Die Augen sind weit geöffnet, doch sonst lässt sich Astrid nichts anmerken. Sie ist schon seit früh morgens auf, heute ist ihr großer Tag. Um 7.30 Uhr ist sie frisch geduscht, gebürstet und ihr cremig weißes Haar glänzt in der frühen Morgensonne. Ihr Team sorgt dafür, dass sie die besten Voraussetzungen hat. In wenigen Stunden soll sie zur Miss Tarmstedt gekürt werden.
Dafür steht sie Reihe an Reihe mit Dutzenden Kolleginnen und Kollegen. Viele sind doch deutlich unruhiger. Manche braun, manche so weiß wie sie, andere wiederum gefleckt. Astrid ist ein Charolais-Rind. Sie nimmt auf der Tarmstedter Ausstellung an der 28. Landesfleischrinderschau teil.
Frisieren am frühen Morgen
"Wir treffen hier gerade die letzten Schönheitsvorbereitungen", erzählt Diethelm Meyerdierks. Der Landwirt nimmt mit Astrid und zwei weiteren Rindern am diesjährigen Wettbewerb teil. "Da will man schon alles zeigen, was man hat". Zwei Mal hat der Lilienthaler mit seinen Rindern bei der Schau vorn gelegen, dieses Jahr soll die dritte Gewinnerin folgen. Dafür sorgt auch sein Sohn Dennis. "Der kennt sich eigentlich viel besser mit den Tieren aus". Der 36-Jährige ist schon als kleiner Knirps dabei gewesen, als sein Vater vor 30 Jahren angefangen hat, Rinder zu halten. "Diese Rasse ist dankbar, die meckern nicht", sagt Dennis Meyerdierks über die Charolais.

Gestriegelt und geputzt: Meyerdierks bereitet Charolais-Färse „Astrid“ für den Wettbewerb vor.
Am frühen Vormittag wird es in den Zelten etwas ruhiger. Die meisten Rinder sind jetzt frisiert und haben sich an die neue Umgebung etwas gewöhnt. Auch Astrids Augenlider liegen wieder normal an, sie kaut in Ruhe auf dem frischen Heu herum, das überall ausliegt. Eng an eng steht sie nun mit Carola und Conni, dem Geschwisterpaar aus dem Hause Meyerdierks. Inzwischen haben sich deutlich mehr Tiere in dem Zelt eingefunden, auch Kälber und Bullen befinden sich darunter.
Zeit, dass sich auch das Hof-Team der Rinder-Damen schick macht. Neben Vater und Sohn hilft heute Till Behrens mit. Der 26-jährige Nachbar der Familie hat schon von Kindesbeinen an auf dem Hof mit angepackt und übernimmt inzwischen als Fachkraft einen Großteil der Feldarbeit. "Es ist sehr schön, dass sich die jungen Leute für die Landwirtschaft interessieren", findet Meyerdierks.





Kühe werden für den Wettbewerb gewaschen.
Fotografin Carmen Jaspersen

Till Behrens bereitet Charolais Färse „Astrid“ für den Wettbewerb vor.
Fotografin Carmen Jaspersen

Ein Bulle wird zum Wettbewerb geführt.
Carmen Jaspersen
Rinder zu halten, sei schon immer sein Traum gewesen. Gestartet ist der Betrieb 1995 mit zwei "Unechten", also Nicht-Rasse-Rindern. Auch weil die Infrastruktur fehlte. 2000 folgte der Bau eines großen Stalls auf dem Lüninghauser Hof, inzwischen ist die Herde auf 55 Tiere angewachsen. Als Züchter würden sie auf eine natürliche Haltung mit Weidegang setzen – ohne Kraftfutter und mit muttergebundener Kälberaufzucht.
"Für die Landwirtschaft muss man verrückt sein", findet sein Sohn Dennis. Ende Juli will er bei Worpswede einen Hofladen eröffnen und auch Fleisch aus eigener Zucht anbieten. Die drei Färsen von der Schau, Rinder, die noch keine Kälber hatten, werden diesem Schicksal entgehen. "Das Glück der guten Gene", sagt Meyerdierks dazu. Sie werden mindestens sieben bis acht Jahre in der großen Herde zur Zucht weiterleben.

Voller Fokus: Dennis Meyerdierks hat im Ring einen Tunnelblick, der nur auf seine Rinder zielt.
Gegen 11.30 Uhr wird es für Astrid ernst. Dennis Meyerdierks steht mit ihr am Eingang des Landwirtschaftsrings bereit. "Mal schauen, wer hier wen spazieren führt", sagt er noch, dann geht es schon los. Die Führung der Färse ist innerhalb der Arena gar nicht so einfach. Zuschauer, Lautsprecher und allgemeiner Trubel sorgen für Ablenkung. Astrid springt mehrfach hin und her, mit ihren gut 800 Kilogramm bringt sie ordentlich Wucht mit. Mehrfach muss Meyerdierks sie durch den Ring führen.
Langer Weg zur Miss Tarmstedt
Am Rand des Rings steht Thorsten Ahlers. Er ist heute nicht als Richter aktiv, kennt die wichtigen Kriterien aber in- und auswendig. Seit 1988 arbeitet er bei Masterrind, dem Ausrichter der Landesfleischrinderschau. Das Unternehmen aus Verden betreut mehr als 8000 Rinderzüchter in Niedersachsen und Bremen. Ahlers erklärt, worauf es bei den Tieren unter anderem ankommt: Euter, Fundament, Funktionalität. Das geht am Kopf los, der bei Charolais am besten breit ist und ein kurzes Maul aufweist. Auch ein gerader, langer Rücken bringt in der Bewertung Punkte.
In jeder Alterskategorie einer Rasse wählen die Juroren ein Gewinnertier. Diese müssen sich dann noch einmal gegeneinander beweisen, bevor das beste weibliche und männliche Tier einer Rasse gekürt wird. Erst ganz zum Schluss werden aus den besten Tieren aller Rassen Miss und Mister Tarmstedt gewählt. Ein weiter Weg, der sich jedoch lohnt. "Dann weiß ich, dass ich bei der Zucht auf dem richtigen Weg bin", erklärt Ahlers. Natürlich helfe so ein Gütesiegel auch beim Verkauf der Rinder.

Selbst Kälber treten hier an – wenn auch nur im Duo mit ihrer Mutter.
Gegen 13 Uhr ist klar: Dieses Jahr ist der Weg zur Miss Tarmstedt für den Hof Meyerdierks zu weit. Alle drei Färsen landen bei ihren Jahrgängen nicht auf dem ersten Platz. "Manche Tage laufen gut, und dann gibt es halt auch so was", fasst Dennis Meyerdierks den Wettbewerb zusammen. Zu groß war die Konkurrenz. Doch auch so habe sich der Betrieb gut vor dem Publikum präsentieren und mit den anderen Züchtern austauschen können. Jetzt geht es für Astrid, Carola und Conni zurück zum Hof und in die Herde. Als Zuchtrinder dürften sie noch ein langes Leben vor sich haben.