An dem größten Bremer Feuerwehreinsatz der Nachkriegsgeschichte sind auch 209 Feuerwehrleute aus dem Landkreis Osterholz beteiligt gewesen. Bei dem Großbrand auf der Lürssen-Werft stellten die Osterholzer damit ein stattliches Kontingent der rund 900 Einsatzkräfte, die aus Bremen, Hamburg, Schleswig-Holstein und Niedersachsen zusammengezogen worden waren. Im Schwimmdock war am frühen Freitag eine im Bau befindliche große Luxusyacht aus ungeklärter Ursache in Brand geraten. Nach 65 Stunden, am Sonntagabend, waren die komplizierten Löscharbeiten beendet.
Jörg Laude, Vizechef der Kreisfeuerwehr, erinnert sich. Während das Feuer bereits an der Weser wütet, haben rund 100 Schwaneweder Feuerwehrleute bis zum Freitagnachmittag zunächst das Feuer in einem 3000 Quadratmeter großen Putenstall bei Lehmhorst zu bekämpfen. Einsatzleiter Laude hat mit einigen Kollegen also bereits einen Zehn-Stunden-Einsatz in den Knochen, als ihn am Sonnabend gegen 6 Uhr die Polizeidirektion Oldenburg anruft. Es liege wegen des Lürssen-Feuers ein Hilfeersuchen der Bremer Berufsfeuerwehr an die ehrenamtlichen Kollegen aus dem niedersächsischen Umland vor.
Vor allem Atemschutzgeräteträger würden benötigt, erfährt Laude und erwidert, 140 Kräfte könne er stellen, ohne den Grundschutz im Landkreis zu gefährden. Aus jeder Landkreis-Kommune einen Löschzug mit je 20 Männern und Frauen. Gesagt, getan: Laude alarmiert die Gemeindebrandmeister, und am Sonnabend gegen 7.30 Uhr treffen erste Einheiten aus Schwanewede und Ritterhude am Einsatzort ein. Die Halle des Docks ist 200 Meter lang, drinnen befindet sich nach Informationen des WESER-KURIER der Rohbau eines Luxusschiffs namens Sassi, 146 Meter lang.
Jörg Laude, der hauptberuflich im Brandschutz auf der Fassmer-Werft gegenüber arbeitet, schweigt sich auf Nachfrage zu solchen Details aus. Die Kunden verlangen von der Branche höchste Diskretion. Dennoch wird die Bild-Zeitung noch während der Löscharbeiten von mehr als 500 Millionen Euro Schaden schreiben. Dass nicht viel vom Schiff übrig geblieben sein dürfte, kann sich ein Laie auch so ausmalen. Später, als alles vorbei ist.
In Zweier-Teams
Am Sonntagmorgen sortieren sich die eintreffenden Osterholzer zunächst ins Einsatzgeschehen und die Hierarchien vor Ort ein. „Brand auf zwei Decks“ erfahren sie in der ersten Lage-Einteilung, bei der ihnen unter Laudes Führung ein eigener Abschnitt zugewiesen wird. Die Bremer Einsatzleitung lässt Tandems bilden: Jedem Osterholzer wird ein in der Schiffsbrand-Bekämpfung erfahrener Atemschutzgeräteträger an die Seite gestellt, und ab 10 Uhr geht es für die ersten Landkreis-Kräfte an die Brandbekämpfung.
Laude hat im sogenannten Bereitstellungsraum stets einen kompletten Löschzug startklar zu halten; zu Spitzenzeiten, als die Lage brenzlig zu werden droht, sind es vier Züge, die notfalls gleichzeitig loslegen können. Die Yacht hat 90 Tonnen Dieselöl an Bord.
Bis zum Abend werden sich 70 Osterholzer Einsatzkräfte in das verqualmte Schwimmdock und den Rumpf begeben haben, wo bei 800 Grad die Stahlplatten glühen. „Länger als 30 Minuten hält man es nicht aus“, weiß Laude. Jeder Geräteträger muss einen Liter Wasser trinken, bevor er sich mit seiner 35-Kilo-Ausrüstung an den Innenangriff macht, mit Leinen gesichert für den Rückweg. Im Schiffslabyrinth verliert man leicht die Orientierung. „Vorbereiten kann man sich auf so einen Einsatz nicht“, sagt Laude. Nur abrufen, was man gelernt hat und sich daran halten.
Viele Bereiche im Inneren der bereits möblierten Luxusyacht sind zunächst gar nicht betretbar. Mit einem Hochdruckgerät schneiden Spezialisten nun Löcher in die Schiffswände, sodass die Feuerwehr mit sogenannten Löschlanzen gegen die Flammen vorrücken kann. Meter für Meter, Kabine für Kabine fressen sie sich gegen die Flammen voran. „Man kann das Feuer nur dort bekämpfen, wo es ist“, erklärt Laude. „Man muss also da rein.“ In den engen Fluren und Gängen des Schiffsrumpfs wird mit Strahlrohren ein sogenannter Mannschutz aufgebaut: Unter dieser Wasserbrause rücken die frischen Kräfte nach, die erschöpften Helfer ziehen sich zurück.
Am späten Nachmittag sind Hotspots gelöscht, nun geht es an die langwierigen Nachlöscharbeiten. Schutt und Trümmer müssen umgewendet und weiter abgelöscht werden. Weil die Wände noch immer sehr heiß sind, drohen schnelle Rückzündungen. Für den Zeitraum von 18 Uhr bis 1 Uhr werden die Osterholzer Feuerwehrleute in Brandsicherheitswachen eingeteilt. Vor allem die Worpsweder bleiben noch mit Atemschutzgeräteträgern vor Ort, am Sonntag gegen 2.30 Uhr sind die letzten Helfer aus dem Landkreis wieder zu Hause. Und erst am Sonntagabend gegen 19 Uhr wird die Bremer Einsatzleitung „Feuer aus“ melden. „Es ist allerhand Material zu Schaden gekommen“, bilanziert Laude und meint damit die eigene Ausrüstung: „Die Kleidung hat alles gegeben und uns geschützt, aber nun ist sie kaputt.“ Er wirkt erschöpft und zufrieden: „Wir haben auf Augenhöhe mit der Berufsfeuerwehrwehr agiert und viel Anerkennung erfahren“, erzählt der Feuerwehrmann. Stolz mache aber eigentlich etwas anderes: Die Ehrenamtler aus Osterholz hätten quantitativ und qualitativ den großen Bremer Profis auf Augenhöhe helfen können. Und das Helfen sei es doch, warum sich ein jeder von ihnen engagiere: „Unsere Leute können sagen, ich war dabei, war ein Stück dieses besonderen Einsatzes.“ Sie hätten ihren Teil zum großen Ganzen beigetragen. Das spreche für Ausbildungsstand und Leistungsstärke der Truppe.
Es sei „einfach toll“, dass so viele seiner Kameradinnen und Kameraden bereit dazu gewesen seien. Auch jene, die letztlich nicht ins Geschirr mussten, die als Ablösung kamen oder daheim im Landkreis die Stellung hielten. Bemerkenswert sei auch, dass der Einsatz angesichts von Ausmaß, Dauer und Personalaufwand mit vier Leichtverletzten noch glimpflich ausgegangen sei.
Auch Landrat Bernd Lütjen ist stolz auf die freiwilligen Feuerwehren im Landkreis Osterholz. „Der Werftbrand zeigt noch einmal, wie wichtig die ehrenamtliche Arbeit der Feuerwehren ist. Ohne das Engagement der Kameraden wäre die Bekämpfung des Brandes deutlich schwieriger geworden.“ Das Ganze sei schnell, professionell und unbürokratisch vonstatten gegangen.