. Kalt und grau war es im vorigen Jahr, kurz vor Weihnachten, als in Hepstedt ein Bus mit Leuten vorfuhr, die sich das Dorf zeigen ließen. Es war die Jury des Landkreises, die zum offiziellen Auftakt der 47. Auflage des Wettbewerbs "Unser Dorf hat Zukunft" unterwegs war. Am 7. August kommt die Kommission nun erneut nach Hepstedt, um zu hören und zu sehen, was sich in den Monaten seitdem getan hat. Frage also an die Bürgermeisterin Heidi Stelljes: Wie ist die Lage in Hepstedt? Wie steht es um die Zukunft des Dorfes?
Heidi Stelljes weiß kaum, wo sie anfangen soll. "Es ist wirklich sehr viel passiert seitdem", sagt sie. Sie atmet tief durch und berichtet davon, wie sich der Wettbewerb bis zum heutigen Tag entwickelt hat. Ihr Resümee mündet in einem plattdeutschen Satz, den sie voller Überzeugung ausspricht: "Wi künnt Dörp!" Sehr frei übersetzt heißt das so viel wie: "In unserem Dorf fühlen sich alle Generationen wohl, hier lebt man gerne." Was sich auch daran zeige, dass es keine leer stehenden Häuser gebe und der Kindergarten voll belegt ist.
Dass die Hepstedter "Dorf können" und leben, dafür hat Stelljes zahllose Beispiele parat. Das fängt schon mal damit an, dass die Gemeinde derzeit ziemlich wenig Geld hat und für die Teilnahme am Dorfwettbewerb eigentlich gar nichts über hatte. Weil die Sache aber nicht am fehlenden Geld scheitern sollte, hat die Gemeinde eine Spendenaktion gestartet. Und sie hat alte Straßenschilder versteigert, die beim Aufräumen im Gemeinschaftshaus aufgetaucht waren. Dabei kam dann so viel zusammen, "dass wir unter anderem zwei stabile Sitzgruppen anschaffen konnten", so Stelljes. Die erste steht am Ummelweg in Richtung Freibad, die zweite werde demnächst am Busbahnhof aufgestellt.
Wie die 72-Stunden-Aktionen der Landjugend
Die Ideen zu dieser und zahlreichen weiteren Aktionen kamen aus den Arbeitsgruppen, die sich bei einem Auftakttreffen mit über 50 Teilnehmern gebildet hatten. Ihre Themen: Alleinstellungsmerkmal, Dorfbild, Kinder, Stärkung des Zusammenhalts, Tourismus sowie Natur und Artenschutz. Kaum war das im Dorf bekannt, so Stelljes, habe sich in Hepstedt ein Spirit verbreitet, wie man ihn von den 72-Stunden-Aktionen der Landjugend kenne. "Ganz viele Menschen haben Ideen eingebracht, und ganz viele Menschen haben tatkräftig mitgeholfen, um sie umzusetzen", so die Bürgermeisterin.
Beispiel Pferdekopf: Am Busbahnhof musste ein 20 Meter hoher Baum gefällt werden, aus Sicherheitsgründen. Anstatt nun viel Geld fürs Ausfräsen des Stubbens auszugeben, ließen die Hepstedter zwei Meter vom Stamm stehen, um ihn mit einem hölzernen Pferdekopf zu krönen. "Der ist ja in unserem Wappen drin", erklärt Stelljes. Das habe ein Hepstedter mitbekommen und sogleich in Bispingen so eine Skulptur besorgt. Das sei typisch gewesen, freut sich Stelljes: "Du bringst eine Idee im Dorf ein und findest sofort Leute, die das gut finden und auch umsetzen." Aus dem gleichen Grund ist etwa die reetgedeckte Ortstafel nicht mehr wiederzuerkennen. Nicht nur, dass der Ortsplan überarbeitet wurde: Auf der anderen Seite zeigt nun eine Fotocollage, wie vielfältig das Dorf ist, dazu gibt es einen kurzen Text mit aktuellen Informationen. Nicht weit weg davon steht das Buswartehäuschen, das die Landjugend aus eigenem Antrieb "mal eben so" abgeschliffen und neu gestrichen habe.
Erfolgreiche Dorfputzaktion
Auch die Mitglieder des Gemeinderates hätten die Ärmel hochgekrempelt und beispielsweise einen Carport am Gemeinschaftshaus aufgebaut. Und ebenfalls voller Begeisterung erzählt Stelljes von der Dorfputzaktion im Frühjahr, an der 90 Menschen teilgenommen hätten. Seitdem sind die Rabatten vorm Gemeinschaftshaus neu bepflanzt – komplett mit gespendeten Blumen und Stauden, die derzeit kunterbunt blühen. Demnächst werde dort noch ein Bücherschrank aufgestellt, zum Ausleihen und Tauschen von gebrauchter Literatur. Die Leitung übernehme eine Bibliothekarin im Ruhestand. Ein glücklicher Umstand sei es, dass sich die Töchter des letzten Gastwirts Klaus Blanken entschieden hätten, nach dessen Rückzug die Gaststätte weiterzuführen. Das sei schon mal ein großer Gewinn fürs Dorf, denn damit bleibe ein wichtiger Treffpunkt in Hepstedt erhalten.
Umgesetzt worden seien auch einige Wünsche der 30 Kinder, die auf den Fragebogen der Gemeinde reagiert haben. So sei beispielsweise die Beleuchtung des Buswartehäuschens in Arbeit. "Das Kabel liegt schon", sagt Stelljes. Auch sei mittlerweile eine Tischtennisplatte auf dem Gemeinschaftsplatz aufgestellt worden. Weiter auf sich warten lasse hingegen die sichere Querung der Hauptstraße, wofür der Landkreis zuständig sei, der Bau eines Hallenbads, wofür kein Geld da sei, und die Einführung von Chips und Cola in Heidi Stelljes' Dekogeschäft, was nicht so recht zum Sortiment passe. Aus den von den Kindern gewünschten Bastelkursen sei indes, wenn auch in abgewandelter Form, etwas geworden: "Ein Hepstedter hat zwei Fahrradreparaturkurse organisiert, einen für Kinder und einen für Erwachsene", berichtet Stelljes.
Menschen aktiviert
Für sie ein gutes Beispiel, wie ein gemeinsames Ziel Menschen aktivieren könne: "Der Mann hatte sich bis dahin kaum am Dorfleben beteiligt." Überhaupt habe man mit dem Dorfwettbewerb Menschen "mitnehmen" können, die sich in der Coronazeit zurückgezogen hätten. Sie hoffe, dass diese Wirkung anhalte. Wenn die Hepstedterinnen und Hepstedter sich auch weiterhin so stark für ihr Gemeinwesen engagieren, dann hätten sich die Mühen und die investierte Zeit gelohnt, sagt die Bürgermeisterin, die durchaus einräumt, dass sie gelegentlich schon mal an ihre Grenzen komme. Rasch fügt sie aber hinzu: "Wenn in solchen Momenten jemand anruft und fragt, ob er die neu gepflanzten Bäume wässern soll, grinse ich wie ein Honigkuchenpferd. Wir können eben Dorf."

Diese Idee spart Arbeit und ist gut für Artenvielfalt.

Schaufel und Besen am Altglascontainer, damit bleibt das Dorf sauberer.

Macht das Dorf schöner: der Pferdekopf.