Landkreis Osterholz. Seit 2017 hoffen Andreas Eckelmann und seine Familie darauf, dass die Störche sich auf ihrem Hof in Scharmbeckstotel ansiedeln. Schließlich hatten sie im Januar desselben Jahres einen Horst für sie errichtet. Ein zweiter kam im Februar 2019 hinzu. Tipps dazu gab's von Udo Hilfers, dem Leiter der Storchenpflegestation in Berne. Doch die Störche ließen auf sich warten. In diesem Frühjahr nahmen die Stelzvögel die Einladung schließlich an. Seit dem 1. Juni wissen ihre Gastgeber außerdem: „Sie haben drei Küken.“
Das Eckelmannsche Storchenpaar ist eines von zehn, die sich in diesem Jahr neu im Landkreis Osterholz angesiedelt haben. „2019 hatten wir 35 Paare, diesmal sind es 45“, berichtet Ortwin Vogel, Landkreis-Storchenbeauftragter des Naturschutzbundes Deutschland (Nabu). Neben Scharmbeckstotel sind auch Nester in Ritterhude an der Nordseite, in Freißenbüttel, in Hambergen, in Bornreihe und in Vollersode sowie in Schlußdorf, in Mooringen und in Lilienthal (Meyerdierks) erst mal bezogen worden. Im Tiergarten Ludwigslust sei die aus vier Paaren bestehende Kolonie auf fünf Storchenpaare angewachsen, teilt er mit.
Mithilfe des Ringes, den der Storch am Bein trägt, konnte Eckelmann feststellen, dass es für seinen Storch die erste Familiengründung ist: „Laut Ringnummer ist er 2017 in Fischerhude geboren.“ Bis Adebar und seine Partnerin sich aufs Brutgeschäft konzentrieren konnten, sei es noch spannend geworden. Denn kaum hatte sich das Paar auf dem Horst niedergelassen, tauchte ein weiterer Storch auf. Auch der wollte das Nest, erzählt Andreas Eckelmann: „Die haben heftig gekämpft.“ Dabei gebe es noch den zweiten Horst. Aber den verschmähten die Vögel. Letztlich behielt der Single-Storch die Oberhand, vertrieb das junge Paar, um dann selbst mit seiner eigenen Partnerin abzuwandern. „Daraufhin kehrte das erste Storchenpaar zurück.“ Auch das habe ihm die Ringnummer verraten.
In Bornreihe wollten sich die Störche zunächst ebenfalls nicht ansiedeln. Dabei hatten dort Friedhelm und Bärbel Lütjen zusammen mit ihren Nachbarn bereits vor sieben Jahren Nester für die Schreitvögel errichtet. Ein Landwirt aus der Gemeinde hatte den acht Storchenfans mit seinem Trecker geholfen, die gut zehn Meter langen Masten aufzurichten. „Ein Nest kam nach Giehler Moor, eins nach Friedensheim und eins hinter unser Haus“, erzählt Friedhelm Lütjen. Aber nur das Friedensheimer war von den Störchen bis zu diesem Frühjahr angenommen worden. „Auf unserem saß zwar öfters ein Storch; der hat aber nur alle anderen vertrieben.“ Deshalb hätten sie diesen Februar ein zweites Nest auf ihrem Grundstück aufgestellt. Der alte und der neue Horst liegen knapp 100 Meter auseinander. 100 Meter, die den Unterschied ausmachen: „Es hat auf Anhieb geklappt“, sagt Friedhelm Lütjen. „Am 19. März war das Storchenpaar da“, bestätigt seine Frau Bärbel. Vom Wohnzimmer und der Terrasse aus können sie das Nest sehen. Daher wissen sie seit Kurzem, dass „ihre“ Störche auch Nachwuchs haben. Drei Küken schauten über den Nestrand.
Wie viele der Jungstörche im Spätsommer den Flug gen Süden antreten werden, ist noch völlig ungewiss. Erst wenn ihr Federkleid komplett ist, seien sie aus dem Gröbsten raus, meint Ortwin Vogel. Andreas Eckelmann ist daher froh, dass es in den vergangenen Tagen geregnet hat. Dadurch seien die Regenwürmer im Boden wieder nach oben gekommen. „Jetzt finden die Störche genug Futter für ihre Jungen“, hofft der Scharmbeckstoteler. In den vergangenen Wochen habe das noch anders ausgesehen.
Ideales Storchen-Wetter
Die aktuelle Wetterlage sei tatsächlich ideal, findet Ortwin Vogel. „Es ist nicht zu kalt, es gibt ab und zu Schauer und dazwischen Sonne, die die Vögel trocknet.“ Falle zu viel und zu lange Regen, könnten die kleinen Küken in älteren Nestern, deren Böden durch den Kot hart und dicht wie Beton seien, ertrinken. Oder ihre Eltern, die dann selbst durchnässt seien, könnten sie irgendwann nicht mehr wärmen. Dann würden die Küken krank und könnten sterben. Ist es hingegen zu trocken, fehlen die Regenwürmer, mit denen sie in den ersten sechs Lebenswochen gefüttert werden.
Im vergangenen Jahr profitierten die Störche bei der Nahrungssuche von den Mäusen, die in Massen in den Wiesen lebten. „Aber deren Bestand ist eingebrochen“, berichtet der Storchenbeauftragte. Für ihn ist das keine Überraschung. Die Population breche alle vier Jahre ein, um sich über die nächsten Jahre erneut aufzubauen. Genau das sei nun passiert. Dadurch falle allerdings das Nahrungsangebot für die Störche kleiner aus. Er wisse aber noch von keinem Storchenpaar, das in diesem Jahr eines seiner Jungen aus dem Nest geworfen hat, weil es nicht genügend Futter für alle gab.
Es scheint also gut um den Nachwuchs zu stehen: „Die Störche, die im Februar aus ihren Winterquartieren zurück waren, haben jetzt kräftige Jungvögel“, bestätigt Vogel. Meist habe er drei bis vier Tiere je Nest gezählt. Die Störche, die über die Ostroute zurückgekehrt seien, kamen erst im April und Mai an. Wie es um ihre Brut steht, wisse er nicht. Einige von ihnen würden noch auf den Eiern sitzen.
Auf seinen Touren durch den Landkreis hat Ortwin Vogel außerdem zahlreiche „Junggesellen“ bemerkt. Störche, die noch zu jung sind, um eine Familie zu gründen. „Vor etwa vier Wochen war ein Schwarm von 25 solcher Jungstörche bei Tietjens Hütte unterwegs.“ Inzwischen habe sich die Gruppe offensichtlich geteilt. Trupps von etwa zehn Junggesellen seien unter anderem in Buschhausen und in Brundorf gesehen worden. Bis Mitte August werden die Störche im Landkreis unterwegs sein. Dann zieht es sie wieder in den Süden: nach Frankreich, Spanien und Afrika.