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Vogelgrippe und Futterkosten Gänse sind knapp: Warum der Weihnachtsbraten dieses Jahr teurer wird

Ganz viel Gans wird in den sechs Wochen bis Weihnachten gegessen. Doch dieses Jahr sind in Niedersachsen weniger Gänse in der Vermarktung. Wie wirkt sich das auf Verbraucher aus?
11.11.2021, 05:00 Uhr
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Von Irene Niehaus

Knapp 100 weiße Gänse watscheln auf der Weide an der Dorfstraße in Bülstedt umher. Der Hof gehört Tanja und Andree Cordes. Die Tiere leben in ihrem Betrieb in Freilandhaltung. Sobald sich ihnen jemand nähert, schnattern sie wie wild drauf los. "Gänse sind gute Wachhunde", weiß Tanja Cordes, auf deren Hof auch 200 Enten sowie Hühner und Schafe leben. Die Tage ihrer Gänseschar sind gezählt. Zu Weihnachten soll das Geflügel als Braten auf den Tisch kommen. Zwei von ihnen hat es schon am Mittwoch erwischt. Sie enden an diesem Donnerstag zu St. Martin in der Röhre.

In den sechs Wochen bis Weihnachten werden in Deutschland traditionell die meisten Gänse gegessen. Für viele Menschen gehört am Fest des Heiligen Martins, der laut Legende vor vielen Hundert Jahren von Gänsen zu seinem eigenen Wohl verraten wurde, und an Weihnachten ein Gänsebraten einfach dazu. Und ab November bieten viele Gasthöfe Gänsegerichte an, traditionell begleitet von Rotkohl, Kartoffeln und Klößen.

Viele Gänse wurden wegen der Vogelgrippe gekeult

Niedersachsenweit sind rund 194.000 Gänse registriert. Weidegänse sind ab der 20. bis 26. Lebenswoche, maximal zur 32. Lebenswoche schlachtreif. In diesem Jahr seien deutsche regionale Gänse sehr knapp, ohne eine rechtzeitige Vorbestellung dürfte für Heiligabend nichts zu bekommen sein, so die Landwirtschaftskammer Niedersachsen. Hintergrund: Viele Elterntierbestände hätten beim letzten Seuchenzug der Vogelgrippe gekeult werden müssen. Davon betroffen waren laut dem Landvolk unter anderem auch Zuchtgänsebestände in Niedersachsen, in denen das Geflügelpestvirus nachgewiesen wurde, so dass die Tiere getötet werden mussten, um einer Verbreitung entgegenzuwirken.

Tanja und Andree Cordes können ihren Kunden dieses Jahr genauso viele Frisch-Gänse anbieten wie in den Vorjahren. "Wir haben sie bereits im April und Mai bei unserem Zuchtbetrieb im Landkreis Harburg bestellt und sie auch alle bekommen", erzählt die 51-Jährige. Von Gastronomen und Großhändlern habe sie aber gehört, dass der Gänsemarkt wie leergefegt sei. Dieter Oltmann von der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft schätzt, dass 25 bis 35 Prozent weniger Ware auf dem Markt ist.

Gänse kosten rund 20 Prozent mehr im Unterhalt

Mit etwa vier bis sechseinhalb Kilogramm kommen die Gänsedamen und Ganter bei den Cordes in den Verkauf, erklärt die Chefin. Der Kilopreis sei im Vergleich zu den drei Vorjahren mit 17,90 Euro pro Kilo stabil. Allgemein seien die Preise für regional aufgewachsene Gänse und Enten gestiegen, sagt Dieter Oltmann von der Niedersächsischen Geflügelwirtschaft. Die Gänse kosten ihm zufolge um bis zu 20 Prozent mehr als im Vorjahr, das sei aber eher den gestiegenen Futterkosten als der Knappheit geschuldet.

Im Juli bekamen Tanja und Andree Cordes die 100 Gänseküken. Da waren die Gössel etwa drei Wochen alt und nicht wesentlich teurer als im Vorjahr, berichtet Tanja Cordes. Einen Tag verbrachten sie im Stall zum Eingewöhnen, bevor es tagsüber ins Freiland ging. Nur für die Nacht werden die Gänse eingesperrt. Die Vögel bekommen das Jahr über außer Wasser und Weizen kein zusätzliches Futter. 

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Tipp: Gänsebraten rechtzeitig vorbestellen

Schon seit 30 Jahren halten Andree und Tanja Cordes Gänse. Als kleinerer Betrieb in der Direktvermarktung schlachten sie sie noch selbst. Sie bieten das Geflügel auf Vorbestellung an und verkaufen die Gänse als Frischware direkt im Hofladen. An Restaurants liefern sie nicht, und auch eine Online-Vermarktung wollen sie nicht. Das Geschäft laufe nach wie vor sehr gut. Es gibt seit Langem eine Stammkundschaft, die die Gänse alljährlich schon von einem Fest zum anderen vorbestellt. "Unsere Tiere werden zu Weihnachten alle verkauft sein", ist sich Tanja Cordes auch dieses Mal sicher. Verbraucher, die vor allem eine Gans aus Freilandhaltung in der Region auf den Tisch bringen wollen, sollten rechtzeitig bestellen, empfiehlt auch sie.

Dass Gänsefleisch immer beliebter wird, meint Angelika Kaiser-Lindemann vom Lilienthaler Hof Lindemann festgestellt zu haben. "Wir haben viele Bestellungen, und es werden jedes Jahr mehr", sagt sie. Am Mittwoch schlachtete der Hof seine bestellten Martinsgänse, Ende November gehen die Schlachtungen weiter, dann fürs Weihnachtsgeschäft.

Hermann-Dirk Lindemann und seine Frau verkaufen überwiegend Frischware. Zwischen vier und sechs Kilo schwere Gänse aus Freilandhaltung kosten auf ihrem Hof in Wührden zwischen 60 und 100 Euro. In diesem Jahr haben die Lindemanns den Schlachtkilopreis um einen Euro angehoben. Ein wesentlicher Grund seien die "explodierten Futterpreise", so Hermann-Dirk Lindemann, aber auch bei den Betriebskosten schlagen ihm zufolge höhere Ausgaben zu Buche.

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Was Fachleute empfehlen

Wenn die traditionellen Gänse-Essen stattfinden, kommt das Fleisch meistens aus Polen oder Ungarn. Die beiden osteuropäischen Länder bestritten im vergangenen Jahr 97 Prozent der Importe nach Deutschland, wie das Statistische Bundesamt berichtet. Wer beim Kauf auf tiergerechte Haltung Wert legt und die heimische Landwirtschaft unterstützen will, sollte auf die Bezeichnungen "Freilandhaltung" und "bäuerliche Freilandhaltung" achten oder zu einer Bio-Gans greifen. Das garantiere, dass die Tiere tagsüber auf der Weide sind und Auslauf haben, erklärt die Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung. Gänse aus "Freilandhaltung" hätten mindestens vier Quadratmeter pro Tier, Gänse aus der Haltungsform "bäuerlicher Freilandhaltung" zehn Quadratmeter Auslauf. Für Gänse aus ökologischer Erzeugung müssten mindestens 15 Quadratmeter Auslauf gewährleistet werden.

Im Durchschnitt verzehrt jeder Deutsche lediglich 400 Gramm Gänsefleisch im Jahr.  Entsprechend betreiben die meisten deutschen Landwirtinnen und Landwirte die Gänsehaltung im Nebenerwerb. Um kostendeckend wirtschaften zu können, benötigen sie nach Angaben der Bundesanstalt für Landwirtschaft und Ernährung einen mindestens doppelt so hohen Verkaufspreis wie die günstiger produzierende Konkurrenz aus Osteuropa. Für Verbraucherinnen und Verbraucher bedeutet das Preise von mindestens 10 bis 15 Euro pro Kilogramm, bei Bio-Gänsen mindestens 20 Euro. Weil die Gänse deutlich länger heranwachsen, seien sie in der Regel aber auch schwerer und wiegen durchschnittlich fünf Kilogramm bei der Schlachtung. Von einer Gans mit einem Gewicht von vier bis sechs Kilogramm würden etwa sechs bis acht Personen satt. 

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