Mit dem Aufkommen des Videos begann das Kinosterben. DVD, Flachbildschirm, Surround-Anlage und Beamer ermöglichen es seitdem, das eigene Wohnzimmer ins immer perfektere Heimkino zu verwandeln. Bei aller Technik: 100-prozentige Kino-Atmosphäre kommt trotzdem nicht auf. Oder wie es ein Stammgast des Ritterhuder „Kuschel-Kinos“ formulierte: „Hier kann ich gemeinsam lachen“.
Dass die Ritterhuder diese Möglichkeit haben, verdanken sie dem Engagement des Freundeskreises Ritterhuder Lichtspiele. Als das Kino 2011 wegen zu niedriger Besucherzahlen schließen musste, schalteten die Cineasten eine Traueranzeige für ihr Lichtspielhaus und sammelten 1400 Unterschriften, um es als kulturellen Treffpunkt zu erhalten. Mit Erfolg: Heute wird das Kino von der Ritterhuder Tourismus und Veranstaltungen GmbH, einer Tochter der Gemeinde, betrieben. Mit Leben gefüllt wird es vom Freundeskreis. Acht Jahre nach dessen Gründung gehören Ute Meyer-Rieke, Ilse und Rolf Okken, Roland Saade, Ilse Wöhler sowie Karsten Koll dazu. Mit Holger Ewald, der das Kino auf 450-Euro-Basis nebenberuflich leitet, sorgen sie dafür, dass sich dienstags und mittwochs sowie zu allen Sondervorführungen die Vorhänge in den beiden kleinen Kinosälen heben.
Besucherzahlen verdoppelt
Und was dort gezeigt wird, ist alles andere als verschlafen, angestaubt oder provinziell. Ebenso wenig, wie es reiner Mainstream ist. „Wir sind eher ein Filmkunst-Kino“, meint Roland Saade. Was das bedeutet, entscheidet der Freundeskreis autonom und unbeeinflusst von großen Film-Verleihen. Muss er auch: Für deren digitales Film-Format fehlt den Ritterhudern die passende Technik. „Wir haben kein DCP“, erklärt Holger Ewald. Trotzdem – oder vielleicht gerade deshalb – kommt ihr Programm bei den Kinogängern an. „Gleich im ersten Jahr nach der Wiedereröffnung hatten sich die Besucherzahlen verdoppelt“, sagt Roland Saade.
Ihr Gespür für gute Filme ist auch Nordmedia, der Medienfördergesellschaft der Länder Niedersachsen und Bremen, nicht entgangen. „Zum vierten Mal in Folge haben wir dieses Jahr deren Kinoprogrammpreis in der Kategorie ‚nicht-kommerzielles Kino‘ verliehen bekommen“, berichtet Ewald. Das Jahresprogramm des Freundeskreises Ritterhuder Lichtspiele sei „hervorragend“, bezeugt ihnen Nordmedia. Und wie die Kinobesucher zu ihrer Filmauswahl stehen, weiß der Freundeskreis aus erster Hand: „Es gibt zum Beispiel einen Stammgast aus Bremen, der kommt, ohne sich über die Filme informiert zu haben; er sagt: ‚Ihr habt immer was Gutes im Programm‘“, berichtet Roland Saade.
Dafür mussten die Cineasten allerdings nicht allein ein Gespür für den Film-Geschmack ihres Publikums entwickeln, sondern zu regelrechten Detektiven werden: „Es ist manchmal gar nicht so einfach, herauszufinden, wer gerade die Rechte an einem Film besitzt“, sagt Ilse Okken. Das betreffe vor allem die älteren Filme. „Da fragen wir dann bei denen nach, bei denen wir sie vermuten, oder wir bekommen von anderen Kinos, die den Film kürzlich im Programm hatten, einen Tipp“, erzählt Rolf Okken. Vor dieser Herausforderung standen die Sechs auch bei ihrer neuen Freitagsfilm-Reihe, die am 25. Oktober um 20.15 Uhr an den Start geht. „Wir hatten die Idee, DDR-Filme zu zeigen“, erzählt Ilse Okken. 30 Jahre nach dem Mauerfall habe sich das angeboten, erklärt Ute Meyer-Rieke.
Tatsächlich hätten sie kaum einen dieser 950 Defa-Filme gekannt, räumen sie ein. 30 von ihnen wollten sie in die engere Auswahl nehmen. Sechs Filme brauchten sie letztlich für die Reihe. „Als wir diese 30 zusammen hatten, wurde es interessant“, sagt Meyer-Rieke. Nur bei einem waren sich die Cineasten von Anfang an einig: „Ganz klar, ‚Spur der Steine‘ musste dabei sein; alle kennen schließlich Manfred Krug“, sagt Rolf Okken. „Es gab interessante Diskussionen über die Filme“, bestätigt Saade. Ein Grund, warum sie alle so viel Spaß an dem Freundeskreis hätten. Ein anderer: Die Reaktionen der Kinogänger, die miteinander diskutierten, lachten oder - wie zum Beispiel beim Klassiker „Große Freiheit Nummer 7“ - gemeinsam laut mitsängen.
Nach neunmonatiger Vorbereitung steht nun die Liste der Freitagsfilme. Den Auftakt macht in diesem Monat „Solo Sunny“. Es folgen: „Die Mörder sind unter uns“, „Die Spur der Steine“, „Das Fahrrad“, „Karla“ und „Die Legende von Paul und Paula“. Bis auf Dezember, der Monat in dem die Reihe aussetzt, laufen die DDR Filme stets am letzten Freitag im Monat zur üblichen Kuschel-Kino-Zeit: 20.15 Uhr. Nicht Teil der Freitagsfilm-Reihe, aber passend zum Thema, wird am Dienstag, 12. November, der Defa-Film „Nackt unter Wölfen“ im Kino gezeigt.
„Die Defa-Filme sind damals zu DDR-Zeiten kaum bei uns gelaufen“, bemerkt Ilse Okken. Deshalb hätten sie extra für diese Freitagsfilm-Reihe eine kleine Broschüre mit Informationen zu den Filmen und zum Kino in der DDR zusammengestellt. Daraus erfahren die Kinogänger unter anderem, dass nicht nur „Spur der Steine“, sondern auch „Karla“ nie in die Kinos der DDR kam. Mit dem Prädikat „besonders schädlich“ verschwanden beide Filme bis zum Ende des Regimes im „Giftschrank“.
Das aktuelle Programm der Ritterhuder Lichtspiele gibt es im Internet unter www.ritterhuder-lichtspiele.de.
Sondervorführung
Von Stammgästen der Ritterhuder Lichtspiele bereits sehnlichst erwartet, findet am Sonntag, 15. Dezember, wieder das Frühstückskino im Hamme-Forum statt. Das Frühstück ist für 10 Uhr geplant, damit sich um 11 Uhr der Vorhang für den Film-Klassiker „Die Züricher Verlobung“ mit Liselotte Pulver heben kann. Erstmals sind Karten dafür nur im Kino zu den Öffnungszeiten an der Kasse zu erwerben, teilt der Freundeskreis mit. Maximale Teilnehmerzahl: 59. Der Vorverkauf läuft.