Landkreis Osterholz. Die Wölfe im Landkreis Osterholz haben Nachwuchs: Im Waldgebiet rund um Schmidts Kiefern wurden Junge gesichtet. Augenzeugen konnten beobachten, wie Welpen und Elterntiere die Umgebung erkunden. Spaziergänger, die auf die Tiere treffen, sollten Verhaltensregeln befolgen.
Die Wolfsberater im Landkreis Osterholz hatten anfangs sieben Jungtiere beim Garlstedter Wolfsrudel nachgewiesen, wie die Kreisverwaltung in einem dreiseitigen Schreiben mitteilt. Im Juli 2020 sei ein Jungtier – wahrscheinlich unter natürlichen Umständen – verendet, teilte Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann am Dienstag mit. Das nun nachgewiesene Rudel mit den sechs übrigen Welpen lebt wohl im Bereich Schmidts Kiefern und Heidhof, wie Osterholzer Wolfsberater ausgemacht haben.
Dass Wölfe in Garlstedt sesshaft sind, zeigt sich seit Jahren: Im Frühjahr 2017 war wiederholt ein Wolfspaar im Wald zwischen Garlstedt, Heilshorn, Schwanewede und Meyenburg gesichtet worden. Anlässlich des Wolfsmonitorings war damals das Vorkommen von insgesamt vier Welpen bestätigt worden.
Für die Kreisverwaltung ist denkbar, dass Waldspaziergänger auf die Tiere treffen. Deshalb ist in Zusammenarbeit mit Wolfsberatern ein Verhaltenskodex aufgestellt worden. Es gilt: Bei Sichtkontakt mit den Welpen sollten die Menschen genügend Abstand einhalten. Besonders dann, wenn sich Wolfswelpen, die von Natur aus neugierig sind, den Menschen nähern sollten. „Man sollte sich dann vorsichtig zurückziehen“, rät Wolfsberater Heiko Ehing.
Mit Respekt und Abstand
Für Laien sei der Unterschied zwischen Jung- und Alttier schwierig auszumachen. Wolfswelpen sind mit sechs Monaten nämlich körperlich ausgewachsen, betont Ehing. Da es sich um „sehr große Raubtiere“ handele, denen man „unbedingt mit dem notwendigen Respekt“ begegnen müsse, gelte es, Verhaltensregeln zu beachten. Stehe man unerwartet einem oder mehreren Wölfen gegenüber, so empfiehlt Ehing: „Laut rufen, sich etwa mittels einer geschwenkten Jacke größer machen und selbstbewusst, aber langsam, den Rückzug antreten.“ Beim Beobachten sei ein „respektvoller Abstand“ einzuhalten. „Fühlen Sie sich unwohl, ziehen Sie sich langsam mit Blickrichtung zum Tier zurück“, so sein Tipp an Spaziergänger. „Rennen Sie – wie auch bei Begegnungen mit unbekannten Hunden – nicht weg, das könnte den Jagdreflex auslösen.“
Sollte das Tier den Menschen bemerken, werde es sich in der Regel zurückziehen. Dieser Rückzug erfolge meist in Form eines langsamen Davontrabens. Dabei drehe sich das Tier eventuell auch mehrfach um. „Wenn es die Situation zulässt, machen Sie Fotos. Verfolgen Sie das Tier aber nicht“, heißt es in der Landkreis-Mitteilung. Folge ein Tier wider Erwarten dem Spaziergänger, sollte dieser anhalten und selbstsicher auftreten. „Gehen Sie eher auf das Tier zu als von ihm weg. Machen Sie Lärm und versuchen Sie, das Tier einzuschüchtern, indem Sie sich zum Beispiel groß machen, Arme und Kleidungsstücke schwenken, es anschreien oder auch mit Gegenständen bewerfen.“ Hundebesitzer sollten ihr Haustier an der Leine halten. Losgelassen laufe der Hund Gefahr, von Wölfen als Eindringling angegriffen zu werden.
Auch Radfahrer und Reiter sollten beim Rückzug den Wolf im Blick behalten. Autos und andere Fahrzeuge würden von Wölfen meist nicht als bedrohlich empfunden, daher zeigten die Wildtiere meist auch keine Scheu. „Wenn man also im Auto sitzt und in die Hände klatscht, reagiert der Wolf gegebenenfalls nicht.“ Allgemein gilt: „Füttern Sie das Tier unter keinen Umständen!“ Wer Wölfe füttere, gewöhne die Tiere an „die bequeme Nahrungsquelle“. Sie könnten aufdringlich und eventuell gefährlich werden. „Auch Weidetierhalter müssen sich weiterhin darauf einstellen, ihre Tiere vor dem Wolf zu schützen“, stellt Landkreis-Sprecherin Jana Lindemann klar. Sie verweist auf bisher fünf Vorfälle in 2020, bei denen ein Wolfsriss möglich erschien. „In einem Fall lag eine Falschmeldung vor, in einem weiteren Fall konnte der Wolf nicht als Verursacher nachgewiesen werden, und in drei Fällen läuft die Untersuchung noch“, sagt Heiko Ehing. Hobbyschäfer Ralf Reinhardt, der seine Schafe zuletzt im Regenrückhaltebecken in Heilshorn hat weiden lassen, versucht, es sachlich zu sehen. „Das Miteinander von Wolf, Haustier und Mensch kann nur funktionieren, wenn für jeden Beteiligten genügend Raum vorhanden ist“, betont er. „In der Industrielandschaft aber hat der Wolf keine Chance auf ein würdiges Dasein.“ Bislang ist seine 60 Schafe zählende Herde in Hoope, Wulsbüttel und Bargten von Wolfsangriffen verschont worden. Dies dürfte unter anderem an seinen Schutzzäunen liegen, ist er überzeugt. Seine Zaunanlagen würden in den kommenden Wochen für zig Tausende Euro komplett überholt, kündigt er an. Der Wolf koste nicht nur ihn, sondern jeden Steuerzahler viel Geld, macht er klar. „Schon jetzt kostet jeder Wolf die Allgemeinheit etwa 500 000 Euro“, schätzt Ralf Reinhardt.
Der Wolfsberater Heiko Ehing steht Spaziergängern oder Weidetierhaltern für Fragen unter Telefon 0 47 95 / 95 64 00 zur Verfügung. Bei ihm können Wolfssichtungen (am besten mit Foto) gemeldet werden. Die Wolfsberater dokumentieren die Hinweise. Insgesamt gibt es für 2020 aus Osterholz 56 sichere Nachweise, die beim Wolfsmonitoring in Hannover erfasst sind. Dazu gibt es weitere 25 Meldungen, bei denen ein Wolfsvorkommen wahrscheinlich ist.