Gegen die Bremer Wohngeldstelle sind derzeit 17 Klagen wegen Untätigkeit beim Verwaltungsgericht anhängig. Zum Teil warten die Antragsteller - allesamt Menschen mit geringem Einkommen, aber oberhalb der Grundsicherung - seit mehr als einem Jahr auf ihren Bescheid. Und damit auf dringend benötigtes Geld.
Verwaltungsrichterin Verena Korrell bestätigt, dass fünf der Verfahren Anträge aus dem vorigen Jahr betreffen. Wohl in Kürze würden sich sechs Verfahren erledigen, "da zwischenzeitlich die begehrten Wohngeldbescheide erlassen wurden".
Darauf wartet Susanne Koch (Name von der Redaktion geändert) seit mehr als 14 Monaten. Nach ihren Aussagen gegenüber dem WESER-KURIER lief es offenbar schon lange vor der Wohngeldreform nicht rund: Darauf, dass ihr Ende Februar 2022 gestellter Antrag unvollständig war, sei sie erst sieben Monate später hingewiesen worden. Den angeforderten Mietzahlungsnachweis und eine "Konkretisierung zu meinen Einkünften" habe sie dann Mitte Oktober nachgereicht - und daraufhin wieder vier Monate lang nichts gehört oder gar erhalten.
Als sie Mitte Februar nachhakte, antwortete eine Sachbearbeiterin, dass "das neue Recht 2023 immer noch nicht in das Programm eingepflegt ist". Sobald dies der Fall sei, fahre man mit der Bearbeitung der Anträge aus dem Juni, Postrückläufern aus dem Januar 2022 und priorisierten Akten fort, in denen es um Klagen, Wohnungsverlust und Widersprüche gehe. "Wir werden unaufgefordert auf Sie zurückkommen", endet die Mail vom 20 Februar. Doch seit dem hat Koch gar nichts mehr erhalten: weder einen Anruf noch Post oder eine weitere E-Mail.
Das lange Warten beschert den Antragstellern noch einen weiteren Nachteil. Genauer: Es bringt sie um eine neue Vergünstigung, nämlich das Stadtticket. Damit können nun auch Wohngeldempfänger ermäßigt für 25 Euro pro Monat öffentliche Verkehrsmittel nutzen. Allerdings ist diese Maßnahme erst einmal auf dieses Jahr befristet - und während das Wohngeld immerhin auch rückwirkend ausgezahlt wird, sind die abgelaufenen Monate für das Stadtticket verloren. Denn ohne aktuellen Wohngeldbescheid gibt es kein Stadtticket.
Vom Bauressort, dem die Wohngeldstelle zugeordnet ist, wird für die Verzögerungen vor allem die seit Jahresbeginn geltende Wohngeld-Plus-Regelung verantwortlich gemacht: Dadurch habe sich im ersten Quartal 2023 die Anzahl der Erstanträge im Vergleich zum vorigen Jahr verdreifacht. Von diesen fast 3300 Haushalten hätten rund 750 mittlerweile einen Bescheid oder ein Schreiben zur Mitwirkung erhalten. Abgesehen davon müssten nun auch für alle bisherigen Wohngeld-Haushalte neue Bescheide berechnet werden. Drittens sei der Heizkostenzuschuss II auszuzahlen. Insgesamt steige der jährliche Finanzbedarf dadurch um 27,6 Millionen Euro.
Im Haus von Senatorin Maike Schaefer (Grüne) herrscht vor allem Unverständnis darüber, dass Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) sämtliche Vorschläge zur Vereinfachung der Regeln einfach ignoriert hat. Diese hatten die Bauminister der Länder einstimmig im Bundesrat eingebracht.
Allerdings hatte die Behörde vorausschauend 47 unbefristete Stellen für eine neue Erstantragsstelle ausgeschrieben. Am 1. März waren 31 besetzt, spätestens Ende Juni sollen auch die noch fehlenden Führungskräfte und die Fachverfahrensbetreuung rekrutiert sein. Bei den bereits Angeworbenen stellte sich in der dreimonatigen Probezeit heraus, dass einige zu geringe Deutschkenntnisse hatten. Darauf reagierte die Baubehörde mit internen Schulungen.
"Die durchschnittliche Bearbeitungszeit für einen Antrag beträgt derzeit etwa fünf Monate", sagt Behördensprecher Jens Tittmann. Der zwischenzeitliche Ausfall der bundeseinheitlichen Software für das neue Recht erhöhte die Bearbeitungszeit wieder. Nun laufe das Verfahren zwar zuverlässig, doch "die Übertragungszeiten der Bearbeitung der einzelnen Masken sind teilweise sehr lang". Tittmann geht davon aus, "dass sich spätestens im dritten Quartal die Leistungsfähigkeit dauerhaft erhöht". Auch um die Zahl der fehlerhaften oder unvollständigen Anträge zu senken, helfen ab Mai 20 Beschäftigte der Verbraucherzentrale in den Stadtteilen als Lotsen bei Fragen zu Sozialleistungen wie dem Wohngeld.
Susanne Koch lebt seit Jahresbeginn in Hamburg und hat auch dort gleich einen Antrag auf Wohngeld gestellt. Fehlende Unterlagen wurden Anfang April angefordert - mit einer nur zweitägigen Frist, diese nachzureichen. Das hat die junge Frau umgehend erledigt - und seitdem auch dort nichts mehr von der Behörde gehört. Vor Gericht klagen will sie noch nicht.