Landkreis Osterholz. Jeder Hobbykicker weiß, was es für ein stinknormales Fußballspiel bedarf. Logisch: Zwei Mannschaften, möglichst mit jeweils elf Spielern. Einen Ball, zwei Tore und, ach ja, ein Schiedsrichter, das wäre auch ganz nett. Doch was bedeutet es eigentlich – rein logistisch gesehen – einen ganzen Landkreis den Bedürfnissen entsprechend mit Unparteiischen zu versorgen? Über genau diese Frage macht sich wohl kaum ein Amateurspieler je groß Gedanken. Schiris? Sind halt da, wenn das Spiel losgeht. Jedenfalls in den allermeisten Fällen.
Doch alleine im Landkreis Osterholz müssen an einem Wochenende mit vollem Spielbetrieb um die 80 Ansetzungen vorgenommen werden. Da wären zum Beispiel die Herren-Bezirksspiele, die Kreisliga (inklusive Assistenten) und sämtliche Kreisklassen, alle Senioren-Ligen und natürlich auch noch die Frauenligen (Kreisliga/Kreisklasse). Ach ja, und die Jugendspiele der A-, B- und C-Jugend auf Kreisebene. Und ein paar auf Bezirksebene (männlich sowie weiblich) noch obendrein. Und im Frühjahr kommt dann noch die D-Jugend-Kreisliga dazu. Kurz gesagt: Es läppert sich.
„Ganz grob geschätzt sind das so circa 80 Ansetzungen“, sagt Thomas Rehberg, der Vorsitzende des Kreisschiedsrichterausschusses. Die Hauptarbeit hat dabei Chris Barnick. Der für die TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf pfeifende Schiedsrichter ist verantwortlich für sämtliche Spielansetzungen. Und das ist eine echte Sisyphusarbeit. Denn natürlich wird kein Schiedsrichter gezwungen, an bestimmten Tagen zu pfeifen. Vielmehr können die Unparteiischen ganz gezielt Einschränkungen machen. Viele spielen selbst noch in einer Mannschaft, trainieren ein Jugendteam, oder müssen schlicht und ergreifend am Wochenende arbeiten.
Strafen im fünfstelligen Bereich
Chris Barnick muss sich also aus all diesen Vorgaben und Einschränkungen einen funktionierenden Spielplan zusammenbasteln. Und damit das überhaupt funktionieren kann, gibt es im Schiedsrichterwesen drei verschiedene Gruppen: aktive und passive Schiedsrichter, sowie jene, die die Kriterien für die Zählung als aktiver Schiedsrichter nicht erreicht haben. Diese werden zwar noch regelmäßig angesetzt, gelten aber nicht mehr für eine überaus wichtige Statistik. Denn generell gilt: Für jedes Team, dass ein Verein zum Spielbetrieb meldet (Herren, Damen, Senioren), muss der Klub auch einen Schiedsrichter stellen. Der Solidargedanke dahinter ist derjenige, dass jeder Verein nicht nur Schiedsrichter in Anspruch nimmt, sondern pro Mannschaft auch selbst (mindestens) einen aktiven Schiedsrichter stellen soll. Sonst würde das ganze System irgendwann nämlich nicht mehr funktionieren.
Wie weit die Vereine des Landkreises von dieser Vorgabe aber entfernt sind, zeigt ein Blick in die jüngste Statistik. 157 Mannschaften wurden zu Beginn der laufenden Saison gemeldet, demgegenüber stehen nur 102 aktive Schiedsrichter. Nur 16 der insgesamt 37 Landkreis-Vereine haben es geschafft, ihre Sollzahl zu erreichen. Die TSG Wörpedorf-Grasberg-Eickedorf und der FC Hambergen führen diese Rangliste mit insgesamt sechs fehlenden Schiedsrichtern an. Und dieses „Schiedsrichter-Minus“ kann teuer werden. Abhängig von der Klassenzugehörigkeit der ersten Mannschaft und den vereinseigenen Schiedsrichterzahlen der vergangenen Spielzeiten müssen die Vereine bei Nichterfüllung der Kriterien Strafen zwischen 100 bis maximal 300 Euro pro fehlenden Schiedsrichter zahlen. Über eine Spielzeit gesehen kassiert der Verband so Summen im fünfstelligen Bereich von den Vereinen.
Entgegenkommen des Verbands
Mit Stichtag 1. Juli 2019 zählte der Osterholzer Kreisverband 102 aktive Schiedsrichter und 77, die jene Kriterien nicht erreicht haben. Hinzu kommen 56 Passive. „Wenn nur noch die aktiven Schiedsrichter pfeifen würden, würden wir vorne und hinten nicht hinkommen“, sagt Lehrwart Marcus Nettelmann. Besonders ärgerlich für die jeweiligen Vereine sind dabei jene Schiedsrichter, die die Kriterien nicht mehr erfüllen, um als aktiver Schiedsrichter gewertet zu werden. Denn die Anforderungen sind wirklich nicht übermäßig hoch.
So hat der Kreisschiedsrichterausschuss einen Mindestbesuch von drei Lehrabenden und die Leitung von mindestens fünf Spielen pro Saison festgelegt. Und um den persönlichen Lebensumständen gerecht zu werden, gibt es sogar noch sogenannte Ausgleichsmöglichkeiten. So kann ein fehlender Lehrabend beispielsweise durch zwei zusätzlich geleitete Spiele ausgeglichen werden. Andersherum können zwei fehlende Spiele durch einen zusätzlich besuchten Lehrabend kompensiert werden. Nur wer diese Kriterien erfüllt, bekommt am Ende des Jahres seinen Schiedsrichterausweis verlängert.
Ein Wort noch zu den Strafgeldern: Die kommen am Ende auch wieder den Vereinen wieder zugute. Im vergangenen Jahr beispielsweise wurden von diesen angelaufenen Strafgeldern für alle Landkreisvereine kleine Trainingstore angeschafft. Ein paar mehr Schiedsrichter wären den Verantwortlichen aber deutlich lieber. Und wichtiger sowieso.
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Bis zu 40 Prozent Absagen sind Normalität
Kommende Woche wird Chris Barnick die Schiedsrichteransetzungen für den Monat Februar verschicken. Ende des aktuellen Monats versucht dies der Ansetzer des Osterholzer Kreisverbands jeweils für den kommenden Monat zu machen, damit die Schiedsrichter entsprechend planen können. Ein spezielles Programm, in dem die Schiedsrichter ihre sogenannten Freitermine eintragen können, hilft ihm dabei. Die eigentliche Arbeit beginnt für Barnick aber ohnehin erst danach. Denn in der Regel kommen 30 bis 40 Prozent dieser Ansetzungen durch verschiedenste Absagen nicht zustande, wie Lehrwart Marcus Nettelmann aus Erfahrung weiß. Und dann greift Chris Barnick – wohlgemerkt in seiner Freizeit – auch gerne mal zum Telefon. Und legt es dann längere Zeit nicht mehr aus der Hand. „Mein persönlicher Negativrekord lag bei acht Absagen“, erinnert sich Nettelmann an ein Kreisliga-Spiel, für das er noch einen Assistenten benötigte. Erst der Neunte, den Barnick kontaktiert hatte, sagte zu.