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Insolvenz mit Stellenkürzung einstweilen abgewendet / Kreisverwaltung: Können Zuschuss nicht erhöhen Verein für Jugendhilfe ruft nach Hilfe

Der Verein für Jugendhilfe hat zuletzt vom Ersparten gelebt; jetzt fehlen jährlich rund 35000 Euro. Die Kürzungen haben begonnen, doch den Vorstand treibt weiter die Sorge um, der Kreis und die Kommunen könnten bei einer Beitragserhöhung ihre Mitgliedschaft kündigen.
13.06.2013, 05:00 Uhr
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Verein für Jugendhilfe ruft nach Hilfe
Von Bernhard Komesker

Der Verein für Jugendhilfe hat zuletzt vom Ersparten gelebt; jetzt fehlen jährlich rund 35000 Euro. Die Kürzungen haben begonnen, doch den Vorstand treibt weiter die Sorge um, der Kreis und die Kommunen könnten bei einer Beitragserhöhung ihre Mitgliedschaft kündigen.

Landkreis Osterholz. Die Rücklagen sind aufgebraucht, dem Verein für Jugendhilfe im Landkreis Osterholz steht das Wasser bis zum Hals. Nun sieht der Zusammenschluss aus Landkreis, Gemeinden und Einzelförderern die Qualität seiner Arbeit bedroht. Sie besteht in der Beratung und Begleitung von straffällig gewordenen Jugendlichen, teils nach richterlicher Weisung, in Gruppen und als Einzelfallhilfe. Im Täter-Opfer-Ausgleich engagieren sich die beiden hauptamtlich Beschäftigten, Frank Meyer und Thomas Horn, ebenso wie in der Elternarbeit und der sogenannten Kifferberatung. Weil der Jugendverein keine Mittel mehr hat, dem Diakonischen Werk vertragsgemäß die Personalkosten für beiden Sozialpädagogen zu erstatten, wurde Horns Stelle zum 1. Juni 2013 halbiert.

Der Vorsitzende des Trägervereins, Erhard Mackenberg, betonte vor der Mitgliederversammlung, es gehe um die Sicherung einer beispielhaften Arbeit. Bisher sind alle Versuche gescheitert, bei der öffentlichen Hand auch nur einen Cent mehr für Resozialisierung und Prävention lockerzumachen. Besonders wurmt Mackenberg, dass der Mitgliedsbeitrag für Landkreis und Gemeinden seit 1994 nicht erhöht wurde – und man sich in den Rathäusern und im Kreishaus dennoch zugeknöpft zeigt. Die Beiträge der kommunalen Mitglieder summieren sich nach Angaben von Vereinsschatzmeister Helmut Tietjen aktuell auf 63000 Euro pro Jahr. Mackenberg: "Es war mein Fehler, nicht alle zwei Jahre um 200 Euro extra zu bitten."

Kreisrätin Heike Schumacher und Grasbergs Bürgermeisterin Marion Schorfmann betonten übereinstimmend, das Ganze sei keine Frage des Wollens oder fehlender Wertschätzung. Jedoch gebe es viele Begehrlichkeiten wie Musikschule oder Tierschutzverein, so Schumacher. "Der Kontrakt zwischen Kreistag und Verwaltung sieht vor, dass jede Mehrausgabe an anderer Stelle wieder eingespart werden muss." Den klammen Kommunen seien die Hände gebunden, sekundierte Schorfmann: "Darauf achten auch die Rechnungsprüfer."

Mackenberg widersprach: Der Kieler Universitätsprofessor Heribert Ostendorf von der Forschungsstelle für Jugendstrafrecht und Kriminalprävention habe unlängst dargelegt, dass die Finanzierung der Beratungsarbeit nach einer Gerichtsverhandlung von Landkreis und Jugendgerichtshilfe gemeinsam zu tragen sei. Insofern gebe es die Mitverantwortung des Landkreises, sich stärker zu engagieren.

In den Rechtsauffassungen kamen Mackenberg und Schumacher an diesem Abend nicht auf einen Nenner; auch nicht in der Frage, ob der frühere Landrat Jörg Mielke vor seinem Weggang nach Hannover im Vorstand falsche Hoffnungen geweckt haben könnte oder nicht. Tatsache ist: In der Monatssitzung der Verwaltungsspitzen aus dem Kreisgebiet hat der Verein bisher nicht für sich werben können.

"Sie kennen die Schwachen nicht"

Horst Pohl, Berufsschullehrer im Ruhestand, ging Heike Schumacher hart an: "Es ist unsere Aufgabe, die Schwachen der Gesellschaft zu stützen und wir haben sogar einen finanziellen Vorteil davon", mahnte er. Damit spielte der Pädagoge auf den volkswirtschaftlichen Nutzen an, wenn Heranwachsende nicht dauerhaft auf der schiefen Bahn landen. Pohl wetterte weiter: "Ihre Musikschule ist drittrangig; Sie kennen die Schwachen nicht."

Die kommissarische Verwaltungschefin im Kreishaus wies das zurück und erklärte: "Jeder Verein muss seine Ausgaben an den Mitteln ausrichten, die er hat." Hintergrund: Laut Tätigkeitsbericht von Meyer und Horn hat die Einbeziehung der Elternhäuser zugenommen. Jugendrichter und andere Fachleute halten das für vorrangig, weil der "systemische Ansatz" besonders nachhaltig wirkt. Doch gerade der ist reiner Zuschussbetrieb – und die Geldbußen keine kalkulierbare Größe für den Verein.

Im vergangenen Jahr betreute der Verein nach richterlicher Weisung 63 junge Menschen zwischen 14 und 22 Jahren, 90 Prozent davon männlich. Eine Ausweitung des Täter-Opfer-Ausgleichs wiederum, in dem sich Horn bisher als Vollzeitkraft stark engagierte, könnte ebenfalls frommer Wunsch bleiben. Zuletzt hatte es sich bewährt, bei der Verhandlung über Wiedergutmachung jede Partei durch einen eigenen Vermittler zu begleiten. Wenn sich nichts tut, werden Horn und Meyer ihre Arbeit künftig anders aufteilen müssen. Kirche oder Diakonie hätten ihm noch keine Perspektive gebeten, so Horn.

Kripo-Chef Hartmut Sonström erkundigte sich nach dem Worst-Case-Szenario: Ob eine Beitragserhöhung zum Austritt der Kommunen führen könne. Marion Schorfmann und Heike Schumacher empfahlen, an dieser Frage nicht zu rütteln, und Schatzmeister Tietjen sagte, er habe auch aus Lilienthal das Signal vernommen, eine Beitragserhöhung könnte womöglich eine komplette Streichung heraufbeschwören.

Weil aber ein kleineres Tätigkeitsfeld eine Abwärtsspirale etwa auch bei den Landeszuweisungen und Geldbußen in Gang setzen könnte, warb Hermann Wellbrock (Jugendstiftung Kreissparkasse) für mehr Mut: "Wir sollten dem Kreistag und den Räten die Chance geben, sich zu erklären." Tatsächlich sei den Kommunen durch die Arbeit des Jugendhilfe-Vereins bisher so manche Mehrausgabe erspart geblieben. Bei der Abstimmung, ob der Verein an die Parteien, Fraktionen und Landratskandidaten herantreten solle, stimmte am Ende Heike Schumacher als einzige mit Nein.

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