Landkreis Osterholz. Kein gutes Haar lässt der Landkreis Osterholz an der geplanten Klinikreform von Gesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD). Für das kreiseigene Krankenhaus ergäbe sich, Stand jetzt, nicht nur keine Verbesserung hinsichtlich der Finanzierung, was aus Verwaltungssicht aber dringend nötig wäre. Auch die Versorgung der Region könnte sich verschlechtern, so die Befürchtung beim Landkreis, den die Redaktion um eine Einschätzung gebeten hat.
Würde der Bund die Empfehlungen umsetzen, stünde die geburtshilfliche Abteilung vor dem Aus. Die Einstufung der Osterholzer Klinik als "Grundversorger mit Notfallversorgung" sieht nämlich Kreißsaal und Wöchnerinnenstation gar nicht vor. Lauterbachs Beratergremium, die "Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung", verfehle damit klar das selbst gesteckte Ziel, lassen Gesundheitsdezernat und Klinikleitung durch die gemeinsame Pressestelle wissen.
Weiter Weg zur Entbindung
Für Schwangere entstünden weite Wege, nicht nur in der hiesigen Region: Landkreis-Angaben zufolge müssten sich bis zu 52 Prozent aller werdenden Mütter in Deutschland umorientieren. Bundesweit erreichten nämlich derzeit überhaupt nur 82 Krankenhäuser das nächsthöhere Level 2 (Regel- und Schwerpunktversorger), ab dem dann auch stationäre Entbindungen vorgesehen und eingepreist sind.
Anders formuliert: Die Osterholzer Geburtsabteilung, die bei Patientinnen einen ausgezeichneten Ruf genießt, würde nach der Logik der Reform zu einem Luxus, den das Haus nicht mehr refinanziert bekäme. Im Gegenzug müssten dann auch geburtshilfliche Kapazitäten an anderen Standorten mit erheblichem Aufwand neu geschaffen werden, warnt Landkreis-Sprecherin Sabine Lübke.
Kein Notfallzentrum
Ähnlich verhalte es sich mit den Kommissionsvorschlägen zur Akut- und Notfallversorgung. Als Level-1-Krankenhaus käme die Landkreis-Klinik für den Aufbau eines integrierten Notfallzentrums nicht in Betracht, denn auch die sollen den Häusern ab Level 2 aufwärts vorbehalten sein. Um gleichzeitig die Notaufnahmen zu entlasten, wollen die Lauterbach-Experten stattdessen die Leitstellen mit Fachkräften verstärken, die unter 112 oder 116117 eine Ersteinschätzung abgeben.
Der Patient würde dann telefonisch an den Not- und Bereitschaftsdienst niedergelassener Ärzte verwiesen, die auch Hausbesuche machen. Als Alternativen zum direkten Weg in die Klinik kämen in dem Modell neben Notarzt und Rettungswagen auch Videosprechstunde, der Sozialdienst oder ambulante Anbieter in Betracht. Lübke fasst die Landkreis-Position so zusammen: "Der Vorschlag würde nach einer ersten Einschätzung zu einer Reduktion von Standorten für die Notfallversorgung führen und den Zugang zur Notfallversorgung eher verschlechtern."
Bürokratie und Zentralisierung
Dem Kreiskrankenhaus als Level-1-Klinik blieben – neben den Akut-Angeboten des ambulant orientierten Medizinischen Versorgungszentrums sowie der Intensivstation – die chirurgische und innere Abteilung, die durchaus auch Spezialisierungen über das Standard-Repertoire hinaus vorzuweisen haben. Dafür aber, so argumentiert die Kreis-Sprecherin, seien bereits heute klar definierte Mindestmengen und steigende Qualitätsstandards vorgegeben, sodass eine hochwertige Versorgung allemal gesichert bleibe. "Weiterer bürokratischer Vorgaben bedarf es an dieser Stelle nicht", teilt Lübke mit.
Fazit der Kreisbehörde: Die Leistungsplanung am grünen Tisch sei so "nicht zielführend" und würde zulasten der Fläche gehen. Ähnliche Kritik hat vorige Woche auch die Deutschen Krankenhausgesellschaft geäußert. Sie erinnert an die Zuständigkeit der Länder und will den tatsächlichen regionalen Versorgungsbedarf in ihrem Gegenvorschlag stärker berücksichtigt sehen. Auch die Berliner Ideen zur Finanzierung müssten demzufolge nachjustiert werden, wobei die Regierungskommission nach Einschätzung des Landkreises mit der Einführung separater Vorhaltepauschalen einen eigentlich guten Ansatz verfolge.
Finanzierungsproblem ungelöst
Die Pandemie habe nämlich gezeigt, dass Fallzahlsteigerungen nicht das einzige Kriterium sein dürfen. Wenn es aber lediglich darauf hinauslaufe, die Fallpauschalen abzusenken und einen Teil dieser Mittel nur umzuschichten, sei für die Behebung der strukturellen Defizite nichts gewonnen, erläutert die Landkreis-Sprecherin. Denn das starre Finanzierungssystem erlaube es nun mal nicht, Kostensteigerungen an die Patienten und deren Kassen weiterzugeben. Dabei sei die Belastung durch steigende Preise in allen Bereichen enorm. Lübke nennt Lebensmittel, Medikamente, Medizinprodukte, Investitionen, Instandhaltungen.
Das neue Krankenhausgesetz der Landesregierung, das seit 1. Januar gilt, nimmt indes auf dem Papier vorweg, was der Bund erst noch erreichen möchte: In insgesamt acht Versorgungsregionen Niedersachsens soll es aufeinander abgestimmte Grund-, Schwerpunkt- und Maximalversorger geben. Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) hat bekräftigt, dass es einen Kahlschlag in der Fläche nicht geben solle, auch wenn die Umsetzung schwierig werde. Vielerorts herrscht Investitionsstau.
Hilfe aus Hannover gesucht
Aus Osterholzer Sicht steht das Land damit im Wort, zumal auch der neue Gesundheitsminister Andreas Philippi (SPD) zugesagt habe, er wolle "die Krankenhausplanung gemeinsam mit den Trägern patientenorientiert und zukunftssicher gestalten". Der Kreis teilt dazu mit, er gehe davon aus, dass die Planung des Landes Niedersachsen auch künftig "für die Sicherstellung bewährter Strukturen in der Fläche vor Ort" sorgen wird.