Bornreihe. Der Frust musste einfach mal raus – und die Gelbe Karte nahm Hendrik Lütjen billigend in Kauf. Denn was da in der 24. und 25. Minute passiert war, ärgerte den Kapitän des SV Blau-Weiß Bornreihe maßlos. Und nicht nur ihn. Auch der Großteil der rund 300 Zuschauer am Platz am Vereinsheim hatte ungläubig mit dem Kopf geschüttelt und wusste hinterher ganz genau, dass diese beiden Szenen wohl spielentscheidend gewesen waren.
Zunächst war ein Treffer von Bornreihes Nico Poplawski wegen eines vermeintlichen Foulspiels aberkannt worden, praktisch im Gegenzug trafen die favorisierten Fußballer vom BSV Kickers Emden zum 2:0. Am Ende hatte der Regionalliga-Absteiger die Erstrundenpartie des Niedersachsenpokals mit 4:0 (3:0) gewonnen. Dass dieser Erfolg alles in allem absolut verdient war, daran gab es nach Abpfiff von Schiedsrichter Tom-Leon Bender keine zwei Meinungen. Dass sich mit ein bisschen Spielglück und zwei bis drei anderen Schiedsrichterentscheidungen allerdings auch ein anderer Spielverlauf hätte entwickeln können, war ebenso unbestritten.
In der Anfangsphase konnten die „Moorteufel“ die Ostfriesen weitestgehend vom eigenen Tor fernhalten. Ricardo Marafona da Costa und Hendrik Lütjen machten als lauf- und zweikampfstarke Sechser vor der Viererkette die Räume dicht, auch der Rest der Blau-Weißen verteidigte von der ersten Sekunde an leidenschaftlich. Dass die Emder dennoch nach zwölf Minuten in Führung gingen, lag vor allem an der großen Offensivqualität des Gegners. Eine Flanke von Said Abbey nahm Florian Schiller in der Mitte volley aus der Luft, seinen abgeblockten Schuss schob Pascal Steinwender geistesgegenwärtig über die Torlinie. Die Bornreiher schüttelten sich kurz und tauchten dann ihrerseits in der 24. Minute frei vor dem Kickers-Tor auf. Mehr noch.
Nach einem langen Pass eroberte sich Nico Poplawski im Duell gegen Emdens Kapitän Bastian Dassel stark den Ball, beide Spieler zogen und drückten im nun folgenden Laufduell ausgiebig, blieben aber über zehn Meter auf den Beinen, bis Dassel – für alle Zuschauer etwas überraschend – dann doch plötzlich zu Boden sank. Poplawski hatte freie Fahrt, überwand auch Emdens Keeper Moritz Onken und drehte bereits zum Jubeln ab, als der Schiedsrichter doch noch auf Stürmerfoul entschied. Es war eine höchst umstrittene Entscheidung, immerhin hatte Dassel zuvor kein Stück weniger seinen Körper eingesetzt als Poplawski.
Kein Pfiff vor dem 0:3
Statt des Ausgleichs kassierten die „Moorteufel“ im direkten Gegenzug dann das 0:2. Nach starker Vorarbeit von Steinwender zog David Schiller aus spitzem Winkel knallhart aufs kurze Eck und überraschte damit SV-Keeper Marvin Ekuase (25.) auf dem falschen Fuß. Nun war der Frust noch größer bei den Bornreihern, Kapitän Hendrik Lütjen wies noch einmal intensiv auf die harte Entscheidung auf der anderen Seite hin, kassierte dafür Gelb und musste sich gehörig auf die Zunge beißen, um in der 33. Minute nicht sogar vom Platz gestellt zu werden.
Denn unmittelbar vor dem 0:3 durch David Schiller war Keno Liebschner attackiert worden, diesmal blieb die Pfeife stumm, die Emder spielten den Angriff wunderschön zu Ende, in der Mitte vollstreckte erneut Schiller eiskalt zur Vorentscheidung. Und als dann der Unparteiische drei Minuten später Said Abbey nach einem klaren Schubser gegen Hendrik Lütjen nicht die eigentlich folgerichtige Rote Karte zeigte, machten die Bornreiher Anhänger ihrem Frust endgültig Luft. Da machte es auch keinen großen Unterschied mehr, dass der vierte Kickers-Treffer durch Steinwender wegen vermeintlichen Abseits zurückgenommen wurde (38.).

Glück gehabt: Said Abbey (rechts) hat Bornreihe Kapitän Hendrik Lütjen umgestoßen – und kam für diese Aktion mit Gelb davon.
Die Hoffnung auf ein Pokalwunder zerstörte der beste Mann auf dem Platz dann aber kurz nach Wiederanpfiff endgültig. Pascal Steinwender nahm einen langen Ball perfekt an und lupfte das Leder über den herausstürzenden Marvin Ekuase wunderschön ins lange Eck (47.). Danach beruhigte sich das Spielgeschehen, die Emder nahmen offensiv den Fuß etwas vom Gas, die Bornreiher stemmten sich weiterhin mit aller Kraft dagegen und kamen in Person von Hussain Taha, Fabian Linne oder Nico Poplawski nun auch zu einigen Torabschlüssen.
In der 80. Minute hatten die Zuschauer dann endgültig den Torschrei auf den Lippen, doch nachdem Fabian Linne zunächst die Latte anvisiert hatte, brachte der eingewechselte Emil Tepper das Kunststück fertig, den Ball aus drei Metern per Kopf an den Pfosten des leeren Tores zu setzen. So blieb es beim 0:4 – ein Ergebnis, das Bornreihe-Coach Nils Gresens gut einzuordnen wusste: „Die individuelle Qualität hat dieses Spiel entschieden. Als Kollektiv habe ich Emden allerdings nicht als vier Tore besser wahrgenommen. Unsere Jungs haben sich trotz eines irgendwann aussichtslosen Rückstands bis zum Ende gewehrt, und das war uns sehr wichtig.“ Zu den entscheidenden Szenen in Halbzeit eins wollte sich der Bornreiher Coach hinterher nicht mehr groß äußern. „Sagen wir es mal so", gab Gresens mit einem Augenzwinkern zu Protokoll: "In den strittigen Momenten lief es nicht wirklich für uns.“