Wie sehr das Thema Wolf die Menschen in Schwanewede bewegt, zeigte der Andrang im Ratssaal. Über 100 Landwirte sowie andere Bürgerinnen und Bürger waren gekommen, um mit Niedersachsens Umweltminister Olaf Lies über das zu diskutieren, was ihnen Angst macht: die zunehmenden Risse von Schafen, Ziegen, auch Rindern, die nachweislich oder mutmaßlich auf das Konto des Wolfs gehen. Zuletzt war in der vergangenen Woche eine Herde von 25 Schafen angegriffen worden, sechs Tiere wurden dabei getötet, acht schwer verletzt.
Rechtliche Grundlagen
Mit den DNA-Ergebnissen der jüngsten Risse in Schwanewede rechne er in etwa zwei Wochen, sagte Lies in Schwanewede. Beim Umweltministerium liegt aktuell ein Antrag für eine Ausnahmegenehmigung für den Abschuss eines Wolfes aus dem Garlstedter Rudel vor. Entscheidend für eine mögliche Ausnahmegenehmigung sei nicht die Zahl der Risse, erklärte Olaf Lies.
"Es kommt darauf an, dass zweimal der zumutbare Herdenschutz von 1,20 Meter Zaunhöhe überwunden wird und es in zwei Fällen nachweislich der gleiche Wolf war", machte der Minister die rechtliche Grundlage deutlich.
Herdenschutz ausbauen
Wenn diese Bedingungen erfüllt seien, "dann muss die Ausnahmegenehmigung her und der Wolf getötet werden", sagte Lies. In den meisten Fällen in Schwanewede, bei denen Schafe und Ziegen gerissen worden seine, habe es in der Vergangenheit aber nicht einmal einen Grundschutz mit 90 Zentimeter Zaunhöhe und stromführender Litze gegeben. "Dann können wir auch nicht reagieren." Wo es machbar sei, müsse der Herdenschutz ausgebaut werden, meinte der Umweltminister. "Die Zaunhöhe infrage zu stellen, ist aus meiner Sicht der falsche Weg. Wir haben 90 Zentimeter Grundschutz und 1,20 Meter zumutbaren Herdenschutz und das funktioniert."
Bund soll handeln
Lies sieht aber auch in den Bund in der Pflicht. "Der Bund muss rechtlich absichern, dass wir noch mehr machen können, als wie jetzt schon machen." Er forderte die Umsetzung dessen, was im Koalitionsvertrag zum Wolf vereinbart sei. "In Gebieten mit einer großen Zahl an Rissen müssen wir in der Lage sein, ein regional differenziertes Bestandsmanagement zu betreiben." Es gehe darum, flexibler und schneller handeln zu können.
In Niedersachsen gibt es Lies zufolge aktuell 37 Wolfsrudel mit insgesamt rund 370 Tieren. "Mit 37 Rudeln ist die Untergrenze, bei der der Wolf in seinem Bestand nicht mehr gefährdet ist, jetzt bereits überschritten. Wir bekommen kein Populationsproblem, wenn wir ein einzelnes Tier entnehmen", so der Minister.
Lies sprach in dem Zusammenhang auch von einer "Akzeptanzgrenze" im Umgang mit dem Wolf. "Wir müssen lernen, mit dem Wolf zu leben, in einer Zahl, die erträglich ist", meinte der Minister.
Emotionale Debatte
Für viele Landwirte und andere in Schwanewede ist die Akzeptanzgrenze offenbar längst erreicht, wurde in der teilweise sehr emotionalen Diskussion deutlich. "Von uns wird gefordert, dass wir unsere Tiere auf der Weide halten sollen. Wie soll das mit dem Wolf funktionieren?", meinte ein Landwirt. 37 Wolfsrudel, das sei für ein Land wie Niedersachsen jetzt schon zu viel, fand er.
"Wir kümmern uns um Arterhaltung mit Schafen, aber auch mit Geflügel und Schweinen und bekommen durch den Wolf jetzt so einen Druck. Das macht allmählich keinen Spaß mehr", sagte Schafzüchter Karsten Bode. Wie berichtet, war seine Herde in der vergangenen Woche auf einer Weide attackiert worden, die laut Bode mit einem 1,70 Meter hohen, mit Stacheldraht und 10.000 Volt ausgerüsteten Zaun gesichert war. Über den soll der Wolf gesprungen sein. Noch ist unklar, ob Bode eine Entschädigung bekommt. Sein Schutzzaun soll nicht dem von der Landwirtschaftskammer Niedersachsen vorgeschrieben Zaun entsprechen. Lies sagte zu, sich um den Fall kümmern zu wollen.
Den Tierhaltern gehe es darum, "dass ihre Tiere einigermaßen sicher weiden und ein naturnahes Leben führen können", meinte ein Bürger unter dem Beifall des Publikums. Eine Schwanewederin, die in der Pferdezucht tätig ist, berichtete: "Ich bekomme fast täglich Anrufe von Pferdehaltern, die fragen, ob sie ihre Tiere noch auf die Weide lassen können. Die Menschen haben Angst."