Ritterhude. Die Kaffeemaschine blubbert vor sich hin. Durch die großen Fenster des Wintergartens scheint nicht nur die Sonne intensiv hinein. Auf dem Tisch stehen liebevoll hergerichtete Holzbretter mit Käse, Salami und Schinken. Dazu gibt es Marmelade und Honig. „Möchten Sie Chilichoten?“, fragt Gerd Holzhauer freundlich. Der Besuch schüttelt dankend den Kopf. „Ich esse sie jeden Tag“, erklärt der Holzhauer lächelnd. Inzwischen hat die Kaffeemaschine aufgehört zu blubbern – der Kaffee ist fertig. Jutta Holzhauer gibt ihrem Mann Anweisung: „Gib' doch mal die Tassen rüber.“ Und während sie den Kaffee einschenkt: „Hier in unserem Wintergarten spielt sich fast alles ab.“
Nachhaltiger Krankenhaus-Besuch
Die beiden Ritterhuder freuen sich sichtlich über ihren Frühstücksbesuch. „Alles was in der Zeitung steht, kann für uns nur gut sein“, sagt Gerd Holzhauer. Seine Frau nickt zustimmend. Nicht ohne Grund ist es so: Wegen der Corona-Pandemie sind sämtliche öffentlichen Aktionen zum Sammeln von Spenden abgesagt. Dabei sind sie für viele Menschen im wahrsten Sinne des Wortes lebenswichtig. Denn: Gerd und Jutta Holzhauer engagieren sich schon seit Beginn der 1990er-Jahre für die Deutsche Knochenmarkspenderdatei, DKMS. Die Organisation sucht Stammzellspender für an Leukämie erkrankte Menschen. Dafür finden regelmäßig sogenannte Typisierungen statt.
Gerd Holzhauer schneidet sein Brötchen auf. Dabei berichtet er, wie es zur nun schon fast 30 Jahre andauernden Beziehung zwischen ihnen und der DKMS gekommen ist: „Meine Mutter hatte 1993 Krebs. Als ich sie im Krankenhaus an der St. Jürgen-Straße in Bremen besuchte, konnte ich mir auch die Kinderkrebsstation anschauen.“ Für ihn und in der Folge auch für seine Frau war das so etwas wie ein Erweckungserlebnis: „Als ich die armen kleinen Menschen sah, habe ich mich entschlossen, etwas zu tun.“
270.000 Euro in 28 Jahren
Der Rahmen war schnell gefunden, denn der 69-Jährige ist passionierter Fußballer und war früher auch Trainer. In dieser Funktion hatte er angefangen, bei der TuSG Ritterhude ein Jugendturnier auf die Beine zu stellen. Es liefert den Rahmen, um Spenden für die DKMS zu spenden – eigentlich bis heute, doch die Veranstaltungen in diesem und im vergangenen Jahr sind coronabedingt ausgefallen. Trotzdem ist die Bilanz beeindruckend. Laut Gerd Holzhauer haben seine Frau und er, sein sechsköpfiges Kernteam sowie die Helferinnen und Helfer, die bei Bedarf einspringen, in 28 Jahren rund 270.000 Euro an Spenden gesammelt. Damit konnten 14.220 Menschen typisiert werden. „Daraus ist erst vor kurzem der 82. Lebensretter hervorgegangen.“ Dies sind Zahlen, die Jutta und Gerd Holzhauer gleichermaßen motivieren. Vor allem Gerd Holzhauer bekennt: „Mir würde unheimlich was fehlen. Ich arbeite gerne für die DKMS.“ Jutta Holzhauer ergänzt: „Es ist toll, wenn jemand geheilt wird.“
Wenn sie auf die vergangenen Jahre zurückblicken, hat sich doch einiges in ihrer ehrenamtlichen Arbeit verändert. Anfangs, so erinnern sie sich zwischen ihren Bissen ins Brötchen, habe es sogenannte Sets für die Menschen gegeben, die sich typisieren lassen wollten. Um sie zu übergeben, sei er in seiner Freizeit bis zu 200 Kilometer an einem Wochenende quer durch den Landkreis gefahren. Leichter wurde es erst, als sich die Holzhauers für Infostände entschieden. Und seit dem Jahr 2002 dürfen Menschen wie sie nach dem Absolvieren spezieller Schulungen sogar selbst Proben mit Wattestäbchen nehmen.
35 Euro pro Typisierung
Was gleich geblieben ist: Die DKMS-Typisierungen werden komplett aus Spenden finanziert. Die Kosten liegen laut Gerd Holzhauer bei 35 Euro pro Person – macht alleine bei einer Typisierungsaktion mit 2500 Menschen 87.500 Euro. „Wenn jemand als konkreter Spender infrage kommt, zahlt das alles die Krankenkasse“, sagt Gerd Holzhauer. Zwischendurch läuft er in die Küche. „Für Kaffee zu sorgen ist Aufgabe meines Mannes“, erklärt Jutta Holzhauer lächelnd die Aufgabenverteilung in ihrem Ritterhuder Haushalt.
Als Gerd Holzhauer wieder an seinem Platz im Wintergarten sitzt, macht er sogleich Werbung für dieses lebensnotwendige Engagement: „Weltweit erkrankt statistisch gesehen alle 36 Sekunden ein Mensch an Leukämie.“ Doch immerhin würden heute schon von zehn Erkrankten neun einen Stammzellspender finden. Auch die früher übliche Entnahme von Stammzellen aus dem Knochenmark sei heute kaum noch üblich: „85 Prozent aller Entnahmen geschehen heute peripher. Das ist wie eine verlängerte Blutspende.“
Schallmauer voraus
Ans Aufhören denken die Holzhauers noch lange nicht. „Mein erstes Ziel ist es, die 500.000-Euro-Schallmauer bei den Spenden zu durchbrechen“, blickt Gerd Holzhauer in die Zukunft. Und sollte es klappen, hofft er, zum 30. Fußballturnier zugunsten der DKMS seine frühere Jugendmannschaft gegen ein Prominententeam spielen zu lassen. Vielleicht schaffe er es ja sogar, das 50. Turnier auf die Beine zu stellen. „Dann bin ich 92, aber das ist mir egal“, meint Gerd Holzhauer lachend. Immerhin, ganz abwegig ist es nicht: Seine Mutter erfreut sich nach ihrer Krebserkrankung 1993 bester Gesundheit. Sie ist inzwischen 95 Jahre alt.