Osterholz-Scharmbeck. "Die Sprache ist die Quelle aller Missverständnisse", teilt der Fuchs dem "kleinen Prinzen" in der populären Erzählung von Antoine de Saint-Exupéry mit. Dieses bekannte Zitat wurde auch von Sophie Rosentreter bemüht, die in den Räumen der Sparkasse Rotenburg Osterholz in einem Vortrag Empfehlungen für den Umgang mit an Demenz erkrankten Menschen aussprach. Redewendungen etwa wie der "Wink mit dem Zaunpfahl" oder die "Katze im Sack" würden in der Regel nur zu Missverständnissen führen. Rosentreters Thema war freilich nicht allein die Kommunikation. Ihre Kernbotschaft für pflegende Angehörige: "Es gibt inzwischen jede Menge Hilfsangebote. Sie müssen nur in Anspruch genommen werden."
Die 47-jährige Hamburgerin war auf Einladung des Landkreises Osterholz in der Kreisstadt zu Gast, wo sie auch das Musterhaus zum Wohnen mit Zukunft besuchte, das 2023 zehnjähriges Bestehen feiert. Sophie Rosentreter tituliert sich selbst als "Demenz-Botschafterin", hat entsprechende Bücher veröffentlicht, verfügt über Erfahrungen als Unternehmerin und war an etlichen Fernsehproduktionen vor und hinter der Kamera beteiligt.
Steigende Zahlen erwartet
Die Referentin sprach bewusst nicht von Demenzerkrankten, sondern von "demenziell veränderten" Menschen, um ihre Persönlichkeiten nicht auf den Gesundheitszustand zu reduzieren. Dazu habe ihr eine selbst betroffene Person geraten. "Die Krankheit nimmt einem ja nicht die Würde, sondern das geschieht häufig nur durch den Umgang mit ihr." Neueren Berechnungen zufolge leben allein in Deutschland 1,8 Millionen Menschen mit einer Demenzerkrankung. Experten erwarten, dass diese Zahl bis 2050 auf annähernd drei Millionen steigen wird.

Demenz-Aktivistin Sophie Rosentreter war für einen Vortrag in Osterholz-Scharmbeck zu Gast.
Rosentreter informierte über die verschiedenen Formen und Symptome von Demenz und bemängelte, dass nicht ausreichend aufgeklärt werde. Sie sprach von ihrer an Demenz erkrankten Großmutter, deren Tochter sich aufopfernd um das Wohl der Pflegebedürftigen gekümmert habe, kaum Unterstützung annahm und die Mutter prompt nur um kurze Zeit überlebte. "Hilfe anzunehmen, ist kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke!" Umgekehrt tue es dem Erkrankten gut, wenn er dem pflegenden Angehörigen im Alltag zur Seite springen dürfe. "Und sei es nur das Kartoffelschälen."
Die ersten Nachtcafés, die eröffnet wurden, damit sich Angehörige für ein paar Stunden Ruhe gönnen dürfen, seien inzwischen wieder geschlossen – mangels Nachfrage. Es gebe etliche solcher Angebote, die erstaunlich wenig genutzt würden, angesichts der Tatsache, dass 70 Prozent der Gepflegten in den eigenen vier Wänden leben.
Piktogramme und bunte Teller
Der Alltag der kognitiv Eingeschränkten kann auf vielfache Weise ohne großen Aufwand erleichtert werden. Piktogramme und Farben, bunte Teller, können für eine bessere Orientierung eingesetzt werden. Spiegel sollten abgenommen werden. Statt dauernd die Ermahnung zu wiederholen, doch mehr zu trinken, sollte man einfach mal das Glas erheben und mit dem Erkrankten anstoßen.

Das Musterhaus zum Wohnen mit Zukunft besteht seit zehn Jahren.
Sophie Rosentreter: "Wir müssen akzeptieren, dass auch Tod und Krankheit zum Leben gehören." Es gebe inzwischen Restaurants mit an Demenz erkrankten Kellnern. "Dort bekommen sie mit 70-prozentiger Wahrscheinlichkeit etwas, was sie nicht bestellt haben."
Überhaupt würde ein entspannterer Umgang mit der Krankheit unserer "verkopften" Gesellschaft guttun. Wenn die Rationalität schwindet, gewinnen sinnliche Wahrnehmungen an Bedeutung. "Wir können lernen, mit Gefühlen umzugehen. Und das kann uns guttun." Sie spreche da aus eigener Erfahrung. "Früher habe ich die Krankheit als Feind gesehen, heute gibt sie mir zuckersüße Momente."