Osterholz-Scharmbeck. "Ein bisschen Streichelzoo und Bierbude, Vielfalt geht anders" – mit diesen Worten drückt Nina Lilienthal ihre Enttäuschung über den vergangenen Herbstmarkt in Scharmbeck aus. Noch nicht einmal einen Blumenstand habe es dieses Jahr gegeben. "Es fehlt einfach dieses Drumherum von früher", zieht sie ein Resümee.
Der Markt, auf dem bis vor wenigen Jahren mit Vieh gehandelt wurde, findet im kommenden Jahr zum 275. Mal statt. Für Nina Lilienthal ist er eine Herzensangelegenheit. Sie selbst hat ihn schon als Kind besucht, schreibt sie in einer öffentlich einsehbaren Facebook-Gruppe. Dort sucht die 43-Jährige gerade nach Mitstreiterinnen und Mitstreitern, wie sich die Attraktion Lilienthals Worten zufolge auch tatsächlich wieder Attraktion nennen könne, sodass diese in letzter Konsequenz positiv auf die ganze Kreisstadt abstrahlt.
2024 noch in Planung
Die Verwaltung bewirbt den Markt auf ihrer Homepage unterdessen als "lebendige Tradition". Gerade die komme jedoch zu kurz, klagt Lilienthal. "Ich finde, solche Veranstaltungen sind nicht nur dazu da, um Party im Zelt zu machen", merkt die gebürtige Scharmbeckerin an. So schlägt sie herbstnahe Aktionen wie Kürbisschnitzen oder Apfeltauchen vor, wobei Kinder nach dem im Wasser schwimmenden Obst schnappen. Auch Wissen rund um Nutztiere könne man verbreiten, etwa wie lange ein Rind leben muss, bevor es geschlachtet wird.
Wie das Jubiläumsprogramm für 2024 aussieht, ist noch unklar. Zeitnah erfolgten "sowohl eine Nachbesprechung des Ablaufs des vergangenen Herbstmarktes sowie die Erörterung von Fragen zu möglichen Veränderungen für den kommenden Herbstmarkt", teilt Stefan Tietjen aus dem städtischen Fachbereich Wirtschaftsförderung, Kultur und Tourismus auf Nachfrage mit. "Danach werden wir mit Schwung an die Aufgaben herangehen."
Stadt ist offen für Vorschläge
Zuvor will Marcus Wiedelmann, Angestellter bei einer ortsansässigen Bank und Mitglied im Innenstadtbeirat, mit Nina Lilienthal sprechen und ihre Anregungen in die nächste Beiratssitzung im November einbringen. "Die grundlegende Frage wird sein, wie man den Herbstmarkt so gestaltet, dass er sich von anderen unterscheidet", sagt er. Dabei spielt der Spagat zwischen Tradition und Neuzeit eine Rolle, wie am Viehhandel deutlich wird: Wolle man weiterhin darauf verzichten, müsse man das zumindest in einen historischen Kontext setzen und erklären, meint Wiedelmann. Vor Ort biete sich an, im Bereich des traditionellen Ratespiels um das Gewicht des Herbstmarkt-Bullen Schautafeln zum Wandel des Viehhandels aufzustellen.
Mit einem Bauernmarkt und regionalen Spezialitäten wie beispielsweise ein eigens an den Markttagen erhältliches Bäckerbrot könne man zusätzlich neue konzeptionelle Schwerpunkte setzen, die gleichzeitig die Wirtschaft vor Ort ankurbeln, empfiehlt Nina Lilienthal. Um den Markt zu bereichern, brauche es einen klaren Blick von außen. Denn "manchmal ist man zu verkopft und steckt so sehr in der Materie drin, dass man Scheuklappen auf hat und diesen einen Weg vielleicht gar nicht sieht", erzählt sie weiter. Außergewöhnliche Fahrgeschäfte seien jedenfalls nicht Teil der Lösung, schließlich gebe es die auf den Osterwiesen oder auf dem Freimarkt zu Genüge. Da sich heute viele darüber aufregten, dass alles so schnell geworden sei, plädiert sie vielmehr für Entschleunigung: "Wenn sich die Stadt zeigen möchte, dann müssen wir eine andere Seite zeigen, aber auf keinen Fall dieses Höher, Weiter, Schneller."
Nachhaltigkeit eine Möglichkeit
Ein Blick über den Tellerrand zeigt, wie es auch gehen kann: Das Orga-Team des Wilstedter "Gartendelikatessen"-Herbstfests setzt zum Beispiel einmal mehr auf den Aspekt der Nachhaltigkeit. Regionale Produkte und deren Direktvermarktung über Hofläden, Lieferservice oder Märkte aller Art scheinen schließlich gefragter denn je. Die Vorteile: Wegen der kurzen Transportwege gelangen weniger Treibhausgase in die Atmosphäre und die Frische der Lebensmittel bleibt erhalten. Zuletzt hatte das Herbstfest in Wilstedt zwar unter der Corona-Pandemie und den damit anhaltenden Personalproblemen in der Gastrobranche gelitten. Doch mit Verkostungen, Weinseminaren und Event-Charakterorientierung, wonach die Leute ihre Speisen an Grillfeuertonnen selbst zubereiten und den Kontakt zueinander suchen können, will das Orga-Team wieder mehr Publikum anlocken.
Nina Lilienthal findet außerdem, dass es ruhig mehr Interaktion auf Festen geben könne. Auch für das kommende 31. Stadtfest hat sie einen Vorschlag parat: Sie bringt Musikbands aus der Region ins Spiel, die sich um einen Auftritt bewerben könnten. Nicht eine Jury, sondern Einwohnerinnen und Einwohner sollten darüber abstimmen, sagt sie. "Vielleicht kann man dazu sogar ein extra Event machen, eine Bühne haben wir ja bereits im Stadtpark stehen."