Lilienthal. Der Wirtschaftsinteressenring (Wir) Lilienthal hat einen neuen Vorsitzenden: Sükrü Özdemir wird die Vereinigung der Einzelhändler und Gewerbetreibenden künftig leiten, das haben die Mitglieder bei der turnusmäßig anstehenden Wahl so entschieden. Vorgänger Sven Behrens hat nach sechsjähriger ehrenamtlicher Tätigkeit nicht wieder für den Posten kandidiert und private Gründe dafür angeführt. Im November werde er Vater, ließ er die Mitglieder auf der Jahreshauptversammlung wissen, er wolle sich künftig auf die Familie konzentrieren. "Mir fehlt dann die Zeit. Ich könnte der Aufgabe als Wir-Vorsitzender nicht mehr gerecht werden", erklärte Behrens seinen Rückzug.
Sükrü Özdemir hat vor drei Jahren die Waschstraße "Car Wash" im Gewerbegebiet Moorhausen übernommen, in Pinneberg und Hamburg betreibt er zwei weitere Waschanlagen für Autos, auch engagiert sich der 48-Jährige ehrenamtlich in der Hamburger Handelskammer. Auch politisch ist er aktiv gewesen: Bis Februar 2022 war er kommissarischer Vorsitzender des Lilienthaler SPD-Ortsvereins.
Özdemir war am Donnerstagabend nicht der einzige Bewerber für den Wir-Vorsitz: Auch Moris Sego, Chef des Restaurants "La Vita" an der Hauptstraße, hatte sein Interesse bekundet. Der amtierende Vorstand hatte ihn als Nachfolger von Behrens vorgeschlagen. Bei der geheimen Wahl zog er den Kürzeren: Sechs Mitglieder stimmten für ihn, Özdemir kam auf acht Stimmen, ein Stimmzettel war ungültig.
Timm und Reineke kehren zurück
Es gab noch weitere Personalentscheidungen: Mit Michael Timm und Udo Reineke kehren zwei Wir-Urgesteine als Beisitzer in den Vorstand zurück. Friseurmeister Timm hatte Özdemir für den Vorsitzenden-Posten vorgeschlagen. Alle drei halten es für nötig, dass die Geschäftsleute in Lilienthal wieder zusammenrücken. "Für den Ort ist es wichtig, dass wir hier nicht zwei oder zweieinhalb Gruppierungen haben. Es ist nicht gut, wenn jeder sein eigenes Süppchen kocht. Die Fronten dürfen sich nicht verhärten. Man muss miteinander reden", sagte Timm. Er sprach damit vor allem das Verhältnis zur Kaufleute-Genossenschaft Lili Live an. Der Wir-Vorstand hatte die Verhandlungen über eine mögliche Fusion mit Lili Live im vergangenen Jahr für gescheitert erklärt.
Behrens hatte die Fusionsgespräche in seinem Jahresbericht zunächst nicht erwähnt, ging dann aber doch noch auf Details ein. Demnach sollen die Vorstellungen zu weit auseinander gelegen haben, der Wir-Vorstand habe sich letztlich in den Plänen der Genossenschaft nicht wiedergefunden. Behrens nannte als Beispiel die Idee, dass der Vorstand bei einer Fusion aus zehn Personen hätte bestehen sollen, wobei für die Vertreter des Wir drei Vorstandssitze vorgesehen worden seien. Uneinigkeit gab es offenbar auch bei der Frage, wer die konkrete Arbeit bei der Vorbereitung von Märkten oder Festen übernehmen solle. Die Tendenz bei Lili Live sei gewesen, solche Aufträge zu vergeben. In der Konsequenz wären für die Mitglieder laut Behrens weitaus höhere Beiträge als jetzt herausgekommen.
Die Uneinigkeit der Interessenvertretungen hatte bereits zur Konsequenz, dass sich Sponsoren wie die Sparkasse, Volksbank und Osterholzer Stadtwerke zurückgezogen haben. Dem Wir sind damit wichtige Einnahmen verloren gegangen, um Feste und den Weihnachtsmarkt organisieren zu können. Zusätzlich haben Mitglieder den Wir verlassen, zwölf waren es im vergangenen Jahr, sodass deren Beiträge von monatlich 20 Euro nun in der Kasse fehlen. Insgesamt gehören dem Wir noch etwa 70 bis 80 Mitglieder an.
Annäherung in kleinen Schritten
Bei der Hauptversammlung wurde deutlich: Etliche Mitglieder würden es begrüßen, wenn es ein einziges Sprachrohr der Wirtschaft in der Gemeinde gäbe. Jörg Hermann, Vizepräsident des Golfclubs Lilienthal, regte an, sich vielleicht in kleinen Schritten anzunähern, etwa indem beide Vereinigungen den örtlichen Weihnachtsmarkt gemeinsam organisieren. "Ich glaube, dass sich eine kleine Stadt wie Lilienthal keine konkurrierenden Vereinigungen leisten kann, die beide im Grunde das gleiche Ziel verfolgen", sagte er bei der Aussprache am Ende der Versammlung. Andere sehen in dem Personalwechsel die Chance für einen Neuanfang. Unternehmer Wilfried Kalski plädierte dafür, dass die Geschäftsleute an einem Strang ziehen sollten und man die Gespräche über eine Fusion wieder aufnehmen sollte. Die Wirtschaft müsse mit einer Stimme sprechen, sonst gehe Einfluss verloren.
Auch der neue Vorsitzende Sükrü Özdemir ist auf dieser Linie. "Lilienthal hat 20.000 Einwohner. Warum brauchen wir zwei Interessengemeinschaften?", fragte er in die Runde. Nach seiner Einschätzung bietet der Ort viel Potenzial, die Kaufkraft sei vergleichsweise hoch, man müsse mehr tun, damit die Bürgerinnen und Bürger ihr Geld im Ort ausgeben und nicht zum Einkaufen nach Bremen fahren. Özdemir tritt auch an, um gegenüber der Politik die Vorstellungen der Wirtschaft wieder stärker zu vertreten. Dabei geht es nicht nur um den örtlichen Einzelhandel. "Meine Nachbarn im Gewerbegebiet wollen expandieren, können das aber nicht, weil die Flächen dafür fehlen", sagte der neue Wir-Chef. Özdemir hat sich vorgenommen, mit allen Mitgliedern des Wir zu sprechen.