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Grundsteuerreform Die schwierige Suche nach dem richtigen Hebesatz

Die Hebesätze für die Grundsteuern müssen nach der Reform nun zum 1. Januar 2025 neu festgelegt werden. Vor welchen Problemen Verwaltung und Politik damit stehen.
25.11.2024, 05:00 Uhr
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Die schwierige Suche nach dem richtigen Hebesatz
Von Peter von Döllen
Inhaltsverzeichnis

Eigentlich ist es reine Mathematik und ganz einfach, findet Dennis Pleuß. Als Kämmerer im Hamberger Rathaus ist er für die Finanzen der Samtgemeinde Hambergen und ihrer fünf Mitgliedsgemeinden zuständig. Bald beginnen die Haushaltsberatungen für 2025. Doch aktuell treibt Pleuß die Grundsteuerreform um. Sie tritt am 1. Januar 2025 in Kraft, und der Gesetzgeber verlangt von allen Kommunen die Neufestsetzung der Hebesätze, mit denen ermittelt wird, was jeder einzelne Grundbesitzer konkret an die Gemeinde bezahlen muss. Ein Aussitzen ist nicht möglich: Die bisherigen Sätze werden ungültig – die Kommunen sollen sich aktiv mit der Situation beschäftigen. Die Gesamteinnahmen der Kommunen aus der Grundsteuer sollen sich nach der Reform nicht ändern – jedenfalls wünscht sich das die Landesregierung sp. Also kann ein Hebesatz errechnet werden, der genau das garantiert, dachte sich Pleuß zunächst. Doch so einfach ist dann doch nicht, wie das Beispiel Vollersode zeigt. Die Gemeinde hat sich als erste in der Region mit dem Thema befasst.

Wie wird die Grundsteuer berechnet?

Alle Grundstücke wurden seit 2022 neu bewertet. Dafür wurden in Niedersachsen unter anderem die Größe und die Lage berücksichtigt. Die Berechnung ist sehr komplex. Die Finanzämter haben den meisten Eigentümern den sogenannten Messbetrag inzwischen bereits mitgeteilt. Allerdings haben noch längst nicht alle ihre Bescheide erhalten. Die Kommunen setzen im zweiten Schritt einen Hebesatz fest, der in Prozentpunkten ausgedrückt wird. Die zu zahlende Grundsteuer ergibt sich dann aus diesen Zahlen. Wenn der vom Finanzamt mitgeteilte Grundstücksmessbetrag beispielsweise 90 Euro lautet und die Kommune einen Hebesatz von 350 festgelegt hat, dann muss der Eigentümer 315 Euro jährlich zahlen.

Müssen Kommunen den neuen Hebesatz aufkommensneutral ansetzen?

Nein, findet Kämmerer Dennis Pleuß. Der Gesetzgeber verlangt von den Kommunen nur, dass sie den neutralen Hebesatz berechnen und veröffentlichen müssen. Die Städte und Gemeinden sind aber in der Entscheidung frei, einen Hebesatz festzulegen, der ihren Bedürfnissen entspricht. Das kann der alte sein, muss es aber nicht. Auch Mehreinnahmen sind damit nicht verboten. Die Samtgemeindeverwaltung wird ihren Mitgliedsgemeinden allerdings vorläufig einen aufkommensneutralen Satz vorschlagen. Damit würden diese ungefähr so viel einnehmen wie im vergangenen Jahr.

Wo liegen die Probleme?

Die Kommunalverwaltungen sind zeitlich unter Druck. Der erste Zahltermin ist im Februar. "Wir müssen im Januar die Bescheide verschicken", sagt Pleuß. Die Politiker hingegen wollen sich nicht zu früh festlegen. Es gebe natürlich Unsicherheiten, räumt auch der Kämmerer ein. Noch fehlen ja einige Bescheide Bescheiden. Zudem wird damit gerechnet, dass Abweichungen bereinigt werden müssen. Die Fehlerquote könnte am Ende dann doch bis zu 20 Prozent betragen, wie einige Experten schätzen. Die Berechnungen eines neutralen Hebesatzes unterliegen also einem gewissen Risiko. Sollte sich der Messbetrag erheblich ändern, müsste neu gerechnet werden, wenn die Sätze aufkommensneutral bleiben sollen.

Welche Rolle spielt die Steuerkraft?

In Vollersode wurde die Festlegung eines Satzes nun vorläufig verschoben. Als eine der ersten Kommunen im Landkreis hatte die Gemeinde über das Thema bereits konkret diskutiert. Ratsherr Heino Oetting (SPD) wies darauf hin, dass der errechnete Hebesatz der Verwaltung zu einer unnötigen Belastung führen könnte. So hat beispielsweise die Steuerkraft Einfluss auf verschiedene Umlagen, welche die Kommunen an das Land, den Landkreis und die Samtgemeinde zahlen müssen. Bei der Berechnung der Steuerkraft wird ein Faktor verwendet, der sich aus dem Schnitt aller Hebesätze in Niedersachsen ergibt und der regelmäßig vom Niedersächsischen Landesamt für Statistik ermittelt wird.

Sollte der Hebesatz der Gemeinde unter dem Schnitt liegen, fällt die Steuerkraft höher aus, was wiederum dazu führt, dass etwa höhere Umlagen zu zahlen seien als nötig, führte Oetting an. Das könnte man berücksichtigen. Allerdings weiß derzeit niemand, wo der Durchschnitt künftig liegen wird. Schließlich müssen in diesen Wochen alle Kommunen einen neuen Hebesatz für die Grundsteuer festlegen.

Wie könnte die Lösung aussehen?

Kämmerer Dennis Pleuß schlägt vor, einstweilen den berechneten aufkommensneutralen Hebesatz festzulegen. Sollte sich dieser als nicht praktikabel erweisen, könne dieser ja immer noch angepasst werden, findet er. Bis zum Juni kommenden Jahres darf der Satz erhöht und bis Jahresende gesenkt werden. Für Vollersode hat Pleuß einen Satz von 320 ermittelt. Aktuell liegt er bei 420. Die Sätze für die Grundsteuer A und B sind dabei gleich hoch.

Theoretisch könnte natürlich auch ein höherer Satz festgelegt werden – etwa um Mehreinnahmen zu generieren oder um Risiken einzupreisen. Ein Hebesatz von 400 würde laut Pleuß beispielsweise Mehreinnahmen von rund 157.000 Euro bedeuten. Zum Vergleich: In diesem Jahr stehen Grundsteuer-Einnahmen von insgesamt rund 560.000 Euro im Vollersoder Haushaltsplan.

Wie geht es weiter?

Vollersode will nun bei einer Ratssitzung am 18. Dezember über den Hebesatz entscheiden. Bis dahin werden sich SPD und CDU intern in ihren Fraktionen beraten. Neue Fakten wird es bis dahin allerdings kaum geben. Die weiteren Mitgliedsgemeinden – Holste (9. Dezember), Lübberstedt (11. Dezember), Hambergen (12. Dezember) und Axstedt (16. Dezember) – werden Vollersode zeitlich wohl noch überholen.

Wie sieht es in anderen Kommunen aus?

Osterholz-Scharmbeck will am 27. November im Finanzausschuss über die Hebesätze beraten und vermutlich bei einer Ratssitzung am 19. Dezember beschließen. Einen Vorschlag für einen veränderten Hebesatz gibt es noch nicht. In der Sitzungsvorlage weist die Verwaltung darauf hin, dass die Sätze später auch noch rückwirkend angepasst werden können. Ritterhude hat am 10. Dezember eine Sitzung des Finanzausschusses und am 12. Dezember eine Ratssitzung im Kalender. Tagesordnungen gibt es allerdings noch nicht. Worpswede wird am 3. Dezember über die Hebesätze beraten.

Was bedeutet die Reform für Eigentümer?

Das kann nicht pauschal beantwortet werden. Auch wenn die zuständige Kommune aufkommensneutrale Hebesätze beschließen sollte, heißt das nicht, dass Eigentümer den gleichen Betrag wie bisher zahlen müssen. Einige werden wohl mehr Grundsteuer bezahlen müssen, andere kommen günstiger weg. Das hängt von der Neubewertung ihrer Grundstücke und Immobilien ab, und die ist individuell. Aufkommensneutral bedeutet lediglich, dass die Kommunen genauso viel einnehmen, wie bisher.

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Warum muss die Grundsteuer reformiert werden?

Das Bundesverfassungsgericht hatte 2018 die Bewertung von Grundstücken mit veralteten Einheitswerten für verfassungswidrig erklärt. Sie müsse gerechter gestaltet werden, sagt das Gericht. Die Erhebung musste damit bundesweit neu geregelt werden. Die Länder können eine eigene Lösung erarbeiten. Von diesem Recht hat Niedersachsen Gebrauch gemacht.

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