Ritterhude. Peter Bald hat seinen Arbeitsplatz immer im Blick. Und den lässt der 57-Jährige keine Sekunde aus den Augen. Auch nicht während dieses Frühstücks. Immer wieder schaut er über den gepflegten Garten hinweg auf die andere Seite des kleinen Weges. Dort steht die Ritterhuder Schleuse, erbaut 1874 bis 1875. Peter Bald ist einer von zwei Mitarbeitenden des Gewässer- und Landschaftspflegeverbands (GLV) Teufelsmoor, die sich um das Bauwerk kümmern, das seit 1985 unter Denkmalschutz steht. Der Verband betreibt die Schleuse. Nicht nur Peter Bald, auch sein Kollege wohnt in Blickweite – Arbeitsweg schätzungsweise 150 Meter.
Für ein Frühstück auf der Terrasse ist dieses Fleckchen Erde ideal. Das Frühstück ist eine Familienangelegenheit, denn nicht nur Peter Bald, auch seine Frau Gaby und die eineinhalbjährige Pinscher-Hündin Kira sind dabei. Während letztere drinnen bellt, begrüßt Gaby Bald den Besuch. Ihr Mann kommt schnurstracks von der Schleuse herüber. Heute, an einem ungeraden Datum, hat er Dienst. Der beginnt gewöhnlich um 6 Uhr. Peter Balds erste Aufgabe an jedem Arbeitstag ist die Kontrolle des Wasserstandes beziehungsweise dessen Regulierung. An diesem Tag liegt das vorgegebene Wasserstandsziel bei 64 Zentimetern im Mittel.
Quereinsteiger
Peter Bald greift zu seinem Brötchen, seine Frau schenkt frischen Kaffee ein. Gelernt habe er Tischler. Aber nach der Ausbildung sei die Lage auf dem Arbeitsmarkt nicht allzu prall gewesen. Also bewarb sich Peter Bald beim GLV – und wurde genommen. Es folgte eine dreimonatige Einarbeitungsphase. Peter Bald merkte schnell: An der Schleuse in der Hamme - an der Schnittstelle zwischen Tide- und stehendem Gewässer - zu arbeiten, ist sein Traumjob. Inzwischen ist es mehr. „Mittlerweile ist es nicht nur mein Traumjob, es ist mein Leben.“
Was dies unter anderem bedeutet, wird im Gespräch schnell klar. Während in den 1990er- und 2000er-Jahren so gut wie niemand über die Vereinbarkeit von Familie und Beruf sprach, ist es bis heute für Peter Bald kein Problem. „Ich habe meine Kinder groß werden sehen“, blickt er mit einem Lächeln zurück.
Für Gaby Bald war es nicht ganz so einfach. Die gebürtige Worpswederin bezeichnet sich selbst als sehr orts- und heimatverbunden. Von daher sei ihr der Umzug nach Ritterhude schwergefallen. Peter Bald machte das neue Leben weniger Probleme – zumal er in Ritterhude aufgewachsen ist. Aber völlig unabhängig davon gilt für ihn: „Heimat ist dort, wo ich glücklich bin.“ Derzeit sei es eben an der Schnittstelle von Wasser-Marschenblick.
Moderne Technik
Zu tun gibt es an der Schleuse einiges. Den mittleren Wasserstand zu halten, erfordert den ständigen Blick auf die Entwicklung des Wetters. Dies sei heute mit den öffentlich zugänglichen Portalen im Internet einfacher als noch vor einigen Jahren. „Ich habe abends die Wetterkarte der Tagesschau angeschaut und mich danach gerichtet“, erzählt er. Dabei darf es ein Brötchen mit dick bestrichener Marmelade sein. „Mein Mann isst eigentlich nichts anderes“, wirft Gaby Bald lächelnd ein. Aber Gekauftes, nein, das komme bei ihr fast gar nicht auf den Tisch – sie kocht alle Marmeladensorten selbst ein. Sie verrät, dass sie demnächst eine Wintermarmelade ausprobieren möchte: mit Walnuss und Marzipan.
Während Peter Bald genüsslich in sein Brötchen mit der üppig aufgetragenen Maracuja-Marmelade beißt, erzählt er eine der zahlreichen Anekdoten, die ihm in Erinnerung geblieben sind: In die Schleuse war ein Ehepaar mit ihrem kleinen Segelboot eingefahren. Die Frau wollte das Fahrzeug mit dem Haken an die Schleusenwand ziehen. Jedoch: Ihr Mann machte einen der üblichen Fahrfehler und seine Gattin fiel ins Wasser. Doch statt seiner Frau zu helfen, rief er: „Mein Bootshaken, wo ist mein Bootshaken?“ Wohlgemerkt: Diese Geschichte hatte sich im frühen Herbst zugetragen, da war die Wassertemperatur nicht mehr allzu hoch.
Fahrfehler in der Schleuse? Peter Bald nickt. Weil es auf der Seite zur Lesum hin Hoch- und Niedrigwasser gibt, aber auf der Teufelsmoor-Seite nicht, hätten Segelboot- und Kajakfahrer wegen der entstehenden Strömung Probleme. Dadurch würden sie Fahrfehler machen – die im Zweifelsfall dazu führten, dass die Gattin oder eben andere Personen im Wasser landen könnten.
Dank kommt an
Knapp 30 Jahre Tätigkeit an der Ritterhuder Schleuse – da kennt Peter Bald viele Menschen. Das Kuriose daran: Von den wenigstens weiß er den Namen. „Ich erkenne sie meistens anhand ihrer Boote“, sagt er bei einem Schluck Kaffee. Sich die Namen anhand von Eselsbrücken zu merken, wie es seine Frau vorschlägt, ist aber nicht sein Ding. Mit den Booten klappe es besser, zumal es sowieso meistens Freizeitschiffer sind, die die Schleuse passieren. Die Liebsten von ihnen sind dem Schleusenmann jene, die sich bedanken.
„Die meisten rufen an und geben eine ungefähre Ankunftszeit durch“, bemerkt Peter Bald. So könne er sich darauf für seinen Dienst vorbereiten – und zwischendurch schnell zu Hause einen Kaffee trinken.