Deutschlands Kommunen schreiben tiefrote Zahlen. Laut Bertelsmann Stiftung verbuchten sie 2024 mit rund 25 Milliarden Euro das größte Defizit der bundesdeutschen Geschichte. Auch Ritterhude passt in dieses Bild. Bei steigenden Kosten für Pflichtaufgaben bleiben immer weniger Mittel für freiwillige Leistungen wie etwa die Gemeindebücherei. Letzteres ein Angebot, das aus Sicht der Ritterhuder Büchereileitung an die heutigen Kunden-Bedürfnisse angepasst werden sollte – in Form eines dritten Ortes. Der Rest der Verwaltung sieht dies ähnlich, allerdings mit anderem Ergebnis: Die Gemeindeverwaltung empfiehlt der Politik, den Standort an der Riesstraße zugunsten zweier öffentlicher Bibliotheken in den Ganztagsschulen Ihlpohl und Jahnstraße aufzugeben und legt den Entwurf dem Rat am 11. September zur Abstimmung vor.
Die Verwaltung hat derweil die Bilanz für 2024 präsentiert. In der dazugehörigen Sitzungsunterlage ist nachzulesen, dass die Ausleihen weiter gestiegen seien. Nach einem Einbruch während der Pandemie hätten sie nun die Zahl von 2019 übertroffen.

Zurzeit ist die Bücherei der Gemeinde Ritterhude an der Riesstraße zu finden, in den ehemaligen Räumen der Freiwilligen Feuerwehr.
Wir sehen uns zwischen Baum und Borke", geht Jan Sörnsen, zuständiger Sachgebietsleiter für Bildung der Gemeinde Ritterhude, auf die Verwaltungsempfehlung ein. Die Gemeindebücherei sei eigentlich zu klein, um attraktiv zu sein. Und das nächste Konkurrenzangebot, die Bremer Stadtbibliothek, liege in Bremen-Nord. Doch um richtig groß zu werden, "dafür ist Ritterhude zu klein." Folge: Die Gemeinde müsse jedes ausgeliehene Buch mit 10 Euro subventionieren.
Angesichts der Digitalisierung und des Wandels im Leseverhalten stelle sich ihm die Frage, wie lange das aktuelle Büchereikonzept noch trage? Kritischer sieht er die Situation insbesondere vor dem Hintergrund der Einführung der Ganztagsschule. Schließlich seien die Hauptnutzer der Gemeindebücherei Schüler und Familien. Doch mit Beginn des Schuljahres 2026/27 werden die Schüler ganztägig an den Grundschulen betreut. Zunächst nur die ersten Klassen. Ab dem Schuljahr 2029/30 gilt dieses Angebot für alle Grundschulklassen. "Kommen dann die Grundschüler überhaupt noch in die Bücherei?", gibt Sörnsen zu bedenken.
Genau jetzt, da die Gemeinde an den Plänen für die künftigen Ganztagsschulen sitzt, hätten sie "die Chance, die Bibliothek auf andere Füße zu stellen", wirbt er für den Vorschlag. Sörnsen verweist darauf, dass Schulen Büchereien bräuchten. Diese zu bestücken, fällt in die Zuständigkeit des Schulträgers. Der Sachgebietsleiter spricht daher von möglichen Synergien. Auch könnten zum Beispiel der Ganztagsbetrieb und Lehrer die Räume der Bücherei nutzen. In einer früheren Ausschusssitzung hätten die Kommunalpolitiker zudem darauf gepocht, dass der Medienbereich für Erwachsene erhalten bleiben solle ebenso wie die Möglichkeit, weiterhin Veranstaltungen in der Bücherei anzubieten.
Jan Sörnsen versichert diesbezüglich, dass die Empfehlung der Verwaltung vorsieht, die Büchereien in den Ganztagsschulen öffentlich zugänglich zu machen – auch außerhalb der Unterrichtszeiten. Schriftlich legt die Verwaltung in ihrem Konzept weiter dar, dass die neuen Bibliotheken "in erster Linie auf die Zielgruppe der Vor- und Grundschulkinder und die Bedürfnisse von Familien ausgerichtet sein" sollen. Nachmittags könnten dann schwerpunktmäßig Veranstaltungen für Vorschulkinder und Eltern angeboten werden.
Modernes Sicherungssystem
Eine im Konzept angesprochene Frage betrifft außerdem die "personelle Ausstattung". Schließlich würde es sich nicht länger um einen, sondern um zwei Standorte handeln, die an mindestens vier Nachmittagen erreichbar und geöffnet sein sollten: "Eine öffentliche Bibliothek erfüllt ihren Auftrag erst dann, wenn sie öffentlich zugänglich ist." Allerdings müssten die Mitarbeiter an beiden Standorten mit Nutzerdaten hantieren. Stichwort: Datenschutz. Deshalb schlägt die Verwaltung vor, über die Einführung von RFID nachzudenken. "Dieses Sicherungssystem ermöglicht die Einführung von Selbstverbuchung und ist im nächsten Schritt eine Voraussetzung für das Angebot einer sogenannten Open Library."