Herr Köpke, die Kreisjägerschaft Osterholz besteht seit 75 Jahren, aber es gab Vorläufer, die von den Nationalsozialisten gleichgeschaltet und nach Kriegsende aufgelöst wurden. Was weiß man über den Neuanfang 1947?
Martin Kai Köpke: 1945 wurde der Waffenbesitz verboten und damit war die Jagd zunächst mal unmöglich. Zwei Jahre später hat sich die Jägerschaft neu gegründet und langsam wieder aufgebaut, aus der Zeit davor haben wir nur wenige Dokumente. Wir wissen aber, dass die Gebietskörperschaften und -grenzen ganz andere waren.
Was waren damals, zwei Jahre nach Kriegsende, die dringlichsten Aufgaben?
Auch darüber gibt es nur wenige Aufzeichnungen. Wir können aber nachvollziehen, dass vor allem Lebensmittelgewinnung eine erhebliche Triebfeder war. Sicherlich war es wichtig, die Jagd wieder zu organisieren und so etwas wie eine Abschussplanung aufzustellen. Ich denke aber auch, dass seinerzeit das Thema Geselligkeit eine große Rolle gespielt hat. Man wollte sich wieder treffen und austauschen.
Zwar unter anderen Vorzeichen, aber doch vergleichbar mit heute?
Das stimmt. Wir haben in den vergangenen beiden Jahren natürlich auch gespürt, wie sehr das Vereinsleben gelitten hat.
Wie haben sich die Aufgaben seit 1947 verändert?
Hege war sicher schon immer ein Thema, aber ich glaube, der Naturschutz hat immer mehr an Bedeutung gewonnen. In den vergangenen 20 Jahren haben wir unsere Öffentlichkeitsarbeit sehr intensiviert, das war 1995, als ich meinen Jagdschein gemacht habe, noch kaum ein Thema.
Ist es Teilen der Bevölkerung immer noch schwer vermittelbar, dass sie zum Naturschutz beitragen?
Nein, das ist nicht meine Wahrnehmung. Wir haben schon vor vielen Jahren damit begonnen, in Kindergärten und Grundschulen über unsere Tätigkeit zu informieren. Wir haben ein Infomobil, mit dem wir bei Veranstaltungen präsent sind, und bieten viele Führungen an, die meist sehr schnell ausgebucht sind. Die Resonanz ist eigentlich immer sehr positiv. Wir haben in den vergangenen Jahren einen großen Zulauf bei jungen Jagdscheinanwärtern, das ist ungebrochen. Da gibt es inzwischen Wartelisten, weil wir gar nicht so viel ausbilden und prüfen können.
Ist es so, dass es viele Menschen gibt, die weiter Fleisch essen wollen, aber nicht aus Massentierhaltung, und die deswegen einen Jagdschein machen?
Definitiv. Wir fragen bei neuen Lehrgängen immer nach der Motivation der Teilnehmer. Dieses Argument ist nach meiner Wahrnehmung für mehr als ein Drittel von ihnen entscheidend.
Haben Sie, anders als viele Vereine, keine Nachwuchssorgen?
Haben wir nicht, wir wachsen! Wie andere Vereine auch haben wir eher das Problem, Mitglieder zu gewinnen, die auch Verantwortung innerhalb der Jägerschaft übernehmen wollen.
Sie haben bei den vergangenen Vorstandswahlen keinen ersten Vorsitzenden gewählt, warum?
Weil es keinen Kandidaten gab. Das ist keine ganz einfache Position und es steckt eine Menge Arbeit dahinter. Allein durch das Entstehen der vielen Schutzgebiete mussten wir in den vergangenen Jahren unzählige Termine wahrnehmen, wir haben das dann im Vorstandsteam aufgeteilt. Für die Zukunft wünschen wir uns aber schon, dass wir jemand finden, der den Vorsitz übernimmt.
Wie stehen Sie zu privaten Jagdschulen?
Das sehe ich vor allem als ergänzendes Angebot für Menschen, die beruflich so eingespannt sind, dass sie nicht ein halbes Jahr lang eine Ausbildung bei uns machen können. Die bekommen die Lernmaterialien im Vorfeld und dann einen Crashkurs über zwei Wochen. Die Prüfung ist dann für alle gleich.
Inwiefern haben sie mit Anfeindungen oder auch Sabotage, beispielsweise an Hochsitzen, zu tun?
Das kommt hier sehr selten vor, eigentlich ist es kein Thema für uns. Das ist in anderen Jägerschaften extremer.
Ein Punkt, an dem sich so etwas oft festmacht, ist der Wolf. Stimmt das Gerücht, dass Jäger auch dann, wenn eine Entnahmegenehmigung vorliegt, sich aus Angst vor Repressalien gegen einen möglichen Abschuss entscheiden?
Ja, das ist so. Es hat in der Vergangenheit Fälle gegeben, wo die Schützen massiv bedroht worden sind. Aber es ist auch schwierig, Wölfe überhaupt zu sichten. Ich habe in meinem ganzen langen Jagdleben ein einziges Mal einen Wolf zu Gesicht bekommen. Sich bewusst irgendwo hinzusetzen, um ihn zu erlegen, wird schwierig sein. Ich kann das im Moment auch niemandem empfehlen. Ich selber würde es auch nicht tun.
Wie beurteilen Sie die aktuelle Lage, gerade im Bereich Schwanewede?
Wir haben hier erhebliche Probleme, und die Stimmung ist sehr aufgeladen. Wir werden viel darauf angesprochen, die Leute fragen, wann denn endlich etwas passiert. Aber wir haben keine Handhabe, auch wenn der Wolf jetzt dem Jagdrecht unterliegt. Aus meiner Sicht geht es so nicht mehr weiter, aber da muss das Land reagieren. Wie das dann im Einzelnen aussehen soll, weiß ich nicht, die Jägerschaften sind da nicht mit einbezogen. Ich kann nur sagen, dass ich es so nicht mehr mittragen kann. Das ist für sämtliche Tierhalter ein erhebliches Problem.
Wie stehen Sie zu Schutzvorkehrungen für Nutztiere?
Wie sieht unsere Landschaft denn aus, wenn wir überall Zäune ziehen? Wir haben ja nicht nur Nutztiere, wir haben auch Wildtiere, die kommen auch über keinen wolfsicheren Zaun mehr rüber und könnten sich nicht mehr frei bewegen. Ich denke, langfristig werden wir zu dem schwedischen Modell kommen müssen, nach dem es eine Quote für Wölfe gibt.
Inwiefern treibt sie das Thema Schießstand Waakhausen weiter um?
Gar nicht, weil wir dort nicht mehr involviert sind. Es ist ja kein Geheimnis, dass wir seinerzeit gerne die Anlage gekauft hätten. Wir hätten dann auch sofort begonnen, zu sanieren. Dieser Plan ist gescheitert. Im Moment gibt es keine Berührungspunkte, aber natürlich hätten wir ein Interesse daran, dass wir dort wieder schießen können. Aber ich unterstelle nach den letzten Beschlüssen in Worpswede, dass die Anlage keine Zukunft mehr hat.
Befürchten Sie, dass die Jägerschaft für die Sanierungskosten noch herangezogen wird?
Nein, dafür gibt es keine Grundlage. Wir waren nie Eigentümer, wir waren nur Mitglied im Betreiberverein. Da gibt das Vereinsrecht nichts her.
Wie sieht es mit dem Schießnachweis aus, ab wann müssen Jäger regelmäßig nachweisen, dass sie sicher mit der Waffe umgehen können?
Der Nachweis ist mit der letzten Novelle des Jagdrechts beschlossen worden, aber es gibt noch keine Verordnung, wie er umgesetzt werden soll. Für die Teilnahme an Treib- und Drückjagden ist dann ein Übungsnachweis – aber kein Leistungsnachweis – zu erbringen. Näheres wissen wir noch nicht, aber ich rechne damit, dass es dieses Jahr noch kommt. Das wird dann sicher schwierig, denn allein in Niedersachsen gibt es über 50.000 Jäger, und die Anzahl der Schießstände ist überschaubar.
Befürchten Sie, dass viele altgediente Jäger das nicht mitmachen wollen und wortwörtlich die Flinte ins Korn werfen?
Ja, da bin ich mir relativ sicher. Das wird passieren, allein, wenn ich schon hin und zurück über 200 Kilometer zum nächsten Schießstand fahren muss. Aber wir können das noch nicht einschätzen, weil die Informationen noch gar nicht überall angekommen sind. Aber grundsätzlich gilt: Es schadet nicht, zu üben.