Der Landkreis Osterholz hat im vergangenen Jahr die Folgen der Wohngeldreform besser bewältigt als viele andere Kommunen in der Republik. Das hat Sozialamtsleiter Frank Bohling jetzt dem Sozialausschuss des Kreistags mitgeteilt. Durch die Einführung einmaliger Heizkostenzuschüsse im Mai und November 2022 sowie die Schaffung einer dauerhaften Komponente ab 2023 kam es in vielen Wohngeldstellen zu monatelangen Bearbeitungszeiten (wir berichteten). Auch im Osterholzer Kreishaus waren deutlich mehr Anträge zu bearbeiten. Während der Kreis die Abwicklung für die Kommunen übernimmt, ist das Rathaus Osterholz-Scharmbeck für die Wohngeldbezieher im Stadtgebiet zuständig. Auch dort sei die Lage beherrschbar gewesen, teilte die Ausschussvorsitzende Marianne Grigat (SPD) mit.
Bohling zufolge sei das Landkreis-Personal rechtzeitig um drei Teilzeitkräfte verstärkt worden. Vor allem im ersten Quartal 2023 habe die Behörde mit einer noch größeren Antragsflut gerechnet. Nach 883 Anträgen im Jahr 2022 seien es 2023 plötzlich 1460 gewesen. "Jedes Mal, wenn sich die Wohn- oder Einkommensverhältnisse ändern, ist ein neuer Antrag zu stellen", so der Amtsleiter. Insgesamt seien im Vorjahr Bewilligungen für 982 verschiedene Wohngeld-Haushalte ausgestellt worden – das waren 444 mehr Haushalte als im Jahr 2022.
Rund 50 Fälle seien abgelehnt und zuständigkeitshalber an die Bürgergeld-Abteilung verwiesen worden. Umgekehrt wurden durch die Reform aber auch einige Aufstocker im Bürgergeld-Bezug wegen der neuen Heizkostenkomponente erstmals wohngeldberechtigt. Der Bund hatte diesen Baustein im sogenannten Wohngeld-Plus wegen der steigenden Energiepreise eingeführt. Er beträgt seit vorigem Jahr 96 Euro für einen Ein-Personen-Haushalt und 25 Euro zusätzlich für jedes weitere Haushaltsmitglied.
Auszahlungen mehr als verdoppelt
Höhere Zahlbeträge und mehr Anspruchsberechtigte haben dazu geführt, dass sich die Gesamtsumme aller Wohngeld-Auszahlungen 2023 gegenüber dem Vorjahr mehr als verdoppelt hat. Bohling nannte einen Anstieg von 140 Prozent auf zuletzt mehr als 3,68 Millionen Euro. Das sei zum überwältigenden Teil auf die besagten Energiekosten-Beträge im Wohngeld zurückzuführen, so der Amtsleiter. Diese Komponente wurde wegen der sogenannten CO2-Bepreisung letztlich dauerhaft eingeführt. Der durchschnittliche Betrag, der im Jahr 2023 pro Fall ausgezahlt wurde, kletterte binnen Jahresfrist von 2848 auf 3750 Euro. Das Geld stammt zu gleichen Teilen aus Bundes- und Landesmitteln. Es durchläuft nicht den Kreishaushalt, während Stadt und Landkreis allerdings die Personal- und Sachkosten ihrer Wohngeldstellen zu tragen haben. Im laufenden Jahr summieren sich diese im Kreishaushalt auf 273.000 Euro und im Stadthaushalt auf 116.000 Euro.
Dank der personellen Verstärkung halte der Landkreis die seit Jahren zugesagte Bearbeitungsfrist von höchstens 30 Tagen in mehr als 90 Prozent der Fälle weiterhin ein, erklärte der Sozialamtsleiter und bekräftigte: "Die Kolleginnen haben da richtig rangeklotzt." Der Durchschnittswert – gerechnet ab dem Tag, an dem ein Antrag vollständig vorliegt – liegt für Wohngeld-Anträge seit 2022 unverändert bei 26 Tagen Wartezeit, in den Jahren zuvor waren es 21 bis 23 Tage. Die Stadt Osterholz-Scharmbeck stockte ihr Personal Mitte 2023 ebenfalls auf; dort war die Bearbeitungszeit anfangs auf vier bis sechs Wochen gestiegen, weil sich die Zahl der Erst- und Weiterbewilligungsanträge ebenfalls mehr als verdoppelt hatte.
Beratung für Betroffene
Linkspolitiker Herbert Behrens sagte, es sei wichtig, dass Anspruchsberechtigte schnell zu ihrem Geld kommen. Es sei nötig, die Betroffenen aktiv zu beraten und auf den Wohngeldrechner im Internet hinzuweisen, mit dessen Hilfe eine erste Schätzung möglich ist. Wichtig sei auch eine baldige Umstellung des elfseitigen Papierantrags auf Online-Verfahren, forderte der Abgeordnete. Bohling nickte: "Die Beratung wird umfangreich genutzt und es gibt oft längere Telefonate." Der Landkreis setze bewusst auf die individuelle Erreichbarkeit der Sachbearbeiter; das sei gut investierte Zeit. Schwieriger gestalte sich die Digitalisierung, denn die Landesprogramme für Wohn- und auch Elterngeld erfordern wegen fehlender Schnittstellen bislang eine händische Eingabe durch die Verwaltungskräfte im Kreishaus. "Wir wissen nicht, wie lange das noch nötig sein wird", sagte Bohling. Im Moment sehe es so aus, dass eine Vereinfachung beim Elterngeld etwas schneller kommen könnte als beim Wohngeld.
Christdemokrat Pascal Radon empfahl, der Landkreis solle den Wohngeldempfängern in den Beratungsgesprächen bei hohen Energiekosten auch einen Tarif- oder Anbieterwechsel nahelegen. Bohling erwiderte, der Zuschuss werde als verbrauchsunabhängige Pauschale gewährt. "Bei einem deutlichen Missverhältnis zu den tatsächlichen Kosten setzt dann vielleicht auch ein Umdenken über Verbrauch oder Versorger ein."