Er fungierte zwar „nur“ als „Abholer“ und wusste wohl auch nicht genau, wie sein Auftraggeber die Opfer am Telefon dazu gebracht hatte, hohe Summen vor der Haustür zu deponieren. Doch dass er im Herbst 2021 in Ritterhude und Thedinghausen je zweimal auf Anweisung tätig wurde, hat dem 27-jährigen Bremer jetzt eine dreijährige Haftstrafe eingetragen. Nach sechstägiger Verhandlung erkannte die zweite Große Strafkammer des Landgerichts Verden auf vierfache Beihilfe zum besonders schweren Betrug, wobei es in einem Fall beim Versuch geblieben war.
Es war der Fall, der dem mehrfach auch einschlägig vorbestraften Angeklagten an jenem 27. Oktober zum Verhängnis geworden war. Der junge Mann, an dessen Adresse in Thedinghausen er am Vortag schon auftragsgemäß 28.000 Euro abgeholt hatte, war nämlich mit etwas Verspätung höchst skeptisch geworden. Er hatte die „echte“ Polizei eingeschaltet und dem hartnäckigen Anrufer, einem angeblichen Bremer Beamten versichert, er habe weitere 25.000 Euro besorgt. Die Fahrt zur Sparkasse im Ort hatte er zum Schein mit einem Polizisten, der sich versteckt im Wagen befand, tatsächlich unternommen.
Angeklagter legt Geständnis ab
Der Drahtzieher im Hintergrund, in der Szene als "Keiler" bezeichnet, schickte prompt seinen Gehilfen los, um auch dieses Geld an sich zu bringen. Der Angeklagte tappte in die Falle und wurde vorläufig festgenommen. Zu diesem Zeitpunkt hatten die Ermittler auch schon Kenntnis von ganz ähnlich gelagerten Betrugstaten, die sich knapp zwei Wochen zuvor in Ritterhude zugetragen hatten. Ein 78-jähriger, inzwischen verstorbener Mann aus Ritterhude war, wie berichtet, ebenfalls auf die perfiden Machenschaften des so fürsorglich wirkenden Anrufers hereingefallen und hatte sich verleiten lassen, insgesamt 60.000 Euro herausgegeben.
Ihm war weisgemacht worden, eine „Rumänenbande“ treibe in der Nähe ihr Unwesen, habe es auch auf sein Vermögen abgesehen und arbeite mit einem korrupten Angestellten der Kreissparkasse Osterholz zusammen. Der erste geplante Coup war gescheitert, weil die Kasse der Filiale in Ritterhude schon geschlossen hatte und der Senior nicht mehr an die geforderten 20.000 Euro herankam. Am nächsten Tag sollten es schon 25.000 Euro sein, am übernächsten gar 35.000 Euro. Um diese Beträge von seinem Sparbuch abzuheben, fuhr der Geschädigte nun per Taxi in die Kreisstadt. Dort war man bereits argwöhnisch geworden, weil der Kunde erklärt hatte, das Geld sei für seine Enkel bestimmt – Stichwort: Enkeltrick.
Als der Senior noch einmal auftauchte und nun gar 45.000 Euro begehrte, wurde nicht lange gefackelt und die Polizei eingeschaltet. Diesmal hatte der 78-Jährige auf Nachfrage angegeben, er wolle Handwerker für ihre Leistungen bar bezahlen. Während die polizeilichen Ermittlungen schon liefen, ging es in Thedinghausen los. Der erste Anruf des so besorgt klingenden „Polizisten“ hatte eigentlich den Eltern des Geschädigten gegolten. In der Nähe sei ein Ehepaar Opfer eines Raubüberfalls geworden, erfuhr der Sohn, und auf einem am Tatort gefundenen Zettel stünden auch die Namen seiner Eltern. Die üblen Dinge nahmen ihren Lauf.
Der Angeklagte hatte zum Auftakt der Verhandlung lediglich die Tat eingeräumt, bei der er geschnappt worden war und die nun als Betrugsversuch gewertet wurde. Im Verlaufe der Beweisaufnahme dämmerte ihm aber wohl, dass es besser wäre, gründlich „auszupacken“. Das umfassende, von Reue getragene Geständnis wurde ihm bei der Strafzumessung auch zugutegehalten. Die Staatsanwaltschaft hatte drei Jahre und neun Monate Haft sowie die Einziehung des „Wertes des Taterlangten“ beantragt, mithin 88.000 Euro.
Dies bleibt dem schon reichlich gebeutelten Bremer aber buchstäblich erspart. Denn jede Geldbeute ging, möglicherweise über einen Mittelsmann, umgehend an den Auftraggeber. Er selbst erhielt offenbar keinen Cent. Er habe „keine eigene Verfügungsmacht“ über das Geld gehabt, hieß es in der Urteilsbegründung. Auf die risikoreiche Tätigkeit als „Abholer“ hatte sich der Angeklagte eingelassen, um 4000 Euro Schulden „abzuarbeiten“, die er bei dem gesondert verfolgten „Keiler“ hatte.