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Fußball Warum die neue Spielform im Kinderfußball für Gesprächsstoff sorgt

Der Deutsche Fußball-Bund hat eine grundlegende Reform bei den jüngsten Nachwuchskickern erarbeitet und will diese nun schrittweise umsetzen. Wie das an der Basis ankommt.
16.09.2022, 20:07 Uhr
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Warum die neue Spielform im Kinderfußball für Gesprächsstoff sorgt
Von Tobias Dohr

Pennigbüttel. Die Verwirrung war da, aber nur kurz. Und sie war auch kein Grund zum Ärgern. „Weißt du, wie das Spiel ausgegangen ist?“ fragte der eine Trainer seinen Kollegen vom gegnerischen Team. „Ich glaube 4:1. Oder 3:1?“, entgegnete dieser eher fragend als wissend. Bei sechs wuseligen jungen Fußballerinnen und Fußballern, vier Toren und kaum regeltechnischen Vorgaben kann man schon mal den Überblick verlieren.

So erging es am vergangenen Sonntagvormittag vielen Zuschauern auf dem Fußballplatz des SV Komet Pennigbüttel. Dort fand das zweite Osterholzer Turnier im Rahmen der neuen Kinderfußball-Spielfeste statt. Der Deutsche Fußball-Bund (DFB) hat eine grundlegende Reform bei den jüngsten Nachwuchskickern erarbeitet und will diese nun schrittweise umsetzen (siehe untenstehender Text). Anfang September fand das erste U7-Turnier dieser Form in Hambergen statt, nun folgte die Veranstaltung für die Altersklassen U6 und U7 in Pennigbüttel. Und wie das so ist mit neuen Dingen: Man muss sich erst einmal daran gewöhnen.

Die Verunsicherung weicht

Im Gespräch mit den Trainern wird nämlich schnell klar: Die Verunsicherung war durchaus vorhanden im Vorfeld dieser neuen Spielform. „Natürlich war ich skeptisch, da bin ich auch ganz ehrlich“, sagt Sebastian Bortmann vom ASV Ihlpohl. Wie läuft das ohne Schiedsrichter? Wie kriegen die Kids das mit den jeweils zwei zu bespielenden Toren hin? Wie ist das für die Trainer, die ja eigentlich keinerlei Anweisungen mehr ins Feld rufen soll? „Eigentlich wirklich cool“, sagt Bortmann. „Vor allem für die Kids.“ So habe ein Spieler in seinem Team bisher noch nie ein Tor geschossen. In Pennigbüttel glückten nun gleich zwei. Ein riesiger Motivationsschub sei das für die Kinder, so Bortmann. Und vermutlich ist dieser nur aufgrund der neuen Spielform im Drei-gegen-Drei möglich.

„Ganz klar, die Kinder sind viel mehr in Bewegung und deutlich intensiver ins Spiel eingebunden“, hat auch Ronald Miesner beobachtet. Der Trainer vom TSV St. Jürgen ist ein alter Hase in Sachen Kinder- und Jugendfußball, seit vielen Jahren schon aktiv. Er will sich dieser neuen Spielform öffnen, weil er das Gefühl hat, dass es gerade für die ganz junge Altersklasse ein guter Einstieg ist. Ähnlich sieht es Miesners Trainerkollege Sören Weilandt: „Viele haben es im Vorfeld skeptisch gesehen, aber man muss ehrlicherweise sagen, dass alle Kinder mehr in Bewegung sind und auch Chancen auf Tore haben.“ Genau das sei bei der bislang angewendeten Spielform im Sieben gegen Sieben auf Jugendtore nur ganz selten der Fall.

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Dort nämlich „parken“ viele Jugendtrainer ihre vermeintlich schwächeren Talente oftmals hinten. So kommt es immer wieder vor, dass einige Nachwuchskicker in 50 Minuten Spielzeit nur zwei, drei Ballaktionen hatten – wenn überhaupt. Genau das passiert in der Spielform Drei-gegen-Drei auf zwei Minitore nicht mehr. So wird beim Gang an den einzelnen Spielfeldern entlang schnell eines klar: Die Kids haben einen unfassbaren Spaß.

Fast im Minutentakt wird gejubelt, gefeiert, abgeklatscht. „Wir sind das beste Team!“, ruft da der eine Junge seinem Mitspieler zu, nachdem dieser gerade ein Tor erzielt hat. 30 Sekunden später liegt der Ball dann auf der gegenüberliegenden Seite im Netz. Viele Torerfolge – das ist das, was im Fußball am meisten motiviert. Das ist der Plan des DFB – und das ist in Pennigbüttel auch sehr gut erkennbar.

Was für Kritik sorgt

Dennoch gab und gibt es natürlich auch ernst zu nehmende Kritik. Längst nicht alle können sich mit dem neuen System anfreunden. So ist beispielsweise der Zeitfaktor ein oft angesprochener Punkt. Drei Stunden sind für ein Turnier angesetzt, im Vergleich zu einem normalen Punktspiel also fast dreimal so lang. In der Tat könnte man in Erwägung ziehen, eine Gruppe eine Stunde am Stück spielen zu lassen, statt, wie in Pennigbüttel geschehen, zwei Gruppen immer im Wechsel. Dadurch ziehen sich die Turniere ziemlich in die Länge.

Auch die Aufteilung einer Vereinsmannschaft in mehrere kleinere Teams stößt einem Trainer, der namentlich nicht genannt werden will, übel auf: „So entsteht auf so einem Turnier kein Teamgeist, erst recht nicht, wenn man dann auch noch gegeneinander spielen muss.“ Vor allem aber stört sich jener Trainer daran, dass es keine großen Tore und keine Torhüter mehr gibt: „Die Kinder sehen ihre großen Vorbilder jede Woche und sollen jetzt an den Spieltagen eine Trainingsform umsetzen. Zudem möchte jedes Kind ja auch mal ins Tor. Zwei Kinder von mir haben ihre neuen Torwarthandschuhe den ganzen Vormittag im Rucksack umhergetragen.“

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Genau aus diesem Grund möchte Kreisjugendobmann Helmut Schneeloch die Spielform auch stets anpassen. Bereits in der Hallenrunde ist angedacht, die Jugendtore einzubinden, allerdings sollen diese dann im oberen Bereich abgehängt werden, damit die jungen Nachwuchstorhüter auch realistische Chancen haben, das gesamte Tor abzudecken. „Wir machen bestimmt nicht alles mit, nur weil es von oben vorgegeben wird, es muss am Ende schon Sinn machen“, sagt Helmut Schneeloch. Die Sorgen der Jugendtrainer will er ernst nehmen, auf der anderen Seite hat er aber auch bemerkt, dass sich einige deutlich mehr mit dem neuen System beschäftigt hätten als andere.

„Wenn da ein Trainer plötzlich mit vier Auswechselspielern am Spielfeldrand steht, weiß ich sofort, dass der sich im Vorfeld nicht ausreichend mit der neuen Spielform beschäftigt hat“, sagt Schneeloch. Für ihn liegt ein weiterer Vorteil auf der Hand: Nun könnten auch Vereine eine Mannschaft melden, wenn mal nur drei oder vier Aktive zur Verfügung stehen. „Früher mussten diese Kinder zuhause bleiben, jetzt nicht mehr“, ergänzt Max Dittrich, der im Osterholzer Kreisjugendausschuss federführend für die Umsetzung der neuen Spielform zuständig ist. „Man merkt sofort, wer das im Training mit den zwei Toren schon mal probiert hat. Die Kids schnallen das in der Regel ganz schnell und haben daran genau so viel Freude“, sagt Dittrich.

Helmut Schneeloch berichtet von einer langen Sprachnachricht einer begeisterten Mutter, die das neue System über den grünen Klee gelobt hätte. „Das Feedback ist zu einem ganz großen Teil positiv“, sagt der Kreisjugendobmann. Ähnliches hat auch Sören Weiland in seinem direkten Umfeld festgestellt: „Für die Eltern ist das gar nicht so schlecht, weil es hier eben nicht um drei Punkte geht, sondern um die Freude am Spiel.“ Ein Turniersieger wird nicht gekürt, erst am letzten Spieltag soll es für alle Kinder eine Medaille geben. Genau das ist es, was der DFB mit dieser Reform fördern will. Weg vom Konkurrenzdenken schon in den jüngsten Jahren, hin zu mehr Selbständigkeit und Fairplay sowie einer individuelleren Entwicklung der Nachwuchskicker.

Entgegen klassischen Denkweisen

Bereits im Frühjahr möchte der Kreisjugendausschuss die Spielfeldgrößen anpassen. Dann soll auch auf Kleinfeld im Fünf-gegen-Fünf auf Jugendtore gespielt werden. Und dann werden auch die Torhüter und Schiedsrichter wieder auftauchen. „Erlebnis vor Ergebnis, das ist in diesem frühen Alter das alles Entscheidende“, sagt Markus Dorrmann. Der DFB-Referent erläuterte die neue Idee des Kinderfußballs jüngst in einem Workshop noch einmal ausführlich – und räumte dort auch mit einigen weit verbreiteten Irrtümern auf. „Es sind in der Regel fast immer die Erwachsenen, die einfach diese klassischen Denkweisen im Kopf haben, wie Fußball abzulaufen hat. Die Kinder sind meist total offen für Neues und begeistert von dieser Spielform.“

Und in der Tat ist das auch der Eindruck, den man auf dem Platz in Pennigbüttel vermittelt bekommt. „Für diese Altersklasse ist es genau richtig, aber wir werden das natürlich von Jahr zu Jahr anpassen“, sagt Helmut Schneeloch und will diese Aussage auch als Beruhigung für die Kritiker verstanden wissen. Gleichwohl fügt er hinzu: „Es müssen sich alle Trainer auch wirklich mit dem neuen System beschäftigen wollen. Und das ist bisher leider noch nicht ausreichend der Fall gewesen.“

Zur Sache

Die neue Spielform im Kinderfußball im Überblick

Spätestens zur Saison 2024/2025 will der Deutsche Fußball-Bund (DFB) die Reform im Kinderfußball flächendeckend und verpflichtend umsetzen. Die veränderten Spielformen beziehen sich auf die Altersklassen G-, F- und E-Jugend. In der G- und F-Jugend wird dann keine Meisterschaftsrunde ausgetragen. Stattdessen sind Spielenachmittage und Festivals mit mehreren Mannschaften und Spielfeldern vorgesehen. Integriert in die Spielformen ist ein Rotationsprinzip mit festen Wechseln der Spielerinnen und Spieler, um allen Kindern Einsatzzeiten zu ermöglichen. 

In der G-Jugend (U6/U7) wird im Zwei-gegen-Zwei oder Drei-gegen-Drei gespielt, wobei jedes Team maximal zwei Einwechselspieler haben soll. Gespielt wird auf vier Mini-Tore, jede Mannschaft verteidigt also zwei Tore, einen Torwart gibt es nicht. Nach jedem Tor wechseln beide Mannschaften automatisch jeweils eine Spielerin beziehungsweise einen Spieler.

In der F-Jugend (U8/U9) soll möglichst nur noch im Drei-gegen-Drei gespielt werden, alternativ ist aber auch ein Fünf-gegen-Fünf möglich. Beim Drei-gegen-Drei gelten die Regelungen wie in der G-Jugend, beim Fünf-gegen-Fünf wird entweder auf vier Mini-Tore (ohne Torwart, fünf Feldspieler) gespielt oder auf zwei Kleinfeldtore (vier Feldspieler plus Torwart). Klare Empfehlung seitens des DFB ist es, sich in der F-Jugend auf das Drei-gegen-Drei zu konzentrieren. Auf Schiedsrichter wird verzichtet, bei eventuellen Streitigkeiten sollen die Trainer und Betreuer am Spielfeldrand gemeinsam mit den Kindern eine Lösung finden.

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