Landkreis Osterholz. Wut, Frust und ganz viel Enttäuschung – so lässt sich die Stimmungslage bei einem Großteil der Osterholzer Sportvereine derzeit auf den Punkt bringen. Denn die vom Landkreis angeordnete Maßnahme, das Warmwasser in den Kreis- und Gemeindehallen abzustellen, sorgt für riesigen Unmut. Rund 15 Prozent sollen die Landkreise beziehungsweise Kommunen in den kommenden Monaten einsparen. Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) hat diesbezüglich extra eine Verordnung erlassen, um aufzuzeigen, wie und wo diese Energieersparnis eingeholt werden kann – und wo nicht.
Und genau das ist der große Kritikpunkt der Vereine. Denn in jener Verordnung wird das Abschalten des Warmwassers in den Sporthallen explizit ausgenommen von den empfohlenen Maßnahmen. Selbst Niedersachsens Innenminister Boris Pistorius setzte auf dem Sport-Energiegipfel im September in Hannover ein klares Zeichen, als er sagte: "Forderungen nach der kompletten Schließung von Sportstätten oder dem Abdrehen von Warmwasser in den Duschen erteile ich eine deutliche Absage."
Es sind Aussagen wie diese, die Matthias Engelken mit Blick auf die Geschehnisse im Kreis Osterholz fassungslos machen. Der 1. Vorsitzende der TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf hat sich in einem dreiseitigen offenen Brief an Landrat Bernd Lütjen und die zuständige Kreisrätin Heike Schumacher gewendet. Dort bezieht sich die TSG noch einmal ausdrücklich auf die Worte von Innenminister Pistorius. Wendelken stellt die Fragen, die fast alle Vereinsmitglieder umtreibt: "Wie kann es bei solch klaren Aussagen bei uns im Landkreis zu genau einer gegenteiligen Entscheidung kommen?"
Weder Bund noch Land wollten das Abstellen des warmen Wassers in den Sporthallen. Dennoch wird es im Landkreis Osterholz und den Gemeinden nun umgesetzt – ganz im Gegensatz übrigens zu den Landkreisen Rotenburg, Verden und Cuxhaven, wo das warme Wasser in den Sporthallen weiterhin fließt beziehungsweise nur in den Ferien abgestellt wird.
Nur ganz wenige können und wollen sich mit der Situation arrangieren. Jürgen Stanek ist einer von ihnen. Der 1. Vorsitzende der HSG LiGra weiß, dass irgendetwas getan werden muss, und vertraut vor allem darauf, dass die von der zuständigen Kreisrätin getätigten Aussagen mit Blick auf die deutlich größeren Einsparpotenziale in den Sporthallen gegenüber den Privathaushalten auch wirklich stimmen.
Doch genau damit haben die allermeisten Vereinsvertreter ein großes Problem. Auch die Vorsitzende des Kreissportbundes (KSB), Edith Hünecken, kritisiert, dass derlei Aussagen nicht mit entsprechenden Zahlen belegt worden seien. Zudem weist der KSB auf die Gefahr der Legionellen hin. Wenn die Warmwasseraufbereitung über mehrere Monate hinweg abgestellt wird, könnte das am Ende zu schwerwiegenden und eventuell kostspieligen Reparaturen an den zum Teil veralteten Leitungen führen. "Uns wurde mitgeteilt, das sei geprüft worden, und es gebe keine Bedenken", berichtet Hünecken. Doch auch diesbezüglich, so die KSB-Vorsitzende, habe es keinerlei Infos gegeben, wo und wie oder von wem genau das geprüft worden sei.
Der 1. Vorsitzende der Ritterhude Badgers, Thilo Neuberth, ärgert sich über solch intransparente Abläufe. Der Ingenieur für Elektrotechnik, der in seiner Berufslaufbahn viel mit Dampf- und Druckbehältern zu tun hatte, sagt: "Der Wirkungsgrad von größeren Warmwasseranlagen, wie bei Schulen, ist in der Regel höher als bei Warmwasseranlagen eines Einfamilienhauses." Auch er weist auf die Legionellengefahr hin. Vor allem aber denkt er an seine Vereinsmitglieder: "Ja, es gab nur Beschwerden. Und zwar in Massen. Kinder, Eltern, erwachsene Sportler. Und, ja, wir werden wie alle Sportvereine darunter leiden." Was Thilo Neuberth ganz besonders ärgert: Im benachbarten Bremen wurde der Entschluss bereits wieder zurückgenommen, dort werden die kalten Duschen demnächst wieder alle warm sein.
David Jakesch hat diesbezüglich eine sehr klare Vorstellung, ob die Einsparpotenziale auch ohne das grundsätzliche Abstellen des Warmwassers erreicht werden könnten. "Ganz bestimmt ist das möglich, es würde mit Sicherheit reichen, wenn in den Hallen die verantwortlichen Personen einfach die grundlegendsten Dinge beherzigen und kleine, aber oftmals sehr wirkungsvolle Maßnahmen ergreifen würden." Jakesch weiß genau, wovon er spricht. Er ist nicht nur der 2. Vorsitzende des VSK Osterholz-Scharmbeck, sondern von Beruf Hausmeister an einer Bremer Grundschule. Dort hat er zuletzt hautnah erlebt, wie ein ähnlicher Proteststurm dazu führte, dass die Bremer Politik zurückgerudert ist.
Diese Theorie wird von Frank Mühlmann mit einem geradezu absurden Beispiel gestützt. Der Spartenvorstand der Tischtennis-Abteilung der TuSG Ritterhude berichtet von einem in dieser Woche ausgetragenen Punktspiel seiner Tischtennis-Herren bei einem Bremer Verein. "Dort waren alle Heizungen voll aufgedreht, es war so unerträglich heiß, dass erst mal alle Fenster geöffnet werden mussten, um die Temperatur runterzukriegen." Auch die Duschen seien extrem warm gewesen. Solche Schilderungen sind Wasser auf die Mühlen von Jakesch, der sagt: "Es gibt genug Einsparpotenzial, aber es ist natürlich erheblich einfacher und bequemer, alles pauschal abzustellen."
Wie der TC Lilienthal und der SV Bornreihe reagieren
Genau diese anderen Möglichkeiten setzt der TC Lilienthal schon ganz gezielt um – dort will man nämlich unbedingt das Abstellen des Warmwassers vermeiden. "Wir haben uns dafür entschieden, die Warmwasserversorgung erst einmal beizubehalten und die zu erwartenden Kostensteigerungen zunächst auf andere Art und Weise abzufedern", sagt Sportwartin Susanne Hogenkamp und nennt Beispiele: das Licht nach der Benutzung des Hallenplatzes abschalten, wenn kein Nachnutzer trotz Platzbuchung zu sehen ist, auf geschlossene Fenster und Türen achten, die Duschzeit deutlich verkürzen. Die Menschen seien derzeit ohnehin sensibilisiert für dieses Thema, deshalb hofft man beim TCL, die notwendige Ersparnis auch ohne das Abstellen der Duschen zu erreichen.
So verfährt man auch beim SV Blau-Weiß Bornreihe. Im vereinseigenen Klubhaus bleiben die Duschen ebenfalls warm, solange trainiert wird. Der Verein hat laut 1. Vorsitzendem Marco Taube die technischen Komponenten der Warmwasseraufbereitung in den vergangenen Wochen zügig und unbürokratisch modernisiert. Zudem ist das Flutlicht am Vereinsheim bereits gegen LED-Strahler ausgetauscht worden, eine Photovoltaik-Anlage liefert grünen Strom. "Jetzt rüsten wir die Lichtschalter noch auf Bewegungsmelder um, um auch dort die Einsparpotenziale zu nutzen", sagt Marco Taube, dessen Verein so die Vielfältigkeit der Möglichkeiten aufzeigt.
Das grundsätzliche Verständnis
Wie eigentlich alle Vereinsvertreter bringt auch Matthias Engelken großes Verständnis dafür auf, dass Energie gespart werden soll und muss. In der vom Landkreis angeordneten Form wird der Nutzen aber von fast allen Vereinsvertretern angezweifelt. Geduscht wird schließlich trotzdem, nur eben nicht mehr in der Halle oder beim Verein, sondern Zuhause.
Der TSG-Vorsitzende liefert in seinem offenen Brief an die Entscheidungsträger auch gleich zahlreiche Ideen und Vorschläge, wie man diese Ersparnisse erreichen könnte – ohne die Duschen komplett kalt zu stellen. Gleichwohl transportiert der Text auch enorm viel Frust und Enttäuschung. "Wenn wir diesen eingeschlagenen Weg der Entscheidungsträger weitergehen, dürfen wir uns nicht wundern, wenn sich am Ende keiner mehr engagiert", schreibt Engelken und fügt hinzu: "In der Öffentlichkeit werden die Verdienste der Ehrenamtlichen durch unsere Politiker geehrt und mit Lob überschüttet, und das auch zu Recht. Auf der anderen Seite werden den Vereinen Steine in den Weg gelegt, die die Ausübung ihrer Tätigkeit erschweren oder sogar bereits erzielte Erfolge gefährden."
In fast allen Beiträgen, die die Sportredaktion auf Nachfrage erhalten hat, ist eine Art Ohnmacht herauszulesen. Immer wieder wird bemängelt, dass die Vereine – im Gegensatz zum Landkreis Rotenburg übrigens – nicht mit an den Verhandlungstisch geholt wurden, ja, sogar nicht mal entsprechend informiert wurden. Dieses Vorgehen kritisiert auch Edith Hünecken vom KSB aufs Schärfste.
In sehr vielen Vereinen hat sich in den vergangenen zwei, drei Jahren ohne Zweifel ein Gefühl breitgemacht, das André Heißenbüttel mit folgenden Worten auf den Punkt bringt: "Friss oder stirb. So fühlt sich das leider wieder einmal an." Der 2. Vorsitzende des TV Lilienthal fordert deshalb: "Dieser Beschluss muss schnellstmöglich revidiert und zurückgenommen werden." Ansonsten, da ist sich nicht nur Heißenbüttel sicher, werde es erneut zu einem Mitgliederschwund kommen. "Ich habe schon von dem einen oder anderen gehört, der gesagt hat: Wenn die Duschen abgestellt werden, dann war es das für mich. Dann ist das Fass endgültig übergelaufen", sagt Frank Mühlmann von der TuSG Ritterhude.
Katrin Harjes von der Handballsparte der TuSG hat diesbezüglich eine ganz konkrete Bitte an die Politik: "Ich würde mir wirklich wünschen, dass diejenigen, die dem zugestimmt haben, einmal eineinhalb Stunden lang mit voller Power Sport machen und dann danach kalt duschen gehen. Und sich dann überlegen, ob sie das für ihre Kinder auch so wollen." Auch Harjes legt Wert auf die Feststellung, dass in jedem Fall irgendetwas getan werden müsse, für sie greift das pauschale Abstellen des Warmwassers aber viel zu kurz, ist es doch am Ende lediglich eine Kostenverlagerung in die Privathaushalte.
David Jakesch ergänzt zudem noch einen weiteren elementaren Punkt: "Letztlich muss man auch an die Bausubstanz der Hallen denken. Vor kurzer Zeit war ich bei einer Kreisjugendausschuss-Sitzung des Landessportbundes in der Halle am Osterholzer Gymnasiums. Da waren vielleicht noch zehn Grad in der Halle, die Leute saßen da mit Jacke, Schal und Mütze. Was das auf Dauer mit den Hallen macht, muss man wohl niemandem erklären."
Einer, der in Sachen Ehrenamt über jeden Zweifel erhaben ist, ist Rolf Grotheer. Der 1. Vorsitzende des TV Falkenberg wurde im vergangenen Jahr sogar mit dem Bundesverdienstkreuz für sein jahrzehntelanges Engagement ausgezeichnet. Er sagt: "Unsere vielen Ehrenamtlichen sind fassungslos über diese Entwicklung. Es werden die Leute mit Füßen getreten, die eigentlich in den Gemeinden für Lebensqualität sorgen und das auch gerne und mit Überzeugung tun."
Grotheers Hauptkritikpunkt ist der, dass die Vereine von den geplanten Maßnahmen einfach nur in Kenntnis gesetzt worden sind, ohne dass im Vorfeld mit ihnen das Gespräch gesucht wurde. Gerade erst hätten sich die Vereine wieder einigermaßen von den Corona-Folgen erholt und schon kämen neue Sanktionen. Grotheer: "Wir benötigen keinen Tag der Ehrenamtlichen, wir benötigen keine Urkunden oder Pokale. Wir wünschen uns nur Wertschätzung unserer Arbeit durch die Gemeinde- und Kreisverwaltung."