Seit einigen Wochen läuft bei der Firma Sol-Idee in Klein-Westerbeck nach Feierabend ein Anrufbeantworter. Die Bandansage bittet Anrufer, die sich für die Installation eines Solardachs interessieren, um Geduld: Man sei bis Ende des Jahres komplett ausgebucht. Dem Inhaber Lars Kollasch blutet das Herz. Seine Neun-Mann-Firma wird seit einigen Wochen von Anfragen förmlich überrannt. Der ganzen Branche gehe es so, erzählt der Sol-Idee-Geschäftsführer. "Wir versuchen, alles möglich zu machen, was geht, aber es fehlt Material und Manpower", klagt der stellvertretende Obermeister der Elektroinnung.
Steigende Energiepreise haben im vorigen Jahr das Kundeninteresse geweckt; mit dem Ukraine-Krieg wuchs die Zahl der Anrufer noch mal deutlich an, und wenn das Bundeskabinett am 6. April das sogenannte Osterpaket für die erneuerbaren Energien verabredet, dürfte die Nachfrage förmlich explodieren, prophezeit Kollasch.

Sol-Idee-Geschäftsführer Lars Kollasch.
Vor zwölf Jahren, als die Fotovoltaik dank staatlicher Anreize ihre erste Blüte erlebte, hatte seine Firma fast 30 Beschäftigte; Bauteile und Module wurden damals auch in Deutschland gefertigt. Dann kam die EEG-Novelle 2012 und seitdem sei das Erneuerbare-Energien-Gesetz mit jeder Änderung immer weiter verschlimmbessert worden, heißt es in Fachkreisen. Während China die Subventionen ankurbelte, kostete die ausbleibende Förderung in Deutschland zahllose Arbeitsplätze.
Inzwischen wurde die Einspeisevergütung für Anlagenbetreiber immer weiter abgesenkt, müssen Solarzellen-Panels und Wechselrichter aus Fernost importiert werden. Der Halbleitermangel verzögert die Lieferfristen für entscheidende Bauteile aktuell auf bis zu 200 Tage. Die Hardware-Preise waren bis 2018 gesunken, seither steigen sie rasant an, und sie werden es wohl auch weiter tun, so der Solardach-Installateur.
Eigenverbrauch entscheidet
"Trotzdem lohnt es sich für unsere Kunden", betont Kollasch. Die Energiewende der Ampelkoalition könne die Rentabilität nur verbessern. Wer seine Lebensgewohnheiten und Haushaltsgeräte an die Zeit anpassen kann, in der die Sonne scheint, brauche nicht mal einen KfW-Kredit, behauptet der Handwerksmeister und Diplom-Ingenieur. Bürodächer und andere Gewerbeimmobilien seien besonders prädestiniert, weil dort viel Eigenverbrauch tagsüber stattfindet.

Die Dächer von Gewerbe-Immobilien (Foto) gelten als prädestiniert, doch auch auf einem Einfamilienhaus kann sich Fotovoltaik lohnen.
Privatleute, die Ökostrom mit einem Solardach produzieren möchten, haben einige Hürden zu nehmen. Die Wirtschaftlichkeitsberechnung beginnt mit der Größe, Statik und Ausrichtung des Hausdachs und sie endet nicht bei der Abschätzung von Verbrauchsmengen und -kosten. Der Betrieb der Anlage ist meldepflichtig bei der Bundesnetzagentur; er setzt das Einvernehmen mit dem örtlichen Versorger voraus, der den Netzanschluss vornimmt.
Mit oder ohne Steuerberater
Einnahmen aus der Einspeisevergütung sind zu versteuern; bei kleinen und mittleren Anlagen (weniger als zehn Kilowatt-Peak) unterstellt der Fiskus zwar keine Gewinnerzielungsabsicht. Die Anmeldung eines Gewerbes für die Produktion kann aber steuerliche Vorteile bringen. Wer mehr als die Hälfte des erzeugten Stroms ins Netz einspeist, kann mehr Abschreibungsmöglichkeiten nutzen. Spätestens dort wird Expertenrat für die Kalkulation nötig.
Das gilt auch, wenn Batteriespeicher ins Spiel kommen. Nicht immer wird die Sache dadurch automatisch lohnender, sagt der Sol-Idee-Chef. Wer andernfalls weiter 70 Prozent seines Stroms zukaufen muss, könne darüber nachdenken. Doch Kosten und Haltbarkeit machen die Speicherung zum Problem. Bei einer Verbindung mit Wärmepumpe, Warmwasserbereitung und Elektroauto könne das Ganze aber schon wieder anders aussehen, weiß Kollasch, der über 20 Jahre Praxis-Erfahrung in der Heizungs- und Elektroinstallation verfügt. Er rät dazu, im Zweifel lieber in mehr Dachleistung zu investieren.
Wer seinen Verbrauch ungefähr zur Hälfte mit selbst produziertem Solarstrom decken kann, ist bei einem Bezugspreis von 30 Cent je Kilowattstunde fein raus. Dagegen ist die Einspeisevergütung von zurzeit sechseinhalb Cent je eingespeister Kilowattstunde kaum mehr als ein nettes Zubrot. Mit dem Osterpaket will Klimaschutzminister Robert Habeck (Grüne) an dieser Stelle rückwirkend für 2022 wieder was drauflegen, heißt es. "Ich würde trotzdem eher heute als morgen investieren", folgert Lars Kollasch. Wer bis zum Inkrafttreten des Gesetzes abwarte, werde sich weiter hinten anstellen müssen.
Ungenutzte Potenziale
Am Anfang freilich steht die Eignung des Gebäudes: Nach dem Solardachkataster der Osterholzer Kreisverwaltung kommen sehr viele Dachflächen für eine Fotovoltaik-Nutzung in Betracht. Trotzdem werden laut Kataster nur fünf Prozent der geeigneten Dächer im Kreisgebiet für die Erzeugung von Solarstrom genutzt. Schwer zu sagen, was das Ausbautempo mehr gebremst hat: Fehlende Anreize, die Tücken der Bürokratie oder die Höhe der Anfangsinvestition.
Kollasch sagt, dass bei Sanierungen oft Heizung oder Dämmung im Fokus stehen – und wie sich dies finanzieren lässt. Dabei lohne sich gerade auch der Blick auf den Zusammenhang, zumal die Ampel auch das Ende der Gasheizungen einläuten will. Es kommt zwar auf den Einzelfall an, aber ein Solardach, so die Faustregel, dürfte sich nach zehn bis 14 Jahren in den allermeisten Fällen amortisieren. Hinzu komme: Die heutigen Module halten 30 Jahre und länger: "Das ist heute alles längst Standard, kein Hexenwerk."
Geld und CO2 sparen
Und auch das ist nur die betriebswirtschaftliche Seite, wie der EDV-Techniker Christian Wagner betont. Als der Kreisstädter 1995 sein Solardach installieren ließ, zählte es zu den fünf ersten im Kreisgebiet. Einen "Störfall" habe er in all den Jahren nur an einem einzigen Tag gehabt, schildert Wagner: bei der Sonnenfinsternis am 11. August 1999. Inzwischen hat der PV-Pionier auf seinem Haus bereits leistungsstärkere Zellen installieren lassen. Seine Frau und er seien Überzeugungstäter, erklärt Wagner und bringt es auf den folgenden Nenner: "Die Klimawende haben auch wir Osterholzer selbst in der Hand."