kommt es in ein paar Jahren zu einem Wiedersehen – zumindest Jesse Backman wäre begeistert. „Ich hoffe wirklich, dass die Verantwortlichen aus der Vergangenheit gelernt haben und sie es nun besser machen. Dann können sie stärker zurückkommen und schon bald ein Comeback in der Bundesliga feiern. Das hätten speziell die Fans hier verdient“, sagt Backman. Diesen Wunsch teilt wohl die gesamte Lilienthaler Floorballgemeinde, die sich zumindest darüber freuen darf, dass eine erfolgreiche Liaison trotz diverser Diskrepanzen am Ende versöhnlich endet.