Der Tarmstedter Jugendtreff steht vor einer ungewissen Zukunft. Weil die Gemeinde Tarmstedt sparen muss, will sie die Finanzierung der Einrichtung ab 2026 auf 15.000 Euro halbieren. Einige Ratsmitglieder und auch der Verein, der die Betreuung der Kinder und Jugendlichen übernimmt, schlagen nun Alarm, weil sie den Bestand des Jugendtreffs als gefährdet ansehen. Jetzt ist eine Spendenaktion geplant, um den Bestand zu sichern.
Wie ist die Beschlusslage?
"Der Tarmstedter Gemeinderat hat beschlossen, den Betrieb ab dem Jahr 2026 von bisher zwei Öffnungstagen auf einen zu halbieren, weil wir uns das bisherige Modell nicht mehr leisten können", sagt Gemeindedirektor Oliver Moje. Er erklärt das mit der dramatisch schlechten finanziellen Situation der Gemeinde: "Zu Beginn des Jahres war das errechnete Defizit für 2025 so hoch, dass wir keinen genehmigungsfähigen Haushalt hätten aufstellen können." Durch eine unerwartete Nachzahlung des Landes von mehr als 500.000 Euro habe sich die Lage zwar etwas entspannt. Dennoch seien Ausgabenkürzungen weiterhin unvermeidlich, und das sei am ehesten bei freiwilligen Leistungen, wie dem Jugendtreff, möglich. Die Gemeinde habe aber auch an anderer Stelle gespart, indem sie zum Beispiel eine frei gewordene Stelle in ihrem Bauhof nicht wieder besetzt habe.
Gibt es eine Möglichkeit, die Halbierung des Angebots zu vermeiden?
Ja. Das aus Sicht der Gemeinde fehlende Geld für die Sozialarbeit im Jugendtreff müsste halt woanders herkommen. Eine Idee dazu gibt es schon: Es soll über Spenden eingeworben werden, und zwar dauerhaft. Ein vom zuständigen Fachausschuss für Familie, Jugend und Senioren gebildeter Arbeitskreis hat bereits einen Bettelbrief verfasst, der nun hauptsächlich an Geschäftsleute in der Samtgemeinde Tarmstedt verteilt werden soll. "Wenn genügend Spenden hereinkommen, kann es auch ab 2026 bei den bisherigen zwei Öffnungstagen bleiben", sagt Moje.
Wie sehen die Betreuer der Jugendlichen die Sache?
Aus ihrer Sicht wird die kommunale Jugendarbeit von den Verantwortlichen der Gemeinde zu wenig wertgeschätzt. Jan-Dieter Junge, Geschäftsführer des sozialpädagogischen Vereins Sofa, der seit 25 Jahren das Betreuungspersonal für den Tarmstedter Jugendtreff stellt: "Die Kürzung geht in die völlig falsche Richtung, denn wir müssten eigentlich über eine Ausweitung auf drei Öffnungstage reden." Jugendarbeit funktioniere nur, wenn es zwischen den Jugendlichen und den Sozialarbeitern eine stabile Beziehung gebe. "Um die auszubauen und zu erhalten, braucht es einfach Zeit", so Junge. Der Gemeinde müsste klar sein, dass ein Jugendtreff gerade im heutigen Smartphone-Zeitalter gar keine freiwillige Leistung sei, sondern eine unverzichtbar wichtige Sache. "Wir brauchen solche Orte, wo die Kids soziales Verhalten lernen", so Junge. Wer hier kürze, spare am falschen Ende.
Können Spenden eine Lösung sein?
Jan-Dieter Junge verneint das. Es werde schwierig sein, Sponsoren für Personalkosten zu finden, denn Spender bevorzugten in der Regel Objekte, auf die sie ihr Firmenschild kleben könnten. Weil nicht sicher sei, dass die Spenden verlässlich in benötigter Höhe eingingen, könne er für 2026 seriös nur noch einen Öffnungstag für Tarmstedt einplanen. "Wir brauchen einfach einen soliden Finanzrahmen", sagt Junge, er brauche Planungssicherheit auch im Sinne des Personals.
Wird der Jugendtreff auch mit nur einem Öffnungstag funktionieren?
Eher nicht, sagt Jan-Dieter Junge voraus. Er befürchtet eine Abwärtsspirale, da sich die Jugendlichen vom Betreuungspersonal entfremden könnten, weil einfach weniger Zeit sei, um auch mal spontan Probleme zu besprechen. Derzeit kämen pro Öffnungstag zwischen fünf und 15 Jugendliche zwischen zehn und 14 Jahren in den Jugendtreff.
Was sagt die Politik zur Kürzung?
Die Ratsfrauen Sylvia Best (SPD) und Kerstin Holle sehen den Jugendtreff als elementar für Jugendliche an, die nicht in Vereinen, Kirchen oder sonstigen Einrichtungen organisiert sind. In einer Zeit, in der demokratische Strukturen immer stärker in Frage gestellt werden, seien solche sozialpädagogischen Angebote besonders im ländlichen Raum von großer Bedeutung für eine starke Demokratie, heißt es im Spendenaufruf. "Tarmstedt ist auch nicht mehr wie Bullerbü", ergänzt Sylvia Best. Sie befürchtet, wie andernorts geschehen, dass Rechtsextreme mit ihren Angeboten in die Lücke springen werden, falls sich die kommunale Jugendarbeit immer weiter zurückzieht. "Das ist in einem Nachbarlandkreis auch schon passiert", sagt Jan-Dieter Junge.