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Nach 55 Jahren ist Schluss Abgang mit leiser Ansage

Die Commerzbank in Osterholz-Scharmbeck ist Geschichte: 55 Jahre war sie am Platz, nun ist die Filiale plötzlich dicht. Selbst das Werbeschild ist schon abmontiert worden.
22.10.2021, 22:00 Uhr
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Abgang mit leiser Ansage
Von Christian Valek

Osterholz-Scharmbeck. Das Geldinstitut wirbt mit dem Spruch „Die Bank an Ihrer Seite“. Doch zumindest in der analogen Welt ist die Commerzbank von der Seite der Osterholz-Scharmbecker gewichen: Die Filiale am Marktplatz ist geschlossen, das Erdgeschoss steht leer. Abgeklebte Scheiben im Entree, zugezogene Lamellenvorhänge und das schnell entfernte Firmenschild geben manchem Kreisstädter zu denken. Nach 55 Jahren am Platz ist jetzt im Eiltempo Schluss.

Seit 14. Oktober geschlossen

Die Auskunft von Commerzbank-Sprecherin Dagmar Baier ist gradlinig: „Wir haben die Öffentlichkeit Anfang Juli 2021 über unsere Pläne und neue Filialstrategie informiert“, heißt es aus Hamburg auf Nachfrage der Redaktion. Die Filiale in der Kreisstadt gehöre zu den Niederlassungen, die man am 14. Oktober geschlossen habe. „Unsere Kunden können künftig in Bremen-Vegesack vor Ort und telefonisch beraten werden“, so der Hinweis an die Kunden. „Auch wenn die Selbstbedienungszone nach der Schließung nicht mehr zur Verfügung stehen wird, ist die Bargeldversorgung gewährleistet.“ Dazu könnten kostenlos die Automaten genutzt werden. Und Kontoauszüge erhielten die Kunden mit ihrem Digital-Banking-Zugang über das elektronische Postfach. „Die Commerzbank will die digitale Beratungsbank für Deutschland werden.“ Die Kunden der Filiale seien laut der Unternehmenssprecherin per Brief und Telefon informiert gewesen. 

Firma folgt dem Trend

Das Unternehmen, das zu 15 Prozent in Bundesbesitz ist, folgt damit einem Trend. Seit Jahren ändere sich das Kundenverhalten insgesamt, teilt die Sprecherin des Geldinstituts mit. Auch die Barmer Krankenkasse hat bei ihrem Abzug aus der Kreisstadt im April ähnlich argumentiert (wir berichteten). Die Commerzbank zieht zur Erläuterung einige Erkenntnisse aus einer Langzeitstudie des Digitalverbands Bitkom heran, wonach bereits 80 Prozent aller Bankkunden digitale Angebote nutzten. Im Jahr 2016 seien es noch 57 Prozent gewesen.

Und es gibt rein wirtschaftliche Zwänge, die ein Handeln seitens der Bank nötig machen. Die Commerzbank will seit der Finanzkrise in den Jahren 2008 und 2009 mit einem Sparkurs wieder in die Erfolgsspur zurück. Dazu soll unter anderem Personal abgebaut werden: Bis Ende 2024 soll die Anzahl der Vollzeitstellen von circa 39.500 auf 32.000 im Konzern schrumpfen. In diesem Jahr sollten laut Baier 240 Filialen in Deutschland dicht  machen. Von 790 Standorten sollen am Ende 450 übrig bleiben. Neben der Filiale in Osterholz-Scharmbeck wurde unter anderem die Geschäftsstelle in Bremervörde geschlossen. Die dort vorhandene SB-Zone wird am 2. November abgebaut. Auch in Bremen fallen bis Jahresende mehrere Standorte weg.

Abschied auf Raten

Der Abschied aus der Kreisstadt hat sich angekündigt. Nach einem missglückten Sprengstoff-Anschlag auf den Geldautomaten in der Scharmbecker Geschäftsstelle im Mai 2019 kamen die Sanierungsarbeiten nicht in Schwung (wir berichteten). Die sechs Mitarbeiter waren vorübergehend in Vegesack untergekommen. Etwa eineinhalb Jahre herrschte Stille im Haus Nummer zehn am Marktplatz. Die Schadenshöhe betrug damals mehrere Zehntausend Euro, weil sich Brand-Schadstoffe über die Klima- und Lüftungsanlage im gesamten Bankbereich verteilt hatten. Die Polizei ermittelte.

Schon damals befand sich der Konzern mitten in einer strategischen Neuausrichtung. Die schleppenden Instandsetzungsarbeiten und die Strategie der Bank aber stünden in keinen Zusammenhang mit der Firmenpolitik, betonte damals ein Sprecher der Bank gegenüber der Redaktion. Nach einer Anfrage der Redaktion zum Stand der Dinge in Osterholz-Scharmbeck im Januar 2021 bat Sprecherin Dagmar Baier noch um Geduld. „Sobald wir konkrete Informationen auf Filialebene haben, kommen wir auf Sie zu“, hieß es damals. Jetzt ist die Filiale plötzlich geschlossen. Wie es in den Geschäftsräumen nun weitergeht, ist unklar. Die Bank hatte die Räume angemietet. Es gibt einen fortlaufenden Mietvertrag zwischen Bank und Gebäudeeigentümern, wie die Redaktion weiß.

Ohne kurzfristige Vorwarnung

Der schnelle Abzug aus der Kreisstadt hat selbst die Mitarbeiter der städtischen Wirtschaftsförderung überrascht. Stefan Tietjen betont, dass man mit der Filialleitung, vor allem seit August 2021, eigentlich relativ eng im Gespräch gewesen sei. Eine kurzfristige Vorwarnung über die kurz bevorstehende Filialschließung habe es dennoch nicht gegeben. Mehr oder weniger sei die Schließung „vom einen auf den anderen Tag“ erfolgt, erläutert der Leiter des Fachbereichs Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus bei der Stadt.

„Wir sind im Gespräch“, sagt Tietjen. Einzelheiten wolle er aus Diskretionsgründen nicht nennen. Nur so viel: Es gibt Interessenten für die ehemaligen Bankräume im Erdgeschoss. Wie es weitergeht, hänge unter anderem vom Einvernehmen mit dem Eigentümer der Immobilie ab. Auch für die Fassade, die nach Entfernen der Bank-Reklame wenig ansehnlich ist, werde man sich kurzfristig etwas einfallen lassen, um sie aufzuhübschen.

Zur Sache

Vom Anfang bis zum Ende

Die Commerzbank-Geschäftsstelle in Osterholz-Scharmbeck öffnete erstmals am 5. Juli 1966 die Türen. Der Standort wurde am Freitag, 14. Oktober 2021, nach mehr als 55 Jahren aufgelöst. Die Geschäftsräume waren nach einer missglückten Automatensprengung Ende Mai 2019 geschlossen worden. Nach Kernsanierung und coronabedingter Schließung wagte die Bank im November 2020 einen Neustart. Anfang Juli 2021 wurden die Pläne zur neuen Filialstrategie veröffentlicht. Die Botschaft: 240 Standorte sollen bis Jahresende geschlossen werden. Die von der Schließung betroffenen Mitarbeiter aus Osterholz-Scharmbeck können aus verschiedenen Optionen wählen. Zur Wahl steht ein Wechsel in eine andere Filiale (auch Vegesack), die Übernahme einer Aufgabe in künftigen Telefon-"Beratungscentern" und „das bereits in der Vergangenheit bewährte und faire Instrumente für einen möglichst sozialverträglichen Abbau“, heißt es seitens der Firma. Die vom Abbau betroffenen Mitarbeiter würden bei der beruflichen Neuorientierung und Weiterbildung unterstützt.

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