Lilienthal/Grasberg/Worpswede. Die Lilienthalerin Elke Ohlrogge und der Worpsweder Dennis Holz teilen ein Schicksal. Beide finden partout keine Auszubildenden für ihren Betrieb. "Ich habe die Suche aufgegeben", sagt Friseurin Ohlrogge. Das aktuelle Azubi-Jahr abgeschrieben hat nach eigenen Worten auch Installateur- und Heizungsbaumeister Holz. Noch nie sei es für Firmen so schwierig gewesen, geeignete Azubis zu finden, teilt die Industrie- und Handelskammer (IHK) Niedersachsen mit. Grund zum Klagen haben deshalb viele Unternehmen in der Region. Aber es gibt auch Betriebe, bei denen es anders aussieht.
Aus Sicht der IHK Niedersachsen hat sich die Lage auf dem Ausbildungsmarkt zugespitzt. Die IHK beruft sich auf die Ergebnisse der jüngsten IHK-Ausbildungsumfrage. Demnach gaben niedersachsenweit 44,3 Prozent der Betriebe an, dass sie im Jahr 2022 nicht alle Plätze besetzen konnten. Und das, obwohl sie der IHK zufolge sehr engagiert um Nachwuchs geworben hatten. Das bestätigt Dennis Holz, Inhaber der Firma Gebrüder Ranke, eines Fachbetriebs für Heizung, Solar und Sanitär: "Wir haben in diesem Jahr alles versucht, auch die Mund-Propaganda hat nichts gebracht." In den Jahren zuvor sei es ganz anders gewesen, sagt Holz, da habe der Betrieb vier bis fünf Bewerbungen bekommen - und das ohne Aufwand. Sich erfolglos auf allen Kanälen ins Zeug gelegt hat sich auch Elke Ohlrogge. "Ob Arbeitsagentur, Social Media oder Anzeigen - es gab keine Reaktionen."
Bessere Berufsorientierung gefordert
Die Unternehmen bräuchten gezielte Unterstützung, um mehr junge Menschen für eine berufliche Ausbildung zu begeistern, sagt Maike Bielfeldt, Hauptgeschäftsführerin der IHK Niedersachsen. „Eine wichtige Maßnahme wäre eine insgesamt bessere Berufsorientierung von Schülerinnen und Schülern." Eine Forderung, der sich die Lilienthaler Friseurin Elke Ohlrogge anschließt.
Ein weiteres Ergebnis der niedersächsischen IHK-Ausbildungsumfrage ist, dass 80 Prozent der Unternehmen versuchen, leistungsschwächere Schulabgänger zu integrieren, wenn die persönliche Basis stimmt. Das bestätigt Installateur- und Heizungsbaumeister Dennis Holz. Von seinen Innungskollegen habe er erfahren, dass es im Wettbewerb um Auszubildende längst nicht mehr darum gehe, sich um die Notenbesten zu rangeln, sondern so viele junge Menschen wie möglich für die Berufsausbildung zu begeistern.
Immer weniger Schulabgänger - das ist nach Angaben der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK) das Kernproblem auf dem Ausbildungsmarkt, das drohe, den Fachkräftemangel zu verschärfen. Es gebe heute rund 100.000 weniger Schulabgängerinnen und Schulabgänger als noch vor zehn Jahren. Das führe unter anderem dazu, dass bald bis zu 400.000 Beschäftigte mehr den Arbeitsmarkt verlassen, als neue hinzukommen, so die DIHK.
Nicht immer ausreichende Qualifikationen
Demografischer Wandel und nicht immer ausreichende Qualifikationen von Schulabgängern machen das Feld der interessanten Kandidaten auch beim Lilienthaler Unternehmen Nabertherm kleiner. Geschäftsführer Timm Grotheer kann jedoch erneut auf einen besonders starken Ausbildungsjahrgang blicken, der zum 1. September startet: 15 junge Menschen, Azubis und duale Studenten, beginnen bei dem Industrieofenbauer. „Wir besetzen zum wiederholten Male mehr Ausbildungsplätze, als zunächst intern geplant."
In den letzten Jahren hätten sich die Entscheidungszyklen bei Bewerbern deutlich verkürzt, hat Grotheer festgestellt. Die Zeiten, in denen im Oktober oder November des Vorjahres die Ausbildungsplätze besetzt waren, seien vorbei. Zum Teil kämen interessante Bewerber kurzfristiger auf die Ausbildungsbetriebe zu, was die Planung schwieriger mache. Zum Azubi-Recruiting des Unternehmens gehörten eigene und Kampagnen der IHK sowie Besuche von Ausbildungsmessen und Schulen. Den entscheidenden Hebel hätten allerdings die allgemeinbildenden Schulen und die Elternhäuser in der Hand, meint Grotheer: Es müsse noch deutlicher werden, dass ein erfolgreicher Start in das Berufsleben nicht an einem Studium hänge. So sieht es auch Maike Bielfeldt von der IHK Niedersachsen: „Jungen Menschen muss klar sein, dass sie sich mit einer beruflichen Ausbildung für einen zukunftsorientierten Karriereweg entscheiden, der – verbunden mit einer entsprechenden Weiterbildung – einem akademischen Abschluss in nichts nachsteht und am Arbeitsmarkt sehr nachgefragt wird."
Gute Handwerker in ein paar Jahren Mangelware?
Das hat sich wohl auch der junge Mann aus Oberneuland gedacht, der am 1. September bei Holzbau Köster GmbH in Grasberg anfängt. Firmenchef Dieter Köster ist heilfroh, dass sich der 19-Jährige nach seinem Abitur nun doch kurzfristig gegen ein Studium und für eine Lehre als Zimmerer entschieden hat. "Wir freuen uns, dass junge Menschen einen handwerklichen Beruf erlernen wollen", sagt Köster, es sei sehr schwer, Personal zu finden. Er vermutet, dass gute Handwerker in einigen Jahren noch mehr Wertschätzung erfahren werden als heute, weil es dann noch weniger gebe.
Keine Probleme, ihre beiden Lehrstellen zu besetzen, hatte die Bahrenburg GmbH Zimmerei und Ingenieurholzbau in Grasberg, vorher sei allerdings ein Praktikum verpflichtend gewesen, erzählt Geschäftsführerin Silke Tieste. Und auch ihre Nachbarin, die Brinkmann Automobile GmbH, konnte alle sechs Ausbildungsplätze vergeben. Auf die drei im kaufmännischen Bereich bewarben sich sogar rund 20 junge Menschen. "Wir sind ganz glücklich, dass wir alle Plätze besetzen konnten", berichtet Stefan Meier, stellvertretender kaufmännischer Leiter.