Osterholz-Scharmbeck. Gut Sandbeck bietet eine nahezu perfekte Kulisse, um vergangene Zeiten auferstehen zu lassen. Das Mittelalter war zwar bereits seit mehr als 200 Jahren Geschichte, als das heute noch stehende Gutshaus erbaut wurde, trotzdem bieten Park und Umgebung eine überzeugende Kulisse für diese ganz andere Art von Kultur und Lebensstil. Und so fand auch in diesem Jahr das schon traditionelle "mittelalterliche Hoffest" im Schatten der Gutsmauern statt.
Schmiede, Weberinnen, Lederarbeiter und Hersteller kleiner Kunstgegenstände schlugen für zwei Tage ihre Zelte rund um das alte Herrenhaus auf und zeigten – zugegebener Maßen nicht ganz authentisch –, wie das Leben im Zelt und am Lagerfeuer ausgesehen haben könnte. Die „Darsteller“ rekrutierten sich aus Mittelalter-begeisterten Angehörigen der „Liberi Effera“. Eine Gruppe von etlichen Mittelalterfans, die eher locker mit geschichtlichen Fakten umgehen und die Sache mit der authentischen Darstellung nicht gar so eng sehen. Mehr Wert legen die Mitglieder dafür auf den Spaßfaktor. Entsprechend gehören zu ihrer Gruppe sowohl Mitglieder des sogenannten „Marktvolks“ als auch Fans von „Live acting role playing“ (LARP) und Mittelalterinteressierte. Der Beitrag der einzelnen Liberi-Effera-Mitglieder zur Darstellung des Mittelalters war entsprechend breitgefächert.
Handwerkskunst
Die Mittelalter-Fans von Liberi Effera haben sich altertümliche Namen gegeben. Auf dem Hoffest gingen sie ihrer Rolle entsprechend einem Handwerken nach und zeigten in Schaukämpfen ihre Künste als Schwertträger. So wie etwa Ivar von Avalon, der bereit war, sich auf Gut Sandbeck wagemutigen Besuchern im Zweikampf zu stellen.
„Es ist schon faszinierend, hier zuzuschauen. Eigentlich kenne ich Rittersagen nur aus Büchern“, sagte Peter Seiler. Er war mit seiner Frau Ruth aus Süddeutschland in die Kreisstadt gekommen. Beim Hoffest hatte Seiler beim Riemer oder Täschner einen Gürtel und eine Gürteltasche für seine Frau erstanden. „Das ist echte Handwerkskunst!“, freute sich Seiler, und zeigte seine Funde.

Kochen über dem offenen Feuer war ebenfalls Teil des Mittelalter-Fests.
Auf dem Platz vor der Kunstausstellung gönnte sich das Paar nach dem erfolgreichen Kauf einen deftigen Snack. Unter den Speisen wählten sie einen „Mönchspieß“ auf Krautsalat im Brötchen aus. Das Pils, mit dem sie dies hinunterspülten, wurde in einem zünftigen Tonbecher serviert. „Da bleibt das Bier schön kühl drin, selbst wenn es die Pilsner Brauart damals sicher noch nicht gab“, vermutete Seiler und lachte. Im nächsten Moment folgte er dem Blick seiner Frau. Wie gebannt schaute sie einem Paar nach, dass über den Platz ging: eine elegant gekleidete Dame in langem Kleid mit Rosenbouquet, die in Begleitung eines Ritters war. „Die beiden sehen wie ein Brautpaar aus“, flüsterte Seilers Frau.
Sie hatte es erkannt: Ritter Gunnar und Edelfräulein Svenya gaben sich bei diesem Hoffest ganz neuzeitlich im Standesamt auf Gut Sandbeck das Ja-Wort. Dazu hatten sie sich im Stil der von ihnen geliebten Epoche gekleidet. „Ich hätte nie gedacht, dass heute so viele unserer Bekannten kommen würden“, staunte der Bräutigam. Schließlich seien sie ja kein junges Turtelpaar mehr, seien doch schon seit mehr als zehn Jahren ein Paar, verrieten die beiden noch.

Mit Hammer, Amboss und Feuer hat der Schmied sein Handwerk vorgeführt.
Währenddessen ließen sich die Mittelalterfans hinter dem Gutshaus in die Zelte schauen. Für die Kinder standen dort auch Spiele bereit. Spiele, mit einem gewissen Mittelalter-Bezug. Wie etwa „Rattenjagd“, bei dem (Plüsch-)Ratten auf ein Brett mit Rattenfallen geworfen werden mussten. Schnappte die Falle zu und hielt die Ratte fest, gab es eine Belohnung. Oder beim Kugelwerfen, wo zwei tennisballgroße, mit einem Seil verbundene Holzkugeln über ein Gestell geworfen werden mussten. Je mehr Kugelpaare auf dem Gestell hängen blieben, um so mehr Punkte erreichte der Spieler. An diesem Spiel versuchte sich Lennard schon eine Weile. Allmählich hatte er den Bogen raus. Nebenan widmete sich Luzia dem Rattenwurf und schaffte es tatsächlich, eine Ratte in der Falle festzuklemmen.
Kaum verschwand am Abend die Sonne hinter den Giebeln von Gut Sandbeck, kamen die Ritter, Handwerker und ihre neuzeitlichen Gäste auf der Wiese neben dem Herrenhaus zusammen. Dort standen inzwischen Feuerschalen, die ein warmes Licht unter den Bäumen verbreiteten. Die Feuerkünstler des „Freien Feuers“ wollten ihre Künste präsentieren. Das Ensemble bot den Zuschauern eine facettenreiche Show, die von Tanz bis Feuerjonglage und von kleinen Flammen bis großem Funkenmeer alles bot, was mit Feuer möglich ist.