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Frühstück bei: Matthias Kohlmann Das Gesicht der IHK

„Krisenjahre sind Kammerjahre.“ Dieses Zitat unbekannter Herkunft nutzt Matthias Kohlmann, wenn man ihn fragt, wie die IHK die Pandemie meistert. Wir haben mit dem IHK-Präsidenten gefrühstückt.
05.06.2021, 06:00 Uhr
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Von Ulf Buschmann

Basdahl. Matthias Kohlmann begrüßt seinen Besuch schon vor der Haustür. Durch den Flur geht es ins Wohnzimmer zum reichhaltig gedeckten Tisch. Aufschnitt, Käse, Salate, Wasser, Saft und leckeres selbstgemachtes Müsli mit frischen Früchten. Es fehlen nur noch die Brötchen auf dem Tisch, einem gemütlichen Frühstück steht nichts mehr im Wege. Eigentlich. Doch bei Familie Kohlmann gibt es eine Tradition vorweg, die meistens längst verloren gegangen ist: „Wir beginnen unsere Mahlzeiten mit einem Gebet“, sagt Matthias Kohlmann. Es ist eine schöne Tradition, die die morgendliche Hektik quasi ausbremst. Aber das Gebet ist nicht nur deshalb für Matthias Kohlmann wichtig. „Ich bezeichne mich als gläubigen Christen“, meint er nach einer kurzen Pause, und das Beten erde ihn.

Für einen Menschen in seiner Position sind derlei Ansichten im 21. Jahrhundert mit seiner hohen Schlagzahl im Alltag eher selten: Matthias Kohlmann ist Präsident der Industrie- und Handelskammer (IHK) Stade für den Elbe-Weser-Raum. Im Jahr 2019 wurde er von der Vollversammlung der Kammer gewählt, zwei Jahre zuvor erfolgte die Wahl in die Vollversammlung. „Ich wusste nicht, was mich erwartet“, meint Matthias Kohlmann, „ich habe gelernt, wie Haupt- und Ehrenamt zusammen arbeiten.“ Dabei lächelt er fast unmerklich und schneidet in sein erstes Brötchen.

Die Aufteilung in Haupt- und Ehrenamt ist für ihn eine gute Lösung. Während die Mitarbeitenden in den Geschäftsstellen die inhaltliche Arbeit machen und zum Beispiel die IHK-Positionen in die Öffentlichkeit tragen, ist Matthias Kohlmann das Gesicht der IHK. Seine Aufgabe sei aber nicht nur die Repräsentation. Wenn er Unternehmensvertreter oder auch Politiker treffe, nehme er Impulse auf und gebe sie gleichzeitig in die jeweiligen Kreise hinein.

"Wertzuschätzende Arbeit"

Kohlmann nippt an seinem Kaffeebecher und blickt auf die vergangenen zwei Jahre zurück. In dieser Zeit habe er unter anderem einen anderen Blick auf die Politiker bekommen. „Sie machen eine wertzuschätzende Arbeit“, sagt er. So bewege sich beispielsweise Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil auch auf glattem Parkett sehr sicher, wie der IHK-Präsent bei zwei Delegationsreisen habe feststellen können.

Dann geht es – wie sollte es anders sein – um die Corona-Pandemie. „Davon wurde ich kalt erwischt“, blickt Matthias Kohlmann auf den März vergangenen Jahres zurück. In diesem Zusammenhang lobt er ausdrücklich seine IHK: „Die ganze Organisation hat sich sofort auf die Not der Unternehmen fokussiert.“ Schließlich habe es viele Fragen gegeben, und für die IHK-Mitglieder sei durch ein schnell eingeführtes Schichtsystem „nahezu rund um die Uhr jemand erreichbar gewesen“. Der IHK-Präsident lächelt wieder verschmitzt und bedient sich eines Zitats, dessen Urheber unbekannt ist: „Krisenjahre sind Kammerjahre.“

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Während er sein Brötchen mit Quark bestreicht, lässt Matthias Kohlmann 2020 weiter Revue passieren: „Es war wie ein Film.“ Und: „Ich bin jeden Tag zur Arbeit gefahren. Das war für mich ein Stück Normalität.“ Derweil sei das Kammergeschäft viel über Videokonferenzen gelaufen. Und wie war es im Privatleben? Matthias Kohlmann muss nicht lange nachdenken: „Da fielen unheimlich viele Dinge weg. Aber es war auch ein Stück Entschleunigung.“

Wertvolle Beziehungen

Und noch etwas hat Kohlmann sowohl für seine berufliche Tätigkeit als Geschäftsführer der Faun-Gruppe in Osterholz-Scharmbeck als auch als IHK-Präsident gelernt beziehungsweise bestätigt bekommen: „Es ist unheimlich wertvoll, dass man sich persönlich kennt.“ Er fügt hinzu: „Gute Beziehungen helfen in der Krise unglaublich.“

Auf die Frage, ob die IHK in öffentlichen Diskussionen eine Rolle spielt, muss Matthias Kohlmann nicht lange überlegen. „Ich glaube schon, dass sie gehört wird“, ist er überzeugt. Schließlich würden zum Beispiel in den Regional- und Fachausschüssen dezidierte Stellungnahmen sowie die dazugehörigen Beschlüsse erarbeitet. Als eines der großen Themen sieht der IHK-Präsident die Berufsausbildung an.

„Der Weg zu den jungen Leuten hat sich verändert“, erklärt er. So seien die Ausbildungsplatzbörsen als wichtige Kontaktmöglichkeit aufgrund der Pandemie in diesem und im vergangenen Jahr ausgefallen. Die IHK habe indessen auch hier schnell reagiert und beispielsweise ein virtuelles Azubi-Speeddating und virtuelle Unternehmensbesuche für die Schüler organisiert. Doch das sei nicht alles, wenn es bei der IHK um das Thema Ausbildung geht, verrät Matthias Kohlmann. Auch die Berufe selbst würden sich verändern. „Da müssen wir über die Zukunft nachdenken.“ In enger Zusammenarbeit mit den Betrieben entwickelt die IHK beispielsweise praxisnahe neue Berufsbilder.

Matthias Kohlmann schenkt sich einen Kaffee nach und tut sich etwas vom Müsli auf eine kleine Schale. Sehr lecker ist es! „Da müssen Sie sich bei meiner Frau bedanken“, reicht er die Lorbeeren weiter und kommt auf die Küstenautobahn A20 zu sprechen. Diese sorgt auch fast 30 Jahre nach Bekanntgabe der ersten Pläne für Diskussion in der Region. Als sich Kohlmann damit auseinandersetzte, hatte er nach eigenen Worten „ein Schlüsselerlebnis“: Für ihn ist klar, dass die A20 kommen muss, weil sie wichtig für die Hinterlandanbindung der Häfen ist.

Wirtschaftlich, findet Matthias Kohlmann, sei die Region gut aufgestellt. Zu tun gibt es aus seiner Sicht indes noch einiges, um die Ungleichheit zwischen dem ländlichen Raum und den städtischen Ballungszentren nicht zu groß werden zu lassen: „Wir müssen auf die Schulen, die Berufsschulen und die Gesundheitsversorgung schauen“, ist er überzeugt: „Die Fläche dürfen wir nicht vergessen, da braucht es Weitblick.“

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