Neugierig heben die Kälbchen ihre Köpfe und linsen über die Stallwand, als Sven Kück seinen Besuch zum Kuhstall führt. Ein paar Wochen alt sind die Tiere erst. Bis zu 30.000 Kaubewegungen werden sie bald jeden Tag machen und damit in den nächsten fünf bis sechs Jahren – solange leben sie als Milchkühe in der Regel – sehr viel Methan und andere Gase ausstoßen. „Klimakiller“ wird die Kuh deshalb auch von denen genannt, die es nicht gut mit ihr meinen.
Sven Kück käme nicht im Traum darauf, seine Kühe so zu bezeichnen. Eine Kuh ist eine Kuh, wie soll sie als Wiederkäuer bitteschön verhindern, dass sie rülpst und furzt? Das ist naturgegeben. Was Kück dagegen sehr wohl sieht: den Klimawandel. Und dass dagegen etwas getan werden muss, „auch von uns Landwirten“, wie er sagt.
Sein Vater und er haben sich deshalb vor gut eineinhalb Jahren entschlossen, am Projekt Net Zero Farming des Deutschen Milchkontors DMK teilzunehmen. Jetzt sind sie einer von drei Pilotbetrieben in ganz Deutschland. Sie wollen ihre Milch irgendwann einmal klimaneutral herstellen. Deshalb Net Zero, Netto-Null. Dafür probieren sie im Zusammenspiel mit den Experten des DMK und anderer Forschungsinstitutionen sehr viel aus, zum Beispiel beim Futter, bei der Gülle oder beim Pflanzenanbau. Die Erkenntnisse daraus werden an alle rund 5000 Höfe weitergegeben, die mit dem DMK zusammenarbeiten.
Die Kücks sind schon sehr gut
Unter dem Titel „Kücks Kühe“ hatte der WESER-KURIER vom Start des Projektes berichtet. Jetzt ziehen die Kücks und das DMK eine erste Bilanz. Ergebnis: Sie haben viel gelernt und auch einiges erreicht. Weltweit erzeugt die Herstellung eines Liters Kuhmilch ungefähr 2,4 Kilogramm CO2. In Europa sind es 1,3 Kilogramm, bei den Höfen, mit denen das DMK zusammenarbeitet 1,13 und bei den Kücks noch einmal weniger. „Wir reden bei diesem Betrieb von ungefähr 20 bis 30 Prozent weniger“, sagt Henry Hashagen, der als Projektleiter beim DMK unter anderem für das Net-Zero-Programm zuständig ist.
Unter dem Durchschnitt lagen die Kücks auch vor eineinhalb Jahren schon, aber sie sind jetzt noch einmal besser geworden. Weil sie zum Beispiel dem Silofutter, wenn es eingelagert wird, ein Hilfsmittel zugeben, das – vereinfacht gesprochen – gutartige Bakterien produziert, die dafür sorgen, dass die Silage länger nährstoffreich und haltbar bleibt. Ähnlich sieht es mit der Gülle aus: Sie bekommt im Winter einen Zusatz, der verhindert, dass weniger Nährstoffe entweichen und CO2 freigesetzt wird. Und ein dritter Ansatz: Die Kücks haben auf deutlich mehr Flächen als bisher Zwischenfrüchte angebaut. Die wiederum sorgen dafür, dass Humus gebildet wird, der seinerseits CO2 speichert.

Zum Thema Moorvernässung sagt Junior-Chef Sven Kück: ”Das ist für uns eine Existenzfrage.”
Auch der neue Kälberstall leistet seinen Beitrag zur Einsparung von Emissionen. Die Familie hat viel Geld dafür in die Hand genommen, um die Haltungsbedingungen zu verbessern. Heller haben es die jungen Tiere jetzt, bessere Luft und ganz generell ein besseres Klima. Das bringt nicht nur den Tieren etwas, sondern auch dem Betrieb. „Wenn es den Tieren gut geht, sind sie produktiver“, sagt Sven Kück. Mehr Milch, mehr Umsatz. Effizienzsteigerung, „ein hartes Wort vielleicht“, sagt Kück, aber ehrlich. Die Familie muss schließlich von ihrer Arbeit leben.
Seit fast 100 Jahren betreiben die Kücks in Gnarrenburg im Landkreis Rotenburg Landwirtschaft. 130 Milchkühe halten sie und bewirtschaften über 100 Hektar Fläche, das meiste davon ist Grünland, per se ein guter CO2-Speicher. CO2 speichert auch das Moor sehr gut, und davon gibt es hier oben reichlich, die Region heißt nicht umsonst Teufelsmoor. Politischer Wille ist in Deutschland, kultivierte Moorböden wieder zu vernässen. Was heißt das für die Kücks und ihre Felder und Wiesen? Was passiert, wenn sie ihre Grünflächen vernässen?
Die Familie erforscht das seit sechs Jahren in Zusammenarbeit mit dem Thünen-Institut. Auf einer vier Hektar großen Fläche haben die Kücks neue Drainagen gegraben und einen Schacht angelegt, um darüber den Wasserstand zu steuern. Das Ergebnis ist ernüchternd. Zwar bindet der Boden an dieser Stelle tatsächlich mehr CO2 als vorher, aber dafür sieht das Gras auf der Fläche nebenan, die nicht extra vernässt wird, deutlich besser aus, grüner, saftiger. Auf dem Experimentierfeld dagegen wachsen dunkelgrüne und braune Flecken. Die Qualität des Grases, das steht fest, wird selbst bei einer sorgfältig gesteuerten Vernässung schlechter sein als heute. Und das heißt für Kücks Kühe entweder nicht so hochwertiges Futter oder Futter, das Zusatzstoffe braucht, beides nicht im Sinne des Erfinders.
Deshalb hofft Familie Kück, dass die Politik die geplante Moorvernässung mit Augenmaß vorantreibt. „Das ist für uns eine Existenzfrage“, sagt Sven Kück. Die Familie müsste im schlimmsten Fall ihren Hof aufgeben, und damit würde an dieser Stelle auch der Traum von der klimaneutralen Kuhmilch sterben.