Der Raum, in dem die Teilnehmenden den Anweisungen Suada Niesporeks folgen, ist abgedunkelt. Draußen ist es heiß. Und doch wird hier Sport getrieben. "Die beste Möglichkeit, sich für heißes Wetter fit zu machen, ist, das ganze Jahr in Bewegung zu sein", heißt es auf der Homepage der Deutschen Herzstiftung. Hitzewelle hin oder her, beim Turnverein Schwanewede läuft der Koronarsport – seit mittlerweile zehn Jahren und immer in Begleitung eines Arztes.
"Bewegung ist das A und O", weiß mittlerweile auch Karla Weiß. 2019 hatte die Meyenburgerin, die Anfang Juli ihren 76. Geburtstag feiert, einen Herzinfarkt. Erst Krankenhaus, dann Reha-Klinik, jetzt Herz-Kreislauf-Training. "Das Herz ist ein Muskel. Wird der nicht bewegt, erschlafft er", hat Karla Weiß schon in der Reha-Klinik gelernt und ist froh, dieses Bewegungsangebot vor Ort gefunden zu haben.
Notfall-Set und gute Gemeinschaft
Wenn Karla Weiß auch die warmen Temperaturen merkt, und weiß, dass sie es bei Hitze langsamer angehen lassen und viel trinken muss: "Ich fühle mich gut aufgehoben", sagt sie zum Koronarsport. Das liege nicht nur an dem Notfall-Set, dem Mediziner, der sie alle betreue, oder an Suada Niesporek, der Kursleiterin "die uns alle so wunderbar motiviert". Das liege auch an der Gemeinschaft, daran, dass man sehe, auch andere seien betroffen, "das hilft beim Angstabbau". Karla Weiß will weitermachen, "wenn nicht durch die Verordnung der Krankenkasse, dann als Selbstzahler. Man gibt so viel Geld für unnütze Dinge aus. Hier ist es sinnvoll angelegt."
Durch extreme Hitze weiten sich die Gefäße und dadurch sinkt der Blutdruck. Auch der Flüssigkeitsverlust steigt durch das vermehrte Schwitzen. Beides führt zu Unwohlsein und Schwindel. Aufpassen sollten bei höheren Temperaturen daher Menschen, die bereits Herz-Kreislauf-Erkrankungen haben. Laut Statistischem Bundesamt ist die häufigste Todesursache in Deutschland eine Erkrankung des Kreislaufsystems. Mit rund 338.000 Toten im Jahr 2020 seien Herz-Kreislauferkrankungen – vor allem ischämische Herzkrankheiten und Herzinfarkte – somit für mehr als ein Drittel der 985.500 Todesfälle verantwortlich gewesen.
"Schwerwiegende Probleme" hatte Wigand Bürgener während des Herzsportes bislang nicht zu beklagen. "Mal ein Pflaster aufkleben, Blutdruck oder Puls messen", seien seine Aufgaben gewesen. Der Internist mit Weiterbildung zum Intensivmediziner war Oberarzt im Klinkum Bremen-Nord, ist jetzt im Ruhestand und wechselt sich alle zwei Wochen mit einem Kollegen ab. "So trainiere ich alle 14 Tage beim TV Schwanewede in allen drei Koronargruppen", sagt Bürgener und freut sich über die dreifache Trainingseinheit. Der 72-Jährige ist seit Beginn des Schwaneweder Herz-Kreislauf-Sportangebotes als Betreuer dabei, ist auch beim TV Vegesack im Herz-Kreislauf-Training.
20 verschiedene Kurse
Die "ärztliche Betreuung" im Herzsport regelt im Übrigen eine Rahmenvereinbarung unter anderem zwischen Sportverbänden und Krankenkassen. Die Koordination der "Arzteinsätze" in Schwanewede übernimmt Manfred Braun, der schon vor zehn Jahren gemeinsam mit dem Vorstand des TV Schwanewede und der Übungsleiterin Suada Niesporek das Angebot ins Leben rief. Der damals 70-jährige Facharzt machte da nach eigenen Angaben noch die Übungen mit, heute übernehmen das neben Wigand Bürgener noch ein Kollege sowie eine Ärztin aus Bremen-Nord. "Ihnen, aber auch dem Vorstand und den Teilnehmenden gilt mein Dank", gibt Suada Niesporek, die insgesamt 18 der 20 angebotenen Rehasport-Kurse mit gut 300 Teilnehmenden selbst betreut, einen kurzen Gesprächsbeitrag und ist schon wieder mit den nächsten Teilnehmern beschäftigt.
So auch mit Ortwin Sellmann. Der 51-jährige hatte vor zwei Jahren eine Lungenembolie, kam ins Krankenhaus. Der Covid-Verdacht bestätigte sich glücklicherweise nicht, doch "die eine Nacht auf der Isolierstation" vergisst er nie, und seit der Erkrankung "bekomme ich schlecht Luft, geht mir regelmäßig die Puste aus". Er bekam eine Verordnung über zwei Jahre für Herz-Kreislauf-Training. Der Blumenthaler, der an der Landesgrenze wohnt, ist nun seit einem Jahr in Schwanewede dabei. So ganz langsam klappe das eine oder andere wieder, "Spazieren gehen, eine kleine Fahrradtour", da habe sich seine Tochter sehr gefreut.
Gruppeneinteilung nach Leistungsspektrum
Die drei Gruppen an diesem Vormittag sind im Übrigen in verschiedenen Leistungsspektren eingeteilt. "Je nach Vorerkrankungen und Voraussetzungen beziehungsweise Vorgaben des Kardiologen", erklärt Mediziner Bürgener die Hintergründe. Die Leistungsfähigsten trainieren zuerst.
"Bewegung, die zielgerichtet, regelmäßig, mit moderater Intensität und einem Mindestumfang von zweieinhalb Stunden pro Woche durchgeführt wird, stellt gesichert einen zentralen Schutzfaktor für die Gesundheit dar. Besonders ein Training des Herzkreislauf-Systems, beispielsweise durch Walking, Laufen, Radfahren oder Schwimmen, ist präventiv gegen Erkrankungen wie Bluthochdruck wirksam", verdeutlicht auch Suanne Mechler, Sprecherin der AOK Niedersachsen. Auch in der Rehabilitation gelte gezielte und regelmäßige Bewegung als wichtiger Faktor für die Gesundung und Gesunderhaltung. "Sportvereine als flächendeckend agierende Anbieter von Gesundheits- und Rehasport spielen dabei eine besonders wichtige Rolle. Gut ausgebildete Übungsleiterinnen und Übungsleiter bieten in Sportvereinen vielfältige Bewegungsmöglichkeiten in der Region für Jung und Alt", so Mechler.