Nur zwei Jahre hat der Bau der Hamme-Schleuse in Ritterhude beansprucht. Sehr wenig Zeit, wenn man bedenkt, dass sie nun schon seit 150 Jahren Mensch, Natur und Landschaft an diesem rechten Quellfluss der Lesum beschützt, den Stürmen und den Fluten trotzend. Grund genug für den Gewässer- und Landschaftspflegeverband Teufelsmoor (GLV), den runden Geburtstag im kleinen Kreis am Freitag, 12. September, vor Ort gebührend zu feiern.

Blick auf den Motor und die Kette des Schleusentors.
„Sie ist als Tor zum Teufelsmoor ein lebendiges Kulturdenkmal und seit über einem Jahrhundert von großer Bedeutung für die Wasserregulierung in unserer Region. Jeden Tag öffnen sich ihre Tore, und wenn sie erzählen könnte, wer schon alles durch ihre Kammern geschleust wurde, wäre das sicher eine spannende Geschichte unserer Region“, sagt Marc Sommer, Geschäftsführer des GLV.
Nordseeflut drückt landeinwärts
Vor 1875 wurden die Hamme und ihr Einzugsgebiet regelmäßig von Überschwemmungen heimgesucht. Sturmfluten, die von der See über die Weser und die Lesum bis in die Hammeniederung drückten, modellierten die Landschaft. Dabei hinterließen die hereinbrechenden Naturgewalten umfangreiche Schlickablagerungen, die durchaus nicht unwillkommen waren, weil damit die Felder gedüngt wurden. Aber das galt nur während des Winters. In den Sommermonaten blieb das aus Weser, Lesum und Wümme eindringende Wasser natürlich unerwünscht. Durch Sperrwerk und Schleuse wurde die Flut zurückgehalten beziehungsweise reguliert.

Das Wärterhaus der Schleuse in Ritterhude.
Die seit 1985 denkmalgeschützte Trutzburg in der Hamme erhebt sich unweit der Dammbrücke, verfügt über Schleusenkammern von 26 Meter Länge, 6,30 Meter Breite und mehr als vier Metern Höhe. Das Baujahr 1875 fällt in eine Ära, in der auch im deutschen Nordwesten des gerade gegründeten wilhelminischen Kaiserreichs das Zeitalter von Industrie und Eisenbahn begonnen hatte. Doch der Verkehr auf dem Wasserwege hatte seine Bedeutung noch nicht verloren. Die Planer mussten nicht nur an den Hochwasserschutz denken, sondern auch das Durchschleusen der Lastschiffe ermöglichen, die unterschiedliche Wasserstände überwinden mussten.
Reger Schiffsverkehr auf der Hamme
Damals sollen etwa 1500 Kähne auf der Hamme unterwegs gewesen sein – vor allem, um den im Moor gewonnenen Torf zu den Bremer Betrieben und Haushalten zu bringen, die ihn zum Heizen benötigten. Die größten Wasserfahrzeuge waren an die 50 Meter lang. Die Planungen waren anfangs auch auf die Aufnahme solcher Exemplare ausgelegt, doch bei einer der Baumaßnahmen, die in den Folgejahren nötig wurden, wurde die Schleuse wieder verkürzt.
Die 150-jährige Geschichte der Hamme-Schleuse spiegelt also nicht nur die Entwicklungen in der Bewirtschaftung landwirtschaftlicher Flächen wider, sondern auch den Fortschritt bei den Transportmitteln, die auf dem Wasserwege eingesetzt wurden. Immer größere und tiefer gehende Schiffstypen stellten immer höhere Ansprüche an die Zufahrten der Häfen. Davon zeugt vor allem der stetige Ausbau der Unterweser, der zu einem erheblichen Anstieg des mittleren Tidenhubs geführt hat, den Unterschied zwischen durchschnittlichem Hoch- und Niedrigwasser. Die Belastungen für das Siel- und Schleusenbauwerk, das ja weiterhin rund 40.000 Hektar Niederungsfläche vor den Tideeinflüssen der Nordsee schützen soll, sind dadurch erheblich gestiegen.
Das Problem der Sturmfluten
Dass nach der Erfindung des Kunstdüngers die Deiche an Hamme und Wümme erhöht wurden, hatte ebenfalls Konsequenzen für die Ritterhuder Schleuse. Die fehlende Entlastung durch das auf 17 Kilometern Länge über die Deiche strömende Wasser führte zwangsläufig zu höheren Wasserständen an der Schleuse und damit zu einer stärkeren Beanspruchung des Bauwerks.
Immer wieder setzten unterdessen auch verheerende Sturmfluten der Ritterhuder Schleuse zu. Ende Januar 1944 etwa wurde die wasserseitige Wand der Schleusenkammer von der Sohle gerissen und um einen halben Meter verschoben. Die Schleuse ließ sich daraufhin nicht mehr betreiben – und wegen der Kriegsnot zunächst auch nicht auf Anhieb reparieren. Erst 1948 wurden die Arbeiten zur Wiederherstellung aufgenommen, aber von einer erneuten Sturmflut noch während der Sanierung zunichtegemacht.
Die aktuell für den GLV arbeitenden Männer und Frauen vom GLV werden sich nicht mehr an die Zeiten erinnern, als es noch kein Internet gab und man sich in Funk und Fernsehen über die Windverhältnisse informieren musste. Und man ziemlich nervös wurde, wenn sich eine Sturmflut ankündigte. Hochwasser war eine ständig schwelende Bedrohung. Erst der Bau des Sperrwerks an der Lesum Ende der 1970er-Jahre sorgte für die gewünschte Entlastung der Ritterhuder Schleuse.