Wie war das noch vor 40 Jahren? Als es keine Smartphones gab und keine Playstation? Und dieses Internet nicht die junge Generation in die Twitter-Abhängigkeit getrieben hat? War das nicht schön? Da ging ein sechsjähriger Junge irgendwann ganz von alleine zum ortsansässigen Fußballverein und begann dort freudestrahlend mit dem Kicken. Wo sollte er auch sonst hingehen? Was sollte er auch sonst tun?
Und heute? In dieser medial gehetzten Zeit, in der die Kinder immer mehr Dinge zeitgleich machen können? Da geht ein sechsjähriger Junge irgendwann immer noch ganz von alleine zum ortsansässigen Fußballverein und beginnt dort freudestrahlend mit dem Kicken.
Der Fußball als solches hat nach wie vor eine ungebremste Anziehungskraft auf die jüngste Generation. Die Entwicklung im Jugendfußball gibt aber dennoch durchaus Anlass zur Sorge, blickt man auf die aktuellen Mitgliederzahlen, die der Niedersächsische Fußballverband (NFV) jüngst wieder mal veröffentlicht hat. Egal, ob auf Bundes-, Länder- oder Kreisebene – die Tendenz ist mehr oder weniger dieselbe: Die Anzahl der gemeldeten Fußballteams geht von Jahr zu Jahr zurück (siehe nebenstehender Bericht).
Doch die Gründe in diesem Rückgang lediglich in der veränderten Gesellschaft zu suchen und dem Internet pauschal die Schuld zu geben, wäre der falsche Ansatz. So sieht es jedenfalls Helmut Schneeloch. Und der kann es beurteilen. Seit vielen Jahren ist er als Kreisjugendobmann des Osterholzer Fußballverbands aktiv, begleitet die Jugendszene seit über 40 Jahren. Und Schneeloch ist sich sicher: „Die fünf- und sechsjährigen Kinder sind genau so einfach für den Fußball zu begeistern wie früher.“
Und das schlägt sich auch in Zahlen nieder. 30 F-Jugend-Teams sind derzeit im Landkreis Osterholz gemeldet, sogar 34 Mannschaften gehen in der E-Jugend an den Start. Und immerhin zwölf G-Junioren-Teams nehmen am Spielbetrieb teil. „Man muss ganz genau hinschauen, in welchen Bereichen die Zahlen zurückgehen“, sagt Helmut Schneeloch. Der Kreisjugendobmann hat 160 Teams im Jugendspielbetrieb. Im Vergleich zur Vorsaison ist das ein Rückgang von zwölf Teams (etwa sieben Prozent). Hochgerechnet auf ganz Niedersachsen ergibt sich ein absoluter Rückgang um 424 Jugendteams im Vergleich zur Vorsaison.
Richtig dramatisch werden die Zahlen, vergleicht man die aktuellen Werte mit denen von vor zehn Jahren. Unfassbare 44,3 Prozent weniger Mannschaften als am 1. Januar 2009 sind derzeit im Landkreis Osterholz gemeldet. Allerdings war in den Jahren im Nachgang der Fußball-Weltmeisterschaft im eigenen Land auch ein riesiger Fußball-Boom zu verzeichnen. Dennoch ist der Trend seitdem dauerhaft negativ und mittlerweile auf einem niedrigeren Niveau als vor dem WM-Hype.
„Wir werden im Bereich der A-Jugend und der B-Jugend auch in Zukunft immer wieder große Probleme kriegen“, glaubt Schneeloch. Ein eigener Spielbetrieb auf Kreisebene ist längst nicht mehr möglich, die Osterholzer kooperieren deshalb seit einigen Jahren mit dem Landkreis Verden. „Wir sind froh, dass wir da so eine gute Zusammenarbeit haben“, sagt Schneeloch. Bereits in der U 12 spielen die Vereine in gemischten Ligen, allerdings ausschließlich, um den Ligaalltag aufzuwerten und interessanter zu machen. Erst in den höheren Altersklassen ist die Zusammenlegung wegen des Teammangels notwendig.
Am 1. Januar 2009 waren im Landkreis Osterholz 18 A-Jugend-Teams und 26 B-Jugend-Mannschaften aktiv. Aktuell tummeln sich nur noch zehn beziehungsweise zwölf Teams auf den Plätzen. Aus 44 wurden also 22 Mannschaften. Immer mehr Vereine tun sich deshalb mit anderen Klubs zusammen und gründen Jugendspielgemeinschaften. Zwölf dieser JSG gibt es derzeit in Osterholz, in ganz unterschiedlichen Ausprägungsformen übrigens. Mal kooperiert der FC Hambergen mit dem SV Komet Pennigbüttel (U 14), dann mit dem TSV Steden (U 15).
„Diese Spielgemeinschaften sind mittlerweile sicherlich erforderlich, aber förderlich sind sie nicht“, findet Helmut Schneeloch. „Wir müssen versuchen, die Jungs und Mädchen solange wie möglich im Dorf zu belassen“, drückt es der Kreisjugendobmann aus. „Bei einigen Vereinen geht es in manchen Jahrgängen nicht alleine, aber man muss auch aufpassen, dass die kleineren Vereine nicht geschluckt werden“, so Schneeloch weiter. Er ist deshalb auch kein Freund von den sogenannten Jugendfördervereinen (JFV), bei denen sich drei oder mehr Vereine zusammentun, und den kompletten Jugendbereich vereinheitlichen.
Zwar entstünden daraus oftmals zunächst leistungsstarke Teams in der Spitze, in der Breite würden kurz- und mittelfristig aber fast immer Spieler verloren gehen – und die Spirale dreht sich somit weiter nach unten. Helmut Schneeloch sieht den Ansatz ohnehin eher woanders: „Wenn ich gute Trainer und gute Betreuer habe, dann sind die Kinder auch da. Dann sind sie zu begeistern.“ Beispiele dafür gebe es auch im Landkreis Osterholz immer wieder, wo sich vereinzelte Trainer gar nicht retten können vor Zulauf. „So etwas spricht sich rum, und dann kommen die Kinder ganz von alleine“, weiß Schneeloch.
Der Schlüssel liege deshalb in der Ausbildung der Trainer. Zum einen. „Qualifizierung ist gut, aber das ist nicht alles“, sagt Schneeloch und erklärt: „Es gibt wirklich sehr viele, die etwas machen könnten. Die das auch richtig gut machen könnten. Die aber einfach nichts machen wollen.“ Genau jene müssten aktiv werden. Nicht zuletzt, um Vorbild für die eigenen Kinder zu sein. Sich beteiligen, sich einbringen, für den eigenen Freundeskreis und die Gesellschaft.
Die Realität sieht oftmals anders aus: Übermäßig strenge oder unqualifizierte Trainer, ungeduldige oder überengagierte Eltern, zudem spielt der Zeitfaktor eine immer größere Rolle. Mit Blick auf die Ganztagsschulen ist das Stunden-Kontingent für Freizeit bei Schülern in den vergangenen Jahren stark zurückgegangen. Um 13 Uhr daheim sein, Hausaufgaben machen und dann ab zum Fußball – das ist kaum noch möglich in der heutigen Zeit. Die Ritterhuder Ganztagsschule geht bis 16 Uhr, wenn dann um 16.30 Uhr Training angesetzt ist, wird das für viele schon zu einem (überaus stressigen) Drahtseilakt.
Für Helmut Schneeloch besteht des Rätsels Lösung in einer ganz anderen, im Grunde genommen extrem einfachen Logik. „Ich bin jetzt seit 40 Jahren im Jugendfußball tätig. Und nicht deshalb, weil es keinen anderen gibt, der es machen will, oder ich mich an irgendetwas klammere. Sondern weil es mir einfach richtig Spaß macht, etwas mit den Kindern und für die Kinder zu tun.“ Genau das sei am Ende die größte Motivation. Und genau das bekomme man nirgendwo so echt widergespiegelt, wie bei den kleinen Kickern. Von jenen Kindern, die auch heute noch ganz von alleine zum Training kommen.
Weitere Informationen
Alle Jugendspielgemeinschaften (JSG) im Landkreis Osterholz:
JSG ATSV/Buschhausen
JSG Axstedt/Steden
JSG Axstedt/Wallhöfen/Steden
JSG Garlstedt/Heilshorn
JSG Hambergen/Pennigbüttel
JSG Hamme
JSG Meyenburg/Aschwarden
JSG Moormannskamp
JSG Lesumstotel/Platjenwerbe
JSG Scharmbeckstotel/Ihlpohl
JSG Steden/Hambergen
JSG WGE/Worphausen