Der Sommer ist da. Das heißt für viele Menschen in der Region, dass sie ihre Freizeit draußen verbringen. Gern auch am und auf dem Wasser. Die Touristikagentur Teufelsmoor-Worpswede-Unterweser wirbt mit Paddeltouren auf Hamme und Wümme (wir berichteten). Kanus und Kajaks können direkt an der Hamme geliehen oder zu Wasser gelassen werden. Ein Wassergefährt, das explizit ausgenommen ist, sind Stand-up-Paddle-Boards (SUPs). Die aufblasbaren Gefährte, die in den vergangenen Jahren immer beliebter geworden sind, sind ausdrücklich nur im Bereich zwischen der Ritterhuder Schleuse und Tietjens Hütte sowie dem Hafenkanal in Osterholz-Scharmbeck erlaubt.
Das ist eine Regel, die Andrea Frost-zu Putlitz nicht versteht. Die Lilienthalerin verbringt zusammen mit ihrem Mann ihre Freizeit auch oft auf dem SUP. "Mir fehlt da die Logik", sagt sie und fragt: "Was ist bei SUPs anders, als bei Kanus, Kajaks oder was sonst noch auf dem Wasser unterwegs ist." Dass ausgerechnet das Paddeln auf dem Hafenkanal erlaubt ist, ergebe für sie auch keinen Sinn. Die Bretter machten keine Wellen. Das Ehepaar sei immer nach Neu Helgoland, um dort seine SUPs zu Wasser zu lassen.
Freunde seien zwischen Tietjens Hütte und Melchers Hütte mit ihren SUPs von der Wasserschutzpolizei angehalten worden. "Das habe ich erst mal für einen Scherz gehalten", sagt Frost-zu Putlitz. Die Polizisten, denen die Kontrolle "sichtlich unangenehm" gewesen sei, hätten mit einem Verwarngeld gedroht. "Am Ende ist es bei einer mündlichen Verwarnung geblieben." Als Begründung hätten die Freunde zu hören bekommen, dass die Paddler mit ihrer Silhouette das Problem wären. "Wenn ein Torfkahn sein Segel setzt, ist die Silhouette allerdings um einiges massiver", meint die Lilienthalerin.
Dass Stand-up-Paddeln nur im Bereich zwischen Ritterhuder Schleuse und Tietjens Hütte erlaubt ist, liege an Naturschutzbestimmungen, teilt der Landkreis Osterholz auf Nachfrage der Redaktion mit. "Die Hamme liegt in diesem von Ihnen beschriebenen Bereich vorwiegend innerhalb der Naturschutzgebiete Hammeniederung und Teufelsmoor", sagt Kreissprecherin Sabine Schäfer. Das Schutzgebiet sichere ein europäisch bedeutsames Vogelschutz- sowie Fauna-Flora-Habitat-Gebiet. "Darüber hinaus liegt in diesem Bereich das Naturschutzgroßprojekt von gesamtstaatlich-repräsentativer Bedeutung – GR-Gebiet – , in dem der Landkreis Osterholz sich mit einer Millionen-Förderung des Bundes zu einer dauerhafte Pflege und Entwicklung des Gebiets verpflichtet hat."
Schutz für Fischotter und Co.
Unter Schutz stünden Fischotter, ortsansässige Vogelarten, Brutvögel in den Wiesen, Uferfluren und in den Gewässern. "Ferner gehören auch Rastvögel dazu, die in der Mauserzeit und in der Zugzeit sehr empfindlich auf Störungen reagieren", erklärt Schäfer. In den Uferbereichen seien See- und Teichrosenfelder geschützt, da sie als Lebensraum für Fische und Libellen dienten. "Aus diesen Rahmenbedingungen ergibt sich, dass die Hamme nur in einem bestimmten Umfang zu Freizeitzwecken genutzt werden darf", so Schäfer. Dabei handele es sich um einen Kompromiss, der in den 2000er-Jahren ausgehandelt wurde. "In den 2010er-Jahren ist dieser Kompromiss dann durch Erlass der Naturschutzgebietsverordnung und der benachbarten Landschaftsschutzgebietsverordnung verbindlich geregelt worden."
Bei der Freizeitnutzung seien die für die Region typischen Torfkähne, die Boote der an der Hamme ansässigen Vereine und Campingplätzen berücksichtigt worden, erklärt die Kreissprecherin. Nur diese seien – teilweise oder in bestimmten Bereichen mit Ausnahmegenehmigung – erlaubt. "Dabei handelt es sich um Bestandsschutzregelungen", erklärt Schäfer. Stand-up-Paddle-Boards hätten zum Zeitpunkt der Regelung noch keine Bedeutung gehabt. "Die Zulassung von Stehboarden bedeutet eine Intensivierung der Freizeitnutzung, die in Teilbereichen der Hamme nicht mit den Naturschutzzielen in Einklang zu bringen ist." Deshalb sei die Nutzung von SUPs nur in "weniger störungsempfindlichen Bereichen" erlaubt.
Bootsverkehr zwischen Ritterhude und Tietjens Hütte
Auf der Hamme flussabwärts nach Ritterhude sei bereits eine "erhebliche Vorbelastung durch den Bootsverkehr" bemerkbar. "In diesem Bereich gibt es zudem eine ganze Reihe von Altarmen, welche nicht befahren werden dürfen und wichtige Rückzugsräume für störanfällige Tierarten bilden", sagt Sabine Schäfer. Oberhalb von Tietjens Hütte fehlten diese Altarme. Und auch die Silhouette der Stehpaddler spiele eine Rolle. Da sie die Uferböschung überragen können, könnten störanfällige Tiere aufgeschreckt werden. "Für die Ausübung des Stand-up-Paddling-Sports stehen ausreichend weitere Wasserflächen zur Verfügung", sagt Schäfer und verweist darauf, dass Schutzgebiete im Landkreis etwa eine Fläche von 30 Prozent ausmachen. Potenziell nutzbare Gewässer für das Stehpaddeln bestehen unter anderem im Bereich von Viehspecken bis zur Kreuzkuhle, teilt der Landkreis weiter mit.