Osterholz-Scharmbeck. Die ehemalige Filiale der Commerzbank am Marktplatz hat eine neue Besitzerin. Die Firma Stehnke hat das in weiten Teilen leer stehende Gebäude gekauft und möchte daraus ein Fachärzte-Haus machen. Wohl Ende 2023, in etwas mehr als einem Jahr, könnte die erste Praxis einziehen. Zuvor steht einiger Abstimmungsbedarf an: Das Haus muss umfangreich saniert werden. Und auch der Durchgang unter den Arkaden soll geschlossen werden.
Die Bremer Saxum Immobilien KG, ein Tochterunternehmen von Stehnke, hat das mehrstöckige Gebäude am Marktplatz 10 erworben. Da, wo die Commerzbank einst ihre Filiale hatte, sollen künftig Mediziner Patienten behandeln. Vorgesehen ist, dass im Erdgeschoss eine Augenklinik eröffnet. Im ersten Obergeschoss sollen ein Diabetologe und in der zweiten Etage ein Onkologe samt ihrer Praxisteams arbeiten.
Aufwendige Sanierung
Das mehrstöckige Haus muss zuvor aufwendig saniert werden, wie Bauunternehmer Johann Gottfried Stehnke den Mitgliedern von Sanierungsbeirat und Planungsausschuss erläuterte. Der Investitionsbedarf sei nicht zu unterschätzen, mahnte der Geschäftsmann. Unter anderem fordert die Bauaufsicht ein zweites Treppenhaus.

Mitgliedern von Sanierungsbeirat und Planungsausschuss informierten sich bei einem Vor-Ort-Termin über das Haus "Marktplatz 10". Unternehmer Johann Gottfried Stehnke (Zweiter v.r.) beantwortete Fragen.
Damit gab es für den neuen Besitzer nach dem Kauf gleich mehrere Aha-Momente, wie Stehnke anlässlich einer Präsentation erläuterte. Die Brandschutz-Sachverständigen der Kreisbehörde hätten unter anderem zur Auflage gemacht, für den Betrieb des neuen Ärztehauses einen zweiten Rettungsweg einzurichten. Begründung: Im Brandfall sei die Menschenrettung per Drehleiter aus den oberen Geschossen für schwer kranke Patienten „nicht realisierbar“. Die Lebensrettung sei nur mit Zeitverzug möglich, erläuterte eine Architektin des Ritterhuder Planungsbüros HWB zur Vorgabe. Es dauere nach Alarmierung des Fahrzeugs einfach zu lang, bis es vorgefahren und die Leiter ausgefahren sei.
Zusätzlicher Rettungsweg nötig
Der zusätzliche Rettungsweg soll in Form eines weiteren Treppenhauses im Gebäude geschaffen werden. Aufgrund der baulichen Situation sei dieser nur auf der Gebäude-Nordseite, also zum Marktplatz hin, möglich. Auf der Südseite des Hauses, die zum Innenhof liegt, war in 1990er-Jahren ein Erweiterungsbau über dem Keller- und Erdgeschoss gebaut worden. Um das Haus barrierefrei zu machen, soll das vorhandene Treppenhaus einen Aufzug erhalten. Das Erdgeschoss soll um etwa 20 Quadratmeter erweitert werden.

Der Arkaden-Gang wird jeweils links und rechts vom Eingangsbereich zugunsten von mehr Nutzfläche im Gebäude geschlossen.
Ein weiterer Knackpunkt der Planung ist, dass der vorhandene Arkaden-Gang geschlossen wird. Zurzeit gibt es für diesen Bereich einen rechtskräftigen Bebauungsplan aus dem Jahr 1983 und damit besteht ein sogenanntes öffentliches Gehrecht für den Weg unterhalb des Dachüberstandes. Die „Laufachse“ habe sich aber anders als gewünscht entwickelt, stellen nicht die Vertreter der Stadtverwaltung nach 40 Jahren fest. Und auch Bauunternehmer Johann Gottfried Stehnke ist davon überzeugt, dass der Gang unter den Arkaden entbehrlich sei. Zudem könne die Wegebeziehung vor dem Haus im Zuge der Stadtsanierung neu ausgerichtet werden, sind viele Ratsmitglieder überzeugt.
Grüne enthalten sich
Anja Heuser (Grüne) will dieser Argumentation nur mit „Bauchschmerzen“ folgen, wie sie anlässlich der Sitzung des Planungsausschusses erläuterte. Natürlich sei auch sie dafür, das Gebäude in der Innenstadt zu beleben. Aber auf der anderen Seite gebe man ein Stück öffentliche Fläche der Bürger für das Vorhaben preis. Somit könne sie der beantragten teilweisen Befreiung vom geltenden B-Plan nicht zustimmen. Zusammen mit ihrer Fraktionskollegin Ute Gartmann enthielt sich Heuser später bei der Abstimmung ihrer Stimme.
Die CDU-Mitglieder im Planungsausschuss, Brunhilde Rühl und Dominik Schulte, befürworten die vorgelegten Pläne. Ebenso sieht es die FDP-Bürgerfraktion-Gruppe. Und auch die SPD ist vom Erfolg des Ärztehaus-Projekts in der Innenstadt überzeugt. „Ich finde, wir sollten das anpacken“, sagte Sozialdemokratin Anne Deutsch. Herbert Behrens von der Linksfraktion glaubt nicht an die oft geäußerte Prognose, dass das Ärztehaus mehr Frequenz ins Stadtzentrum bringt. „Ob der Klinikbau zur Belebung der Innenstadt beiträgt, lasse ich mal im Raum stehen“, sagte Behrens. Er war bei der späteren Abstimmung nicht im Ratssaal.
Nun entscheiden die Mitglieder des nicht-öffentlichen Verwaltungsausschusses am Donnerstag, 13. Oktober, wie mit der von Stehnke beantragten Befreiung von den Festsetzungen des Bebauungsplans Nr. 73 "Marktplatz" im Bereich des Gebäudes "Marktplatz 10“ umzugehen ist.